Die Corona-Pandemie hat auch in der Versicherungsbranche die Digitalisierung beschleunigt. Dennoch sind viele Versicherungen heute noch mehrheitlich in der alten, analogen Welt gefangen. Zwar investieren viele Versicherer in Startups und Insurtechs und weiten ihr digitales Angebot aus. Doch meist geschieht dies isoliert und bezogen auf nur ein Produkt. Das reicht nicht, um die Kunden umfassend ihren Bedürfnissen entsprechend zu beraten und langfristig zu halten.

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Eine Umfrage des Beratungsunternehmens Simon-Kucher & Partners in der Schweiz bringt es an den Tag: Jeder fünfte Kunde (19 Prozent) zieht es heute schon vor, eine Versicherungspolice online und ohne menschliche Interaktion abzuschliessen. Beinahe die Hälfte der Befragten, ganze 47 Prozent, möchten nur dann einen physischen Kontakt mit dem Vertreter einer Versicherung, wenn es «kompliziert» wird. Im Normalfall erledigen sie alles online. Gerade einmal 14 Prozent der Kunden wünschen sich exklusiv eine Generalagentur und den persönlichen Versicherungsberater und verzichten auf alle digitalen Kontakte. Ein eindeutiges Verdikt.

Autor:
Philipp Kaupke, Senior Director bei Simon-Kucher & Partners

Die gängigen digitalen Kanäle reichen heute nicht aus, um als Versicherer künftig auf dem Markt bestehen zu können. Der Kunde will wählen, wann er wie mit seinem Versicherer in Dialog tritt. Es braucht eine vernetzte und kanalübergreifende Kundenbetreuung.

Hybride Beratung und offene Ökosysteme

Die dänische Lebens- und Krankenversicherungsgesellschaft Danica Pension setzt das Prinzip mit ihrem Ökosystem zum Thema Gesundheit erfolgreich um. Das Prinzip: Unternehmen wählen aus dem gesetzlich verpflichtenden Pensionskassenangebot aus. Mit enthalten sind Zusatzleistungen, welche zu den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter passen. Dazu gehören unterschiedliche Services, die von Drittanbietern auf dem Marktplatz angeboten werden. Mitarbeiter können dann wie in einem App-Store auf verschiedene Angebote wie zum Beispiel Fitnesstrainings zugreifen. Einige der Angebote sind für Arbeitnehmer inbegriffen, andere kosten zusätzlich. So lässt sich das Modell monetarisieren. Der Arbeitgeber wird so zum Vertriebskanal. Dieser Ökosystem-Ansatz hat den Vorteil, dass der Versicherer mehr über die Bedürfnisse seiner Kunden erfährt und abschätzen kann, wann der Kunde für welches Zusatzangebot empfänglich ist. 

Unterstützendes Angebot: Embedded-Product-Modelle 

Um als Versicherer längerfristig erfolgreich zu sein, müssen die Kunden genau dort abgeholt werden, wo sich ein konkretes Bedürfnis manifestiert und ein Zusatzangebot unterbreiten lässt. Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, die Kunden nicht unnötig mit Informationen zuzumüllen.
Die Chance, dass eine Person eine Versicherung abschliesst, ist dann am grössten, wenn sie deren Nutzen sofort einsieht oder für den Kauf benötigt. Dies ist zum Beispiel der Moment, in dem eine Person einen Leasingvertrag abschliesst. Auto- respektive Mietausfallversicherungen an diesen Point of Sale verzeichnen deutlich höhere Kaufraten. Immer noch herrscht hier bei den Versicherern ein Silodenken vor, was das Kundenerlebnis deutlich beeinträchtigt.

Tatsache ist: Nur eine Multikanal-Customer-Journey, d. h. über die eigenen Vertriebsgrenzen hinaus abgebildet, kann diesen Bedürfnissen gerecht werden. Der Zauberbegriff dazu lautet: Embedded-Product-Modell. Dabei werden Versicherungsprodukte direkt in Online-Angebote von Dritten integriert und Themenfelder besetzt. Das Schweizer Insurtech Calingo macht es vor: Es liefert seine Versicherungsprodukte im Bereich Hausrat bei Zusagen von Vermietern an neue Mieter direkt mit.

Gefragt ist also ein durchgängiges, hybrides Betreuungsmodell, welches den Kunden dort abholt, wo er steht. Der Kunde entscheidet frei, was er in welchem Kanal erledigt, hat jedoch jederzeit einen persönlichen Berater zur Seite, der ihn bedarfsgerecht und über den von ihm bevorzugten Kanal unterstützt. Matchentscheidend für die Versicherer wird es sein, ihren Vertrieb zu optimieren und kanalübergreifend zu verknüpfen. Wem dies nicht gelingt, der wird massiv an Bedeutung verlieren.