«Ich bin geduldiger geworden und höre viel besser zu als früher», lautet das Fazit von Philomena Colatrella nach sechs Jahren in der CEO-Funktion. Wer mit der vor Energie sprühenden Luzernerin spricht, ahnt, dass dies für sie einen grossen Wandel darstellt. Geholfen hat ihr dabei in einem gewissen Sinne auch die Pandemie. «Die Arbeit hat sich verändert, und die Kundinnen und Kunden wie auch die Mitarbeitenden sind anspruchsvoller geworden – wenn ich nicht richtig hinhöre, kann ich nicht auf ihre Bedürfnisse reagieren.» Letzteres ist ihr enorm wichtig, denn im Austausch mit anderen Menschen lernt sie jeweils viel dazu. «Ich liebe es, Netzwerke zu knüpfen…», schmunzelt sie.
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Bezahlbares Gesundheitssystem ermöglichen
Dies fällt ihr nicht allzu schwer, ist die Luzernerin doch äusserst eloquent und spricht fünf Sprachen. Die verschiedenen Aufgaben und Ämter, die sie neben ihrer anspruchsvollen Rolle bei der CSS wahrnimmt, trägt sie denn auch nicht als Auszeichnung vor sich her. «Ich engagiere mich nirgends aus Prestigegründen, sondern weil ich Verantwortung übernehmen und der Gesellschaft etwas zurückgeben möchte.»
Ihr Hauptantrieb ist, der Bevölkerung Zugang zu einem guten und vor allem bezahlbaren Gesundheitssystem zu ermöglichen. «Zugegeben, das ist komplex, braucht Ausdauer und ist kräfteraubend, und mitunter frage ich mich auch, wie wir als Branche den gordischen Knoten lösen können, doch bis jetzt ist es immer irgendwie gelungen.» Diese Zuversicht ist neben dem hohen Energielevel eine zweite Gabe, die der 54-Jährigen in die Wiege gelegt wurde. Das Grundvertrauen ins Leben hat sich bei ihr schon sehr früh gezeigt. «An meinem ersten Kindergartentag schickte ich meinen Vater weit vor dem Schulhaus wieder nach Hause …», erinnert sie sich schmunzelnd.
Es tut gut, Entscheide fällen zu können.
Verantwortung als Energiequelle
Trotz langer Tage und langsam mahlender politischer Mühlen gibt der Job Philomena Collatrella mehr, als er ihr entzieht. Bei einem Krankenversicherer tätig zu sein, sei enorm sinnvoll, nach einem Purpose brauche sie nie zu suchen, sinniert sie. «Meine Arbeit ist lebensnah und die Themen Solidarität und Eigenverantwortung, die seit meiner Kindheit wichtig sind, gehören zu den tragenden Pfeilern unserer Branche.»
Zudem ist Verantwortung für Philomena Colatrella keine Bürde, sondern eine Energiequelle. «Es tut gut, Entscheide fällen zu können …» Selbstverständlich wägt sie diese jeweils mit dem ihr eigenen Pragmatismus ab und stützt sich dabei auf viele Quellen. «Gespräche mit den unterschiedlichsten Menschen helfen mir dabei genauso wie Studien oder Forschungsergebnisse.» Aus diesen stammen oft auch ihre Ideen, um Innovationen anzustossen. Ein Thema, das sie seit ihrem ersten Tag als CSS-Chefin umtreibt. «Wir wollen nicht nur der führende Krankenversicherer sein, sondern die Innovation im Gesundheitsmarkt prägen», war etwas vom Ersten, das sie nach ihrem Amtsantritt verkündete.
Zwanzig Jahre sind noch lange nicht genug
Dass sie nun seit mehr als 20 Jahren bei der CSS arbeitet, kann sie selbst fast nicht glauben. «Grundsätzlich brauche ich alle drei Jahre eine Veränderung oder etwas Neues.» Weil ihre Neugierde und ihr Tatendrang innerhalb des Luzerner Krankenversicherers dank zig Veränderung und neuer Rollen immer wieder gestillt werden konnte, ist die Luzernerin ihrem Arbeitgeber stets treu geblieben.
Es hätte aber auch ganz anders kommen können. Als sie 2000 als junge Anwältin bei der CSS begonnen hatte, war es ihr nach drei Monaten derart langweilig, dass sie kündigen wollte. Zum Glück erkannte das ihr damaliger Vorgesetzter und gab ihr mehr Verantwortung.