Seit sich die Spitzenmanager und Verwaltungsräte der Swissair nach dem Konkurs gegen persönliche Anschuldigungen verteidigen mussten, gelten auch bei uns neue Massstäbe in der Managerhaftpflicht. Im Nachgang zur Mega-Fusion der beiden Schweizer Grossbanken rufen derzeit in den USA bekannte Anwaltskanzleien die Investoren zu Sammelklagen gegen die Credit Suisse auf, weil sie irreführende Informationen der Führungsspitze reklamieren. Auch ein einheimischer Jurist hat bei der Zürcher Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte eine Anklage gegen den CS-Verwaltungsrat wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung eingereicht.

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«Nachdem die D&O-Versicherung gerade im KMU-Segment über Jahre nicht thematisiert wurde, verzeichnen wir seit zwei bis drei Jahren eine steigende Nachfrage nach derartigen Versicherungslösungen»

Bernd de Wall, Mediensprecher Allianz Suisse

KMU mit grossem Interesse an D&O-Versicherungen

Zwar herrschen bei uns noch keine amerikanischen Verhältnisse, aber die Topkader müssen sich vorsehen. Entsprechend wichtiger wird die Organhaftpflichtversicherung, im Fachjargon Directors and Officers Liability (D&O). Eine solche Versicherung deckt die Kosten zur Abwehr von Klagen und unbegründeten Forderungen sowie allfällige Entschädigungszahlungen ab. Die D&O-Versicherung wird nicht nur von Grossunternehmen, sondern immer mehr auch von kleinen und mittleren Firmen nachgefragt. «Nachdem die D&O-Versicherung gerade im KMU-Segment über Jahre nicht thematisiert wurde, verzeichnen wir seit zwei bis drei Jahren eine steigende Nachfrage nach derartigen Versicherungslösungen», sagt Bernd de Wall, Mediensprecher von Allianz Suisse

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Aggressive Wachstumsziele

Der D&O-Versicherungsmarkt hat sich zu Beginn dieses Jahrzehnts stark verhärtet. Die Versicherer schränkten aufgrund der hohen internationalen Schadenbelastungen die Kapazitäten ein und erhöhten die Prämien. Dieser Trend kam im letzten Jahr zu einem abrupten Ende. «Die Versicherer haben mit der D&O-Versicherung auf globaler Ebene wieder profitable Ergebnisse erreicht und in der Folge teils aggressive Wachstumsziele definiert», beobachtet Markus Haefeli, Managing Partner bei Haefeli & Schroeder Financial Lines. Dies führte den harten Markt zurück in einen erneut eher soften Markt. Um die ambitiösen Umsatzgrössen zu erreichen, mussten die Anbieter nicht nur das Bestandsgeschäft verteidigen, sondern gleichzeitig deutlich mehr Neugeschäft schreiben.

Eine ähnliche Entwicklung sieht auch Christian Peters, Bereichsleiter Special Risks beim Versicherungsbroker Kessler: «Der Ukraine-Krieg startete just im Zeitpunkt, als sich der D&O Versicherungsmarkt erholte.» Neue Marktteilnehmer boten zusätzliche Kapazitäten an und damit reduzierten sich auch die Prämien. Gleichzeitig hatte der Krieg zur Folge, dass bei den Policen für Russland und Weissrussland territoriale Deckungseinschränkungen angebracht wurden.    

Internationale Rechtsstreitigkeiten führen zu mehr Verfahren 

Die Anspruchsmentalität gegenüber dem Management eines Unternehmens ist ganz allgemein gestiegen. Speziell die internationalen Rechtsstreitigkeiten und Verstösse gegen Compliance-Richtlinien führen zu mehr Verfahren. Mit den verschärften Gesetzen und Urteilen erhöht sich für Topmanager das Risiko auf Schadenersatz verklagt zu werden. Die Versicherer werden entsprechend selektiver bei der Ausstellung von D&O-Policen. So wurde etwa der Deckungsumfang von früher 25 Millionen Franken auf häufig nur noch maximal 15 Millionen Franken reduziert.

Jahresprämien für Commodity-Produkte starten bei rund 1000 Franken

Aus Sicht von Branchenkenner Markus Haefeli «herrscht aber aktuell eher wieder eine Aufbruchstimmung hin zu mehr Versicherungsleistung für weniger Prämie.» Generell hat sich die Organhaftpflichtversicherung über die Jahre hinweg zu einem Standardprodukt entwickelt. Die Jahresprämien für solche Commodity-Angebote starten bei rund 1000 Franken und sind damit bei kleineren und mittleren Unternehmen noch stärker in den Fokus gerückt. Von Seiten der Anbieter wird gleichzeitig auch exakt hingeschaut. «Die Versicherer prüfen heute alle Risiken viel genauer», stellt Christian Peters fest.       

Prämienvolumen von 120 bis 250 Millionen Franken

Im Schweizer Markt bietet eine Vielzahl von Versicherern umfangreiche D&O-Lösungen an. Die Schätzungen für das jährliche Prämienvolumen reichen von 120 bis 250 Millionen Franken. Die relativ grosse Abweichung hängt auch damit zusammen, dass nicht alle Schweizer Unternehmen ihre Lösungen von einheimischen Versicherungsgesellschaften kaufen. Zahlreiche Anbieter versuchen sich mit innovativen Produkten möglichst kompetitiv zu positionieren.

«Wegen den unsicheren Wirtschaftsaussichten rückt verstärkt die geographische Umsatz-Diversifikation der Kunden in den Fokus der Risikoprüfung»

Ivo Heeb, Expert Underwriter Financial Lines, Allianz Global

Wegen der angespannten Wirtschaftslage  und einer ständig erweiterten Haftung durch regulatorische und gesetzgeberische Neuerungen erwarten Marktkenner in den kommenden Jahren eine steigende Nachfrage nach D&O-Versicherungen. «Wegen den unsicheren Wirtschaftsaussichten rückt verstärkt die geographische Umsatz-Diversifikation der Kunden in den Fokus der Risikoprüfung», sagt Ivo Heeb, Expert Underwriter Financial Lines bei Allianz Global. Für alle Unternehmen hat sich die juristische Gangart verschärft. Streitigkeiten werden vermehrt vor Gerichten ausgefochten. Damit steigen die Anforderungen an die Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen. Es erstaunt deshalb kaum, dass die D&O-Versicherung immer mehr auch Einzug bei kleinen Firmen hält.