Die Branche der Versicherungsvermittler steht unter Druck. Die beschleunigte Digitalisierung stellt bisherige Geschäftsmodelle auf den Prüfstand, die Kunden werden immer anspruchsvoller. Sie wünschen nach wie vor eine persönliche Beratung, aber kombiniert mit einem breiten und rund um die Uhr verfügbaren digitalen Dienstleistungsangebot. Dazu kommen Veränderungen der strukturellen Rahmenbedingungen wie die Branchenvereinbarung und ein anhaltender Konsolidierungsdruck. Covid-19 sorgt für eine zusätzliche Erschwernis.

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Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) unterscheidet zwischen gebundenen und ungebundenen Vermittlern, wobei alle Vermittler gewissen Informationspflichten unterstehen. Die Finma führt ein öffentliches Register der Versicherungsvermittler. Ungebundene Vermittler dürfen ihre Tätigkeit erst nach erfolgreicher Registrierung aufnehmen; das gilt sowohl für juristische als auch für natürliche Personen. Gebundene Vermittler haben das Recht, aber nicht die Pflicht, sich in das Vermittlerregister eintragen zu lassen. 

Autor:
Stephan Wirz, Mitglied der Geschäftsleitung der Maklerzentrum Schweiz AG.

Bindung mit Folgen

Gebundene Vermittler (Agenten) stehen in einer wirtschaftlichen oder rechtlichen Abhängigkeit zu einem oder mehreren Versicherungsunternehmen; dazu gehören z. B. Aussendienstmitarbeitende von Versicherungsgesellschaften (Arbeitsvertrag) oder entsprechende externe Vermittler (Agenturvertrag). Sie arbeiten im Auftrag der Versicherungsunternehmen. Ungebundene Vermittler (Broker) sind nicht an eines oder mehrere Versicherungsunternehmen gebunden; sie sind von einzelnen Versicherern wirtschaftlich und rechtlich unabhängig und arbeiten im Auftrag des Kunden – zumindest in der Theorie.

In der Praxis erzielen viele (vermeintlich) ungebundene Vermittler die Hälfte und mehr ihres Umsatzes mit einem oder zwei Versicherern. Um effektiv ungebunden zu sein, müssten sie ihre Verkäufe jedoch zu etwa gleich grossen Anteilen auf mindestens fünf Versicherungsunternehmen aufteilen. Dies ist aber nur im Unternehmenskundenbereich möglich, denn Unternehmen wechseln ihre Deckung in der Regel nicht so häufig. Die Entschädigung für diese