Wird eine finanzielle Planung nicht in die Tat umgesetzt, liegt es oft daran, dass die Interessen der Klienten vorher zu wenig genau abgeklärt wurden. Ein Set von Kommunikationstools hilft die Kunden so zu unterstützen, dass sich Detailfragen erübrigen. 

Ein Streit am Beratertisch scheint vorprogrammiert.

Hierzu ein Beispiel: Das Ehepaar Klein wünscht sich eine Pensionsplanung. Joe Klein will den Kapitalbezug aus seiner beruflichen Vorsorge und Vicky Klein möchte stattdessen die sichere Rente im Alter. Nun liegt das Formular der Pensionskasse auf dem Tisch und die Ehegatten müssen es gemeinsam unterzeichnen. Ein Streit am Beratertisch scheint vorprogrammiert, wenn die Eheleute beim Finanzplaner keine Einigkeit vorweisen.

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Zur Person

Andreas Ulrich, 54, ist Finanzplanungsexperte, CFP® und Wirtschaftsmediator SKWM. Er ist Inhaber der LACHEN Consulting GmbH, wo er Klienten in der KMU-Nachfolge sowie in Pensionsplanungen berät. Ulrich ist Dozent an Fachhochschulen und trainiert Kundenberater im Finanzwesen in Verhandlungs- und Konfliktmanagement im Kontext zur Finanzberatung. 

Ein gutes Konzept, um solche Situationen professionell zu begleiten und zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, ist der TILU-Prozess aus der Wirtschaftsmediation. Dabei TILU steht für 

  • Über welche Themen sprechen wir?
  • Welches sind meine/deine Interessen dazu?
  • Was wären grundsätzliche Lösungsoptionen? 
  • Wie stellen wir die Umsetzung sicher?

Das erste Etappenziel ist das gemeinsame Verständnis. Versteht Joe, was Vicky wirklich zum Rentenbezug denkt und fühlt? Und versteht auch Vicky, was Joes Interessen zum Kapitalbezug sind? Statt mit Argumenten zu kämpfen, kann das Aikido-Prinzip in einer verzwickten Finanzberatung gut unterstützen. In der japanischen Kampfkunst weicht man Gefahren zuerst sicher aus, tritt mit dem Partner sanft in Kontakt und geht mit der vorhandenen Energie in eine gemeinsame Richtung. Damit das Aikido-Prinzip auch bei der Lösung von Finanzkonflikten gut funktioniert, gelangen verschiedene Techniken aus der Kommunikation und aus dem Verhandlungsmanagement zur Anwendung. 

Wie Beteiligte nach der Unterschrift zusammenarbeiten

Der Finanzexperte sollte prinzipiell folgende Modelle kennen und in seine Beratungspraxis einfliessen lassen: 

Im Eisbergmodell wird klar, dass nicht Faktenargumente oder fixe Positionen zum Kapital- oder Rentenbezug eine gemeinsame Entscheidung erwirken, sondern die tiefer liegenden Gefühle und Werthaltungen dahinter. Im Vier-Ohren-Modell sollte sichergestellt werden, dass die Sache an sich verstanden wird und nicht etwa Beziehungsthemen zur Debatte stehen.

Die eigene Fachkompetenz zurückstellen.

Es ist dabei nicht wichtig, welches Resultat verhandelt wurde, sondern wie die Beteiligten nach der Unterschrift zusammenarbeiten. Dann beginnt der neue Lebensabschnitt und die Klienten haben mit der Entscheidung zu leben. Die Finanzexpertin oder der Finanzexperte können wertvolle Dienste leisten, wenn sie ihre eigene Fachkompetenz zurückstellen und sich zuerst nur auf die Lösung des Klienten konzentrieren. In diesem Fall kann GFK gute Dienste bewirken. GFK durchläuft dabei vier wertvolle Schritte:

  • Was beobachte ich?
  • Wie fühle ich mich dabei?
  • Was ist mein Bedürfnis, mein Wunsch, mein Interesse?
  • Was wäre der nächste Schritt?

Die Finanzprofis fragen die Parteien nicht nach dem Warum. Eine lösungsorientierte Finanzberaterin klärt das Wofür ab: «Wofür möchten Sie die Rente oder das Kapital und was ist Ihnen dabei wichtig?»

Keine Angst vor finanzieller Zukunft

Konkret macht Vicky folgende Aussage: «Ich habe gelesen, dass der Rentenbezug garantiert ist. Ich fühle mich dabei sicher und ich brauche dieses Gefühl, weil ich keine Angst vor der finanziellen Zukunft haben möchte. Ich will nur, dass unser Haushaltsbudget ausreicht.»

Später weniger benötigen

Joe würde es mit GFK-Technik so formulieren: «Ich sehe, dass der Kapitalbezug flexibler ist. Ich finde das passt zu uns, weil wir in den ersten aktiven Jahren der Pensionierung mehr Geld ausgeben wollen und später weniger benötigen. Ich möchte jetzt diese Flexibilität ausleben, denn wir haben uns 40 Jahre lang schon eingeschränkt.»

Sicherstellen, dass Partner einander verstehen

Damit liegen viel mehr Informationen auf dem Beratungstisch. So ist sichergestellt, dass die Partner einander verstehen. Eine Paraphrasierung kann im besten Fall vom Klienten selbst oder von der beratenden Person zusammengefasst werden. 

Von Interessen zu Lösungsoptionen

Nun kann die Frage gestellt werden, wie beide Interessen in Einklang gebracht werden. Es geht darum, aus den Positionen herauszukommen und gemeinsam über Lösungsoptionen nachzudenken. Der Berater moderiert hierzu ein kurzes Brainstorming am Flipchart an. Im nächsten Schritt wird das Brainstorming verdichtet und vereinbart, welche Lösungsansätze näher geprüft werden sollten. 

7000 Franken für garantierte Rente reserviert

Joe und Vicky haben sich in dieser Phase erstmals die Frage nach dem Budget gestellt und definiert, dass laufende Ausgaben von CHF 7000 sicher und regelmässig gedeckt werden. Die übrigen Mehrausgaben, etwa für grössere Reisen oder nicht zwingend notwendige Auslagen, können flexibler fliessen. Damit sind 7000 Franken für die garantierte Rente reserviert und 3000 Franken fliessen monatlich auf das Konto. Dies wird von allen Beteiligten im Finanzplanungsmandat festgehalten. 

Lösungen im Sinne der Kundschaft

Die Magie liegt dabei auf der Ebene der Verhandlung und erst dann in der Expertise der beratenden Person. Korrekt ist eine Finanzberatung dann, wenn Lösungen im Sinne der Kundschaft umsetzbar sind. 

Hilfe von geübten Dritten

Das Beispiel Klein illustriert das Konfliktthema bei der Pensionierung gut. Aber auch in rechtlich oder steuerlich anspruchsvollen Situationen, wie etwa bei einer Nachfolgeregelung für ein KMU oder in Erbschaftsfragen, können professionell geführte Deal-Mediationen Knoten lösen. Die Energie, die dadurch entsteht, soll mit handwerklichem Kommunikationsgeschick aufgegriffen und mit Hilfe des Aikido-Prinzips verhandelt werden. Eine kundenzentrierte Finanzberatung braucht nicht selten die Hilfe von geübten Dritten. Der Kundenberater darf jederzeit eine solche Unterstützung empfehlen.