Die Versicherungsindustrie gilt als nachhaltige Branche. Rückversicherungsgesellschaften beispielsweise haben eine weit zurückreichende Geschichte ausgesprochener Warnungen vor Naturkatastrophen, inklusive möglicher Pandemien, wie auch vor von Menschen mitverursachten Desastern. Das Motiv liegt auf der Hand: Schäden, die vermieden oder deren finanzielle Folgen eingedämmt werden können, belasten die Versicherungswirtschaft weniger. Und weil Rückversicherungen die sind, die die Rechnungen am Ende bezahlen müssen, sind sie die Ersten, die früh warnen.
Grosse Versicherungsgesellschaften schlagen sich gut
Die grossen Rückversicherer schneiden indes bei einem exklusiv für HZ Insurance vorgenommenen Vergleich von der Zürcher Firma Datahouse, einer Tochtergesellschaft von Wüest Partner, unterschiedlich ab. Datahouse hat die Ratings von den drei Ratingagenturen Sustainalytics, S&P und MSCI ausgewertet. Dabei wurden die Unterschiede bei den Methoden der drei Ratingprovider laut eigenen Angaben nicht untersucht. Mögliche inhaltliche Unterschiede der Ratings sind somit nicht berücksichtigt.
Die statistische Analyse (Spearman-Rangkorrelation) hat darüber hinaus ergeben, dass es gewisse Zusammenhänge gibt. Die grossen Erstversicherer erhalten von allen drei Ratingagenturen gute bis teilweise hervorragende Einschätzungen: Axa, Allianz, Generali und Zurich kommen gut und vor allem trotz den unterschiedlichen Methoden der Rating-Agenturen gut weg. Bei Swiss Life ist das Bild etwas uneinheitlich, einer guten Einschätzung bei MSCI steht je eine etwas weniger gute von Sustainalytics und von S&P gegenüber.
Swiss Life: Nachhaltigkeit in vier Bereiche aufgeteilt
«Die Ratings unterscheiden sich bezüglich Methodologie, Vergleichsgruppe und Schwerpunkte», sagt Swiss-Life-Sprecherin Fabienne Schneider. «Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil unseres Geschäfts. Mit unserer Beratung, unseren Dienstleistungen und unseren Produkten unterstützen wir Menschen dabei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und unsere Kundenbeziehungen mit Privat-, Unternehmens- und institutionellen Kunden dauern oft mehrere Jahrzehnte.» Entsprechend sei nachhaltiges und vorausschauendes Wirtschaften in dem Geschäft die Basis für langfristigen Erfolg.
Swiss Life hat laut Schneider die Nachhaltigkeitsgrundsätze in einer gruppenweiten Strategie festgehalten und in vier Bereiche unterteilt: Nachhaltigkeit in der Geschäftstätigkeit, als Arbeitgeberin, in der Gesellschaft und in Bezug auf die Umwelt.
Steuerungsorgan in Nachhaltigkeitsfragen ist die Konzernleitung unter der Leitung des Group CEO. Eine gruppenweite Organisation bestehend aus Nachhaltigkeitsspezialisten und Vertretern aus allen Divisionen stellt gemäss Schneider sicher, dass die auf Gruppenstufe beschlossenen Massnahmen lokal in den Divisionen umgesetzt werden.
«Im Rahmen unserer Anlagestrategie beziehen wir systematisch Umwelt- und Sozialfragen sowie Fragen einer guten Unternehmensführung (ESG-Faktoren) ein: Bei 90 Prozent aller von Swiss Life Asset Managers verwalteten Vermögen werden im Anlageprozess ESG-Faktoren berücksichtigt», so Schneider weiter. «Die Nachhaltigkeitsratings verstehen wir als hilfreiche Richtschnur, um Weiterentwicklungen und Diskussionen im Unternehmen anzustossen, die uns helfen, einen Mehrwert für unsere Stakeholder zu schaffen. Wir managen verschiedene Nachhaltigkeits-Ratings, verfolgen aber konsequent unsere eigene Nachhaltigkeitsstrategie.»
Helvetia: Weiterentwicklung entlang der Verbesserungsbereiche
«Es gibt verschiedene Gründe für das Abschneiden von Helvetia in diesem Peer-Vergleich», sagt Helvetia-Sprecher Jonas Grossniklaus. «Wir nehmen externe Ratings als Ausseneinschätzung für einen Vergleich mit Peers sehr ernst und entwickeln unsere Corporate Responsibility entlang der aufgezeigten Verbesserungsbereiche kontinuierlich weiter. Uns sind dabei ein systematisches Vorgehen und eine nachhaltige Verankerung wichtig, welche sich nicht immer unmittelbar in den Bewertungen niederschlägt.»
