Die geopolitischen Risiken sind mit dem Ukraine-Krieg zwar in den Vordergrund gerückt, doch die Debatte um die Klimaerwärmung ist deswegen nicht verstummt. Damit bleiben auch die Pensionskassen in der Verantwortung. Immer mehr Stiftungsräte und Anlagekommissionen beziehen Kriterien in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance bei der Festlegung ihrer Asset Allocation mit ein. Es gibt aber noch viel Spielraum nach oben. Gemäss der jüngsten Swisscanto-Pensionskassenstudie hat erst ein Drittel der Vorsorgeeinrichtungen spezielle ESG-(«Environment, Social, Governance»-)Kriterien im Anlagereglement verankert. Klar ist aber: Der inländische Finanzsektor beschäftigt sich zunehmend mit den Vorgaben der Vereinten Nationen und dem Pariser Klimaabkommen. «Die institutionellen Investoren haben erkannt, welche Bedeutung die Nachhaltigkeit in der Gesellschaft hat», sagt Antoinette Hunziker-Ebneter, die sich als Gründungspartnerin von Forma Futura schon vor bald zwei Jahrzehnten der nachhaltigen Vermögensverwaltung verschrieben hat.

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Anteil Pensionskassen mit ESG-Kriterien im Anlagereglement

Anteil Pensionskassen mit ESG-Kriterien im Anlagereglement. Quelle: Swisscanto Pensionskassenstudie 2022.

Quelle: Swisscanto

EU-Taxonomie als Taktgeber

Bisher setzt die Schweiz beim Thema Nachhaltigkeit vor allem auf freiwillige Empfehlungen und weniger auf gesetzgeberische Massnahmen. Einzig im Gefolge der Abzocker-Initiative wurden die Pensionskassen verpflichtet, bei den Manager-Vergütungen und der Wahl des Verwaltungsrats von börsenkotierten Schweizer Firmen ihre Stimmrechte auszuüben und dies gegenüber den Versicherten offenzulegen. Anders ist das in der Europäischen Union (EU), wo regulatorische Initiativen den Kurs bestimmen. Mit der EU-Taxonomie wird definiert, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig angesehen werden. Die internationale Entwicklung beeinflusst auch die Aktivitäten in der beruflichen Vorsorge. Angeführt durch bundesnahe Pensionskassen wie SBB, Post oder Swisscom wurde der Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK) gegründet. Für die Mitglieder massgeblich sind die UNO-Prinzipien. Der Verein identifiziert anhand der ESG-Kriterien problematische Unternehmen und führt mit ihnen einen Dialogprozess. Im Zentrum steht eine «Schwarze Liste» mit Firmen, die gegen Schweizer Gesetze oder ratifizierte internationale Konventionen verstossen.

Fehlende Standards, keine Transparenz

Trotz intensiven Bemühungen gibt es derzeit keinen international anerkannten Standard dafür, wie Unternehmen über ihre Umwelt- und Sozialrisiken berichten sollen. Experten nennen die Finanzkennzahlen als Vorbild, wo die Rechnungslegungsvorschriften der International Financial Reporting Standards (IFRS) seit Jahrzehnten für Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen. Davon ist die Berichterstattung im Bereich der ESG-Kriterien noch ein Stück weit entfernt. Aus der Sicht von Nachhaltigkeitspionierin Hunziker-Ebneter braucht es mehr Transparenz: «Wir müssen erklären können, wie wir Nachhaltigkeit messen können.» Erste erfolgversprechende Ansätze gibt es. Nebst der EU haben die Vereinten Nationen die Principles for Responsible Investment  (PRI) erarbeitet, die sich auch mit den Berichtspflichten von Unternehmen befassen. Trotzdem bleiben einheitliche Definitionen schwierig. Am weitesten fortgeschritten ist die Standardisierung im Bereich Umwelt. Demgegenüber hinken die Rating-Ansätze bei den Kategorien «Sozial» und «Unternehmensführung» hinterher. Im weltweiten Rahmen stützen sich die grossen Investoren zu einem erheblichen Teil auf die ESG-Ratings der US-Ratingagentur MSCI.

Nachhaltigkeit versus Rendite

Bei der Beurteilung nach ESG-Kriterien kommen verschiedene Screening-Strategien zum Einsatz. Die ursprünglich passiven Ansätze (positives und negatives Screening) wurden um aktive Strategien (Engagement und Shareholder Activism) sowie den Best-in-Class Ansatz ergänzt. Trotz neuen Tools sind Investmentstrategien gestützt auf Ausschlusskriterien weiterhin am stärksten verbreitet. Unternehmen mit kontroversen Aktivitäten wie etwa Waffenproduktion, Tabak oder Glücksspiele werden gemieden. Wenn es um die Umsetzung der Nachhaltigkeitsaspekte geht, nehmen die grossen Pensionskassen mit verwalteten Vermögen von mehr als 500 Millionen Franken eine Vorreiterrolle ein. Eva Maria Hintner, Country Head Switzerland beim Asset Manager Columbia Threadneedle, beobachtet bei den einheimischen Vorsorgeeinrichtungen «ein verstärktes Engagement», das allerdings noch nicht das Niveau wie etwa in den Niederlanden oder den skandinavischen Staaten erreicht. Sie spricht von einem pragmatischen Ansatz, bei dem man «nicht mit einer hohen Nachhaltigkeit eine mögliche Rendite abgeben will.» Dabei zeigen verschiedene Studien auf, dass bei der finanziellen Performance von Socially Responsible Investments keine systematischen Unterschiede gegenüber traditionellen Anlagen bestehen. Der nachhaltige MSCI World Socially Responsible Index hat sich über eine Zehnjahresperiode hinweg praktisch identisch entwickelt wie sein klassischer Gegenpart MSCI World. 

Messung der CO2-Emissionen in % aller Vorsorgeeinrichtungen

Messung der CO2-Emissionen in Prozent aller Vorsorgeeinrichtungen. Quelle: Swisscanto Pensionskassenstudie 2022.

Quelle: Swisscanto