Die herben Verluste von Grossanlegern in den USA kommen den Versicherer Allianz teuer zu stehen. Für Vergleiche mit klagenden Kunden seiner Fondstochter Allianz Global Investors (AGI) legt der Konzern in seinem Jahresabschluss für 2021 nun 3,7 Milliarden Euro zurück. Doch damit ist die Angelegenheit noch nicht ausgestanden, wie Allianz-Chef Oliver Bäte am Freitag in einer Videokonferenz zu den Jahreszahlen betonte. Das US-Justizministerium und die Wertpapieraufsicht SEC ermitteln. Bäte hofft, die Sache in absehbarer Zeit regeln zu können. Einen Zeitrahmen könne er aber nicht nennen.

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Herbe Kursverluste

Nachdem die Allianz ihre Jahreszahlen überraschend schon am Vorabend veröffentlicht hatte, reagierte die Aktie am Freitag mit Kursverlusten auf die Neuigkeiten. Am Vormittag verlor das Papier zuletzt noch rund ein Prozent auf 220,30 Euro und war damit zweitschwächster Titel im Dax. Seit dem Jahreswechsel steht damit aber noch ein Kursgewinn von mehr als fünf Prozent zu Buche. Das Niveau von 232,60 Euro aus der Zeit vor dem Corona-Crash im Februar 2020 ist zudem nicht mehr weit entfernt.

Unter dem Strich verdiente Allianz im abgelaufenen Jahr infolge der Milliardenbelastung noch rund 6,6 Milliarden Euro, drei Prozent weniger als in dem von Corona-Folgen belasteten Vorjahr. Ohne die Rückstellungen wäre der Überschuss 2,8 Milliarden Euro höher ausgefallen.

Mehrere Klagen

Mehrere professionelle Investoren, darunter Pensionsfonds, haben die Allianz in den USA wegen Verlusten verklagt, die sie durch ihre Anlagen in die Structured Alpha Fonds von AGI verloren haben. Diese Hedgefonds hatten während der Marktturbulenzen zu Beginn der Corona-Pandemie stark an Wert verloren. Bäte sprach den Investoren sein Bedauern über die Verluste aus.

Die Vorwürfe der Kläger laufen darauf hinaus, dass die Fondsmanager die eigenen Richtlinien nicht eingehalten und nicht angemessen auf die Marktentwicklung reagiert hätten. Dies soll wiederum die hohen Verluste verursacht haben. Die Allianz-Führung will sich zu ihrer Sicht der Dinge nicht äussern, bevor die US-Behörden ihre Untersuchungsergebnisse vorgelegt haben.

Manager werden zur Kasse gebeten

Mit dem Grossteil der geschädigten Investoren hat die Allianz nach eigenen Angaben inzwischen Vergleiche ausgehandelt. «Wir denken, dass die bisherigen Vergleichsvereinbarungen die Mehrheit der Klagen abdecken», sagte Bäte. Laut Finanzchef Giulio Terzariol umfassen die Rückstellungen nicht nur diese Vergleiche, sondern noch weitere Punkte. Zudem verhandele der Konzern noch mit weiteren Klägern.

Laut Bäte müssen die Allianz-Vorstände infolge des Debakels Abschläge beim Gehalt hinnehmen. «Das Management wird einen angemessenen Teil der Last tragen», sagte der Manager. «Das wird einen signifikanten Einfluss auf unsere Vergütung haben.» Wie hoch die Gehaltseinbussen sein werden, sagte der Manager nicht. Dies werde am 4. März im Geschäftsbericht veröffentlicht.

Branchenexperten reagierten zwiegespalten auf die Neuigkeiten. Die Rückstellungen für die Vergleiche seien derzeit wichtiger als die starken Zahlen im laufenden Geschäft, schrieb Analyst Hadley Cohen von der Deutschen Bank. Solange die Sache nicht ganz gelöst sei, werde sie wohl weiterhin auf dem Aktienkurs lasten. Sein Kollege Philipp Kett vom Analysehaus Jefferies wertete die Höhe der Rückstellung als positiv: Der Rechtsstreit komme den Konzern bei Weitem nicht so teuer wie befürchtet. Analyst Christian Badorff von der Ratingagentur Moody's verwies jedoch auf die Unsicherheit, ob und in welcher Höhe die US-Behörden Strafzahlungen verhängen könnten.

Guter Geschäftsgang

Ansonsten liefen die Geschäfte des Konzerns im zweiten Corona-Jahr glänzend. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr um fast sechs Prozent auf 148,5 Milliarden Euro. Der operative Gewinn legte um fast ein Viertel zu und erreichte mit 13,4 Milliarden Euro einen Rekordwert. Damit übertraf Allianz nicht nur ihre bereits auf 13 Milliarden Euro erhöhte Prognose, sondern auch die durchschnittliche Erwartung von Analysten.

Die Allianz-Aktionäre sollen jedenfalls nicht darben. So soll die Dividende von 9,60 auf 10,80 Euro je Aktie steigen. Ausserdem will der Konzern in diesem Jahr bis zu eine Milliarde Euro in den Rückkauf eigener Aktien stecken.

Für das laufende Jahr zeigten sich Bäte und Terzariol zuversichtlich. So peilt der Vorstand für 2022 einen operativen Gewinn zwischen 12,4 und 14,4 Milliarden Euro an. Bis zum Jahr 2024 soll dieses Ergebnis auf mindestens 14,5 Milliarden Euro steigen. Weitere Belastungen aus dem Rechtsstreit in den USA sind bei dieser Kennzahl jedoch wie bisher ausgeklammert.

Flutkatastrophe weggesteckt

Im Jahr 2021 warfen alle Geschäftsbereiche des Allianz-Konzerns im Tagesgeschäft mehr ab als im ersten Corona-Jahr 2020. In der Schaden- und Unfallversicherung stieg der operative Gewinn um mehr als 30 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro, nachdem coronabedingte Versicherungsschäden im Vorjahr aufs Ergebnis gedrückt hatten. Diesmal steckte Allianz auch die verheerenden Zerstörungen durch die Flutkatastrophe gut weg, die Deutschland und mehrere Nachbarländer im Juli getroffen hatte.

In der Lebens- und Krankenversicherung legte der operative Gewinn um 15 Prozent auf 5 Milliarden Euro zu, nachdem der Konzern ein Jahr zuvor eine Sonderbelastung in den USA verbucht hatte. Aber auch positive Entwicklungen in der deutschen Lebens- und Krankenversicherung trieben das Ergebnis nach oben.

Gut lief es auch im Fondsgeschäft der Konzerntöchter Pimco und AGI, wenn man die Milliardenbelastungen durch den Rechtsstreit ausklammert. So schoben Anleger netto über 110 Milliarden Euro an frischem Geld in die Fonds der Allianz-Gesellschaften. Das für Dritte verwaltete Vermögen wuchs von Ende 2020 bis Ende 2021 um rund 15 Prozent auf fast 1,97 Billionen Euro. Der operative Gewinn der Sparte legte um 22 Prozent auf rund 3,5 Milliarden Euro zu. (awp/hzi/sec)