Mit der Corona-Pandemie ist die ältere Generation ins Scheinwerferlicht gerückt. Am meisten Todesopfer gibt es unter den 80- bis 90-Jährigen. Oft sind es pflegebedürftige Leute in Altersheimen, die nun als Risikopersonen besonders von der Umwelt abgeschirmt werden. Dabei wächst diese Altersgruppe rasant. Und mit den Babyboomern, die derzeit in Pension gehen, folgt ein neuer Schub. Je älter die Leute werden, umso grösser ist auch der Anteil an Pflegefällen. Bei den über 85-Jährigen ist heute eine von drei Personen pflegebedürftig, bei den über 90-Jährigen gilt dies für jede zweite Person. Mit Folgen für die Finanzierung. Gemäss einer Studie des Instituts für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen werden sich die Kosten für die Langzeitpflege von heute rund 15 Milliarden Franken bis 2050 auf über 30 Milliarden Franken mehr als verdoppeln. 

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Kostenbombe

Von Gesundheitsexperten wird immer wieder eine obligatorische Pflegeversicherung, ähnlich wie etwa in Deutschland, oder ein Spar-Obligatorium ab einem bestimmten Alter gefordert. Politische Vorstösse in dieser Richtung sind aber bisher im Sand verlaufen. Entsprechend warnt Thomas Gächter, Professor für Sozialversicherungsrecht der Universität Zürich: «Wenn die Babyboomer-Generation pflegebedürftig wird, kommt die Kostenbombe.» Im bestehenden Modell werden die medizinischen Leistungen von Pflegefällen ohne zeitliche Limitierung über die obligatorische Krankenversicherung abgedeckt. Die Kosten für Verpflegung und Infrastruktur im Pflegeheim sind jedoch durch den Versicherten zu zahlen. Das kann ins Geld gehen. Die von ihm zu begleichenden Heimkosten belaufen sich rasch auf 8000 bis 10’000 Franken pro Monat. Ergänzungsleistungen können nur beansprucht werden, wenn diese Aufwendungen über dem Renteneinkommen liegen und nicht genügend Vermögen vorhanden ist.

Will jemand keine staatlichen Gelder beanspruchen, steht ihm der Abschluss einer Zusatzversicherung bei einem Lebensversicherer oder einer Krankenkasse offen. Allerdings sind private Pflegeversicherungen bei uns bisher eine Randerscheinung geblieben. Anders in den USA, Japan oder Frankreich: Dort werden bereits zwischen 5 Prozent und 15 Prozent der Pflegekosten durch eine private Versicherungspolice abgedeckt. «Die Pflegeversicherung ist in der Schweiz nicht gut gelöst», sagt Carlo Knöpfel, Professor für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Rasche Veränderungen zeichnen sich aber nicht ab. Über die letzten zehn Jahre hinweg wurden sämtliche politischen Vorstösse für Pflegeversicherungen auf der Basis eines Umlage- oder Kapitaldeckungsverfahrens abgeblockt. Zuletzt forderte die FDP-Fraktion den Bundesrat auf, die gesetzlichen Grundlagen für ein freiwilliges Pflegesparkonto zu erarbeiten. Aus Bern aber kam ein Nein.  

Neue Krankenzusatzversicherungen    

Solange sich auf politischer Ebene nichts bewegt, wäre dies eine Chance für die Assekuranz. In ihrer jüngsten Studie verweist das Beratungsunternehmen Oliver Wyman auf neue Möglichkeiten für private Krankenzusatzversicherungen in einem zunehmend digitalen Gesundheitsmarkt. Dies auch, weil die Altersgruppe der über 65-Jährigen stark expandiere. Bemängelt wird, dass die Versicherer zum Thema «Sicher und gesund altern» heute noch zu wenige Konzepte im Angebot haben. Zudem würde den bestehenden Renten- und Pflegprodukten der Zuschnitt auf die individuelle Lebenssituation des Kunden fehlen. Die auf dem Schweizer Versicherungsmarkt angebotenen Produkte sind nur punktuell eine Lösung. Eine Langzeitpflege lässt sich damit nicht vernünftig versichern. Interessant ist eine solche Police für Gutverdienende und Leute, die ein grosses Vermögen im Alter schützen wollen. Was eine Zusatzversicherung abdeckt, muss nicht vom eigenen Geld bezahlt werden.  

Vorderhand vollziehen sich die Innovationen bei der privaten Pflegeversicherung in kleinen Schritten. Zahlreiche Krankenkassen und Lebensversicherer bieten Zusatzpolicen für die Langzeitpflege und weitere Dienstleistungen an. Je nach Prämienhöhe, die sich zwischen 50 Franken und 350 Franken monatlich bewegt, werden zur Kostenabdeckung bei einem Pflegefall nach oben limitierte Zahlungen fällig. Zudem gibt es modulare Lösungen mit einem Versicherungsschutz, der sich individuell gestalten lässt. Verbreitet sind überdies Policen, die eine lebenslange Rente vorsehen. Oft sind in solchen Versicherungsprodukten auch zusätzliche Hilfsmittel und Serviceleistungen eingeschlossen.