Die Schweizer Sanktionen gegen Russland gelten seit der Inkraftsetzung der Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine («Ukraine-Verordnung») im März 2022. Inzwischen hat die Schweiz das 18. EU-Sanktionspaket umgesetzt. Diese laufende Anpassung des komplexen Sanktionskatalogs birgt für Schweizer Unternehmen erhebliche rechtliche und reputative Risiken sowie operative Herausforderungen. Dies betrifft auch die Assekuranz.
Alexander Lacher ist Leiter des Versicherungssektors und Partner bei KPMG Schweiz
Die Herausforderungen für (Rück-)Versicherer sind in drei schwer zu automatisierenden Bereichen akut. Das betrifft zunächst das Verbot der Entgegennahme von Einlagen: Art. 20 der Ukraine-Verordnung untersagt die Annahme von Einlagen ab 100'000 Franken von russischen Staatsangehörigen sowie von natürlichen und juristischen Personen mit russischer Ansässigkeit oder von russisch kontrollierten Firmen ausserhalb der Schweiz des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR).
Als russisch kontrolliert gelten Unternehmen, die direkt oder indirekt zu über 50 Prozent im Eigentum oder unter der Kontrolle russischer Personen stehen. Laut der «Auslegungshilfe Sanktionsmassnahmen» des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) gilt dies auch für Lebensversicherungen (3a-Produkte inklusive). Versicherer müssen daher vor Vertragsabschluss den Wohnsitz, die Eigentumsverhältnisse sowie zusätzliche Staatsangehörigkeiten und Aufenthaltsrechte prüfen.
Zweitens bestehen die Herausforderungen beim Verbot der Überweisung oder Zurverfügungstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen gemäss Art. 15 Abs. 2 beziehungsweise von Transaktionen mit bestimmten Gegenparteien nach Art. 24 und Art. 27 der Ukraine-Verordnung: Versicherer dürfen keine Gelder an im Anhang 8 der Ukraine-Verordnung genannte Personen auszahlen. Ebenso sind Geschäfte mit russischen staatseigenen Unternehmen gemäss Anhang 15 verboten.
Auch Transaktionen mit Klägern russischer Schiedsverfahren, im Zusammenhang mit Kryptodienstleistungen und mit Banken, die bestimmte Nachrichtenübermittlungsdienste für den Zahlungsverkehr nutzen, sind untersagt. Versicherer müssen darum sorgfältig prüfen, ob ihre Kundinnen und Kunden unter Kontrolle aufgelisteter Parteien stehen oder in deren Auftrag handeln beziehungsweise ob sie direkt oder indirekt von diesen Verboten betroffen sind.
Drittens stellen auch die Handelsbeschränkungen gemäss Art. 2a bis14e der Ukraine-Verordnung eine besondere Herausforderung dar. Die Beschränkungen des Handels betreffen ebenfalls Dienstleistungen in Verbindung mit sanktionierten Gütern. Sprich: Die (Rück-)Versicherung dieser Güter ist verboten.
Folgen von Verstössen
Das Seco ist für die Umsetzung der Sanktionsverordnungen zuständig. Verstösse gegen die Ukraine-Verordnung können Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren nach sich ziehen, wobei bereits leichtere Verstösse zu Bussen bis zu 100 000 Franken führen können. Weiter drohen Beschlagnahmungen oder Einziehungen durch das Seco. Zudem kann auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma), welche die Einhaltung der Sanktionsgesetze im Finanzbereich überwacht, aufsichtsrechtliche Massnahmen ergreifen.
Stellt die Finma zum Beispiel im Zusammenhang mit Sanktionen ein ungenügendes Risikomanagement fest, kann sie gemäss Versicherungsaufsichts- und Finanzmarktaufsichtsgesetz – je nach Schwere – Verfahren einleiten, Untersuchungsbeauftragte einsetzen, Berufs- und Tätigkeitsverbote aussprechen oder die Bewilligung entziehen. Stets vorbehalten bleiben schliesslich auch strafrechtliche Sanktionen gegen die beteiligten Personen und Unternehmen, wobei die Finma mit den Strafbehörden zusammenarbeitet.
Mindestens so schwer wie diese drastischen rechtlichen Konsequenzen wiegen nach unserer Erfahrung aber auch Reputationsschäden sowie der interne und externe Aufwand für diesbezügliche Untersuchungen und Aufarbeitungen von Verstössen.
Die Schweizer Versicherer sind in einer neuen Realität angekommen: Die Schweizer Sanktionen gegen Russland werden auf absehbare Zeit bleiben. Deren Komplexität, Umfang und ständige Anpassungen fordern die Compliance-Funktionen beträchtlich. Die elektronische Überprüfung von Namen anhand der Sanktionslisten reicht nicht (mehr).
Die Versicherer sollten ihre sanktionsrelevanten Geschäftsprozesse und Compliance-Management-Systeme gründlich überprüfen und ständig weiterentwickeln. Nur so können sie ihre Sorgfaltspflichten erfüllen, Sanktionen vermeiden und letztlich ihre Reputation wahren. Hierfür ist externe Expertise oft unerlässlich. Auf Versicherungsregulierung spezialisierte Unternehmensberatungen verzeichnen dementsprechend steigende Anfragen.


