Nehmen wir als Beispiel dieses Hotel» – Thomas Dolder verweist bei seiner Präsentation auf vollgestellte Abstellkammern. «Selbstverständlich können wir dem Besitzer nicht befehlen, wo er brennbare Gegenstände wie zum Beispiel Ersatzbetten und Kissen zu lagern hat. Wir können nur Empfehlungen abgeben. Wir sind uns aber durchaus bewusst, dass solche Sachen irgendwo deponiert werden müssen.» Details, die dem ungeübten Betrachter – nicht aber dem Zuständigen für Risikobesichtigungen – entgehen würden, werden hier genau geprüft. Auch weitere wichtige Punkte wie die Alarmanlagen, die Abfalllager oder Abschottungen zwischen Gebäudeteilen. Doch das ist längst nicht alles.

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Keine Besichtigung, keine Police

Dolder, Underwriter bei den Basler Versicherungen, schaut sich zahlreiche wei tere mögliche heikle Stellen an. Brandgefahren sind notorisch. Auch Löschvorrichtungen (Hand löscher in der Nähe? Wie sieht es mit Löschdecken aus? Sind diese gut ersichtlich und zugänglich montiert?) und Feueralarme sind deshalb kritische Elemente. Aber es gibt auch Risiken, die sich aus einer besonderen Lage, beispielsweise am Hang, ergeben. Elektroanlagen, Sanitäreinrichtungen, die Nebenbetriebe wie Saunen und Solarien können Brandursachen sein. Und natürlich kommen weitere Elemente dazu: Ob und wie gut das Personal für den Brandfall geschult und vorbereitet ist, wie die Regeln gelebt werden und ob sich die Hotelleitung der Brandgefahren bewusst ist. Gibt es eine Feuerwehr vor Ort? In den Alpen kann es einige Zeit dauern, bis diese ein brennendes Hotel erreicht. Und es macht auch einen Unterschied, ob dann eine Berufs- oder eine Ortsfeuerwehr im Einsatz ist.

Schön gelegene Grandhotels in den Bergen sind nicht die einzigen Objekte, die der Inspektor vor Vertragsabschluss anschaut. «Es gibt Versicherungsgesellschaften und Broker, die solche Risikobesichtigungen als nicht zwingend notwendig erachten», erwähnt Thomas Dolder an seiner Präsentation am «Finanz und Wirtschaft Forum». Oft würden solche Besichtigungen aus Zeit- und Kostengründen abgelehnt. Oder sie würden erst nach Vertragsabschluss angeboten – womit sich laut Dolder die Frage nach dem Sinn offensichtlich stellt.

Einfache Fälle werden digitalisiert

«Mittlerweile gibt es Versicherungen – wie etwa die Cyberversicherung –, die komplett online abgeschlossen werden können», erklärt Baloise-Sprecherin Fiona Egli. Das heisst, der Underwritingprozess wurde hier digitalisiert. Baloise hat bereits 2017 in das Insurtech Insurdata investiert. Das US-basierte Startup kombiniert durch das Sammeln von Konstruktions daten der Immobilie sowie Umgebungsdaten mögliche Risiken für das zu ver sichernde Objekt. Zum Beispiel die Gefahr einer Zerstörung der Liegenschaft durch Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überflutung. Erhoben werden die Daten durch modernste Technologien wie Augmented Reality und 3D-Scanning beziehungsweise 3D-Modellierung.

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Technische Hilfsmittel ermöglichen genauere und effizientere Analysen von Risiken. «Underwriter wird es auch in zehn Jahren noch brauchen, um bestmöglich auf die Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden einzugehen», betont Egli. Künftig dürften jedoch vermehrt digitale Hilfsmittel zur Verfügung stehen. «Der Fokus der Underwriter liegt verstärkt auf der Beurteilung von komplexen Risiken, der Erarbeitung von entsprechenden Lösungen, Risikobesichtigungen, der Unterstützung der Absatzkanäle sowie auf Qualitätskontrollen», ergänzt Axa-Sprecherin Simona Altwegg. «Es geht dabei ums Individualgeschäft – also um grosse und besondere Risiken», so Altwegg. Administrative Aufgaben, repetitive Arbeiten sowie Fälle mit einer einfachen Komplexität würden hingegen mittlerweile anders gelöst.

Tools für besseren Durchblick

«Zukünftig wird noch mehr versucht, aufgrund detaillierterer Daten zu standardisieren und dabei die individuellen Bedürfnisse trotzdem abdecken zu können», glaubt Jonas Grossniklaus, Sprecher bei der Helvetia. Ein Firmenkundengeschäft komplett ohne Underwriter, nur mit einer digitalen Interaktion, sei vermutlich nicht zu erwarten. «Im Unternehmensgeschäft sind die meisten Versicherungslösungen individuell auf den Kunden, die Kundin abgestimmt», meint Mobiliar-Sprecherin Kim Allemann. «Somit ist dieses Geschäft nur bedingt standardisierbar und weniger digitalisiert als das Privatkunden- oder kleinere KMU-Geschäft.» Big-Data-Systeme, Robotic-Prozess-Automation und neue technische Hilfsmittel würden die Risiko-selektion- und Bewertung beeinflussen und komplexe Underwriting-Tätigkeiten unterstützen, aber den Underwriter aus Fleisch und Blut nicht ersetzen.

Zurich rüstet Risikoingenieure zunehmend mit Tools wie Drohnen oder smarten Brillen aus, die mittels Bilder oder Videos automatisierte Analysen von Risiken ermöglichen. «Besuche vor Ort werden durch den Einsatz von digitalen Techniken zunehmend effizienter», sagt Zurich-Sprecher David Schaffner. Hinzu würden Informationen intelligenter Überwachungssysteme kommen, die Firmen direkt an ihre Infrastrukturen anschliessen können wie etwa Sensoren, die Erschütterungen messen, den Stromverbrauch, aber auch die Temperatur oder die Zyklen der Wartung von Maschinen. All diese Hilfsmittel ermöglichen genauere, effizientere und ressourcenschonendere Analysen von Risiken. Entsprechend werden «die Besuche vor Ort in den kommenden Jahren weiterhin kontinuierlich abnehmen», weiss Schaffner und prophezeit: «In zehn Jahren wird die grosse Masse der Risikoüberprüfungen rein digital erfolgen, Besuche werden zunehmend nur in komplexen und speziellen Situationen notwendig sein.»