Erfolgreiche Digitalisierung ist mehr als «nur» Technologie. Wichtigster Ausgangspunkt für die Transformation ist der Kunde. Denn Kunden haben Bedürfnisse. Und wer diese nicht schnell berücksichtigt, verliert den Anschluss. Verschiedene Vertriebskanäle werden von den Versicherungsgesellschaften auf den sich verändernden Markt ausgerichtet. So wird der Anteil an Motorfahrzeugversicherungen im Generalagenturkanal tendenziell zurückgehen. Neue Vertriebswege über Motorfahrzeugimporteure, Garagen und den Onlinekanal werden voraussichtlich markant an Bedeutung gewinnen. Die fortschreitende Digitalisierung stellt den Versicherungsvertrieb vor grosse Herausforderungen. Um den Erwartungen der Kunden zu entsprechen, müssen die Versicherer eine durchgängige Omnikanal-Kompetenz aufbauen. Der Versicherungsvertrieb muss sich den Bedürfnissen der modernen Kunden anpassen.

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Der Anteil der digital aktiven Versicherungskunden wird in den kommenden drei bis fünf Jahren voraussichtlich stark ansteigen. Allerdings bedeutet das nicht, dass sich diese Kunden von den bisherigen Kanälen im Versicherungsvertrieb abwenden werden. Vielmehr werden sich vermehrt Kunden über die Produkte und Preise informieren.

Beratung schafft Vertrauen

Etwa drei von vier Befragten äussern sich dahingehend, dass eine persönliche Beratung für sie wichtig ist und auch weiterhin sein wird. Kundenberater, die mit einer Rundumberatung dem Kunden einen Mehrwert generieren, werden auch in Zukunft erfolgreich arbeiten können. Der Kunde schätzt es, wenn ihm das unattraktive Thema Versicherung von einer Fachperson abgenommen wird. Eine Ansprechperson für alle Versicherungsfragen hilft, dieses Thema effizient abarbeiten zu können. Für Kunden ist ein umfassendes digitales Angebot und dessen Vernetzung mit bestehenden Kanälen mittlerweile jedoch eine Selbstverständlichkeit. Hier sind die Versicherer noch sehr unterschiedlich aufgestellt.

Versicherungsvertrieb muss sich auf hybride Kunden einstellen

Der Versicherungsvertrieb muss sich künftig an den Bedürfnissen dieser hybriden Kunden ausrichten. Demnach sollten digitale Kundenerlebnisse entlang der gesamten Wertschöpfungskette geschaffen werden. Wichtig sei hierbei, dass Servicecenter und Agenturen jederzeit über den gleichen Kenntnisstand verfügen. Zudem müssten demnach sämtliche Informationen über einen Kunden online und offline zur Verfügung stehen.

Diese Vorgaben stellen nicht nur die IT vor grosse Herausforderungen. Es müssen auch neue Ansätze zur Einbindung von externen Vertriebspartnern entwickelt werden. Nur wenn diese durch entsprechende Anreizsysteme und Unterstützung bereit sind, neue digitale Möglichkeiten zu nutzen, kann ein Omnikanal-Konzept im Alltag funktionieren.

Mittlerweile hat jedoch die Einsicht gesiegt, dass die digitale Entwicklung im Vertrieb nicht mehr aufzuhalten ist. Überall im Land tüfteln Generalagenturen und Kundenberater an ihren Internet-Auftritten, an Facebook-Profilen und an Mail-Verteilern für Serviceangebote. An manchen Orten ist gar schon ein Wettbewerb entbrannt, wer übers Wochenende die meisten Anfragen per Facebook erhält. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Kunde dort mit Freunden über seine Versicherung unterhält, ist ungefähr so hoch wie die, dass sie über ihre Zahnpasta sprechen. Einfache Versicherungen wie Motorfahrzeug, Rechtsschutz oder bei der Privathaftpflicht werden in Zukunft vermehrt Kunden mit wenigen Klicks im Internet abschliessen.

Die Transformation der Versicherungsprodukte

Für zeitgemässe digitale Angebote müssen zunächst die Produkte transformiert werden. Bisher ist die Entwicklung neuer Versicherungsangebote geprägt von einer starken Orientierung am Status quo und langen, abteilungsübergreifenden Entwicklungszyklen von bis zu einem Jahr. Die Kunden werden dabei kaum einbezogen. Die Risikoselektion steht oft im Vordergrund, Klauseln und Fragen dienen dem Versicherer als Mittel zum Zweck, um «schlechte» Risiken für das Portfolio zu vermeiden.

So entstehen komplexe Versicherungsprodukte, die dem Kunden durch den Vermittler erklärt werden müssen. Dabei bietet die Digitalisierung die Möglichkeit, neue Ideen sowohl im Bereich der Versicherungsangebote als auch bei der Kundeninteraktion umzusetzen.

Der Schlüssel zum erfolgreichen digitalen Vertrieb liegt darin, die Komplexität der eigenen Produkte und Angebote zu reduzieren und den Kunden ein positives Erlebnis zu bieten. Nur verständliche, bedarfsgerechte Versicherungsangebote wollen und werden die Kunden online oder offline abschliessen.

Position stärken

Aus- und Weiterbildung muss noch intensiver betrieben werden. Nur wer fachlich auf hohem Niveau ist und gleichzeitig das Verkaufen nicht verlernt hat, verfügt über die Fähigkeiten, welche für anspruchsvolle Rundumberatungen benötigt werden. Nur wer den Kundenkontakt aktiv aufrechterhält, wird seine Kunden auch in Zukunft beraten dürfen. Suchen wir immer wieder den Kontakt zum Kunden, auch wenn es nicht immer etwas zu verkaufen gibt. So fühlen sich die Kunden gut aufgehoben und der Wunsch nach einem Onlineabschluss tritt in den Hintergrund. Denn noch immer sind es die Menschen, welche Vertrauen schaffen und erhalten können. Nutzen wir unsere menschlichen Talente und besuchen noch öfter unsere Kunden mit unseren digitalen Hilfsmitteln. Wenn uns die Digitalisierung mehr Zeit beim Kunden ermöglicht, haben alle gewonnen.

Erich Marte ist Generalagent der Allianz Suisse in Frauenfeld sowie Vorstandsmitglied des SVVG Regionalverbandes Thurgau