ESG-Themen haben laut Grossniklaus einen hohen Stellenwert bei Helvetia. «Grundlage sind unsere Mitgliedschaften in relevanten Nachhaltigkeitsnetzwerken wie beispielsweise bei Swiss Sustainable Finance, beim UN Global Compact oder als Unterzeichnerin der Principles for Responsible Investments. Wir implementieren seit längerem ESG-Aspekte in unser Geschäft, weil wir davon überzeugt sind, dass ein Versicherungsunternehmen nur erfolgreich sein kann, wenn es das eigene Handeln langfristig ausrichtet.» So habe man zum Beispiel den Umgang mit ESG-Risiken in einem übergreifenden ESG-Risiko-Framework festgehalten und sich für die Verwaltung der Kundengelder ein Netto-null-Ziel gesetzt. «Wir setzen mit unseren CR-Massnahmen Schwerpunkte im Bereich ESG Due Diligence, Responsible Investments und bereiten uns darauf vor, das Risiko des Klimawandels aktiv zu managen», so Grossniklaus weiter. Dafür habe man im Frühjahr die Empfehlungen der Taskforce für Climate-related Disclosure unterzeichnet.
Baloise: Müssen sich nicht verstecken
«Im Vergleich zu international agierenden Versicherern wie Axa, Allianz, Zurich und Swiss Re schneidet die Baloise schlechter ab, da wir gewisse Risikofelder (wie zum Beispiel Human Rights) nicht als dringlichste Risiken für uns ansehen, da wir vorwiegend in Europa tätig sind und keine Investments in den Emerging Markets haben», sagt Kim Berrendorf, Managerin Nachhaltigkeit bei der Baloise. «Mit einem MSCI-Rating von BBB und dem historischen Verlauf unseres MSCI-Ratings müssen wir uns nicht verstecken.»
ESG-Ratings würden die Nachhaltigkeitsaktivitäten von Unternehmen, also auch die der Baloise, nach individuellen Methodologien, die mehr oder weniger gut auf die jeweilige Industrie angepasst sind, bewerten. «Oft werden dabei lediglich öffentlich zugängliche Dokumente zurate gezogen. Als Beispiel: Hat eine Unternehmung keine separate vom CEO unterzeichnete Human Rights Policy, wird das Unternehmen heruntergestuft oder tiefer eingestuft», so Berrendorf.
Sie verweist auf die Fortschritte, die man im Sustainalytics-Rating in den letzten Jahren gemacht hat: «Durch die Kommunikation von umgesetzten Massnahmen wie der Einführung unserer Nachhaltigkeitsgovernance, der Verbreiterung und Vertiefung unseres verantwortungsbewussten Investmentansatzes und der Erneuerung und Ausweitung unserer Strategie für Informationssicherheit konnten wir im Jahr 2020 unter anderem unser Sustainalytics-Rating um 5 Punkte von 31 (high risk) auf 26 (medium risk) verbessern.» Ein weiterer Fortschritt ist laut Berrendorf die Aufnahme in die Indexreihe FTSE4Good im Jahr 2020.
«ESG-Themen sind ein integraler Bestandteil unserer nächsten strategischen Phase und werden aktuell mit viel Elan und Hochdruck bearbeitet», sagt Berrendorf weiter. «ESG-Themen ziehen sich immer stärker durch alle Geschäftsprozesse der Baloise und wir wägen kontinuierlich ab, mit welchen Anpassungen in unserem Geschäft wir den grösstmöglichen Wert für alle Ressourcen unseres Wertschöpfungsmodells und für die Baloise selbst schaffen können.» Das mache den Ansatz einzigartig, es erschwere jedoch die standardisierte Vorgehensweise der ESG-Ratings, da man sich mit der Baloise beschäftigen muss, um sie einschätzen zu können. «Da wir viele langjährige Investoren haben, gibt uns das die Möglichkeit, unseren Ansatz unabhängig von einem Rating glaubwürdig darzustellen und zu erläutern.»
Und auch hier hat man sich für die Zukunft viel vorgenommen. «Wir arbeiten an verschiedenen Umsetzungen und der Integration von ESG in unsere Geschäftsprozesse», so Berrendorf. «Uns ist es ein Anliegen, dass man sich mit der Baloise und ihrem Wertschöpfungsansatz auseinandersetzt. Deshalb arbeiten wir daran, unseren Ansatz, unsere Werte und Umsetzungen einfach und klar zu kommunizieren. Sowohl gegenüber der breiten Öffentlichkeit als auch gegenüber den Rating-Agenturen, mit denen wir in Kontakt stehen.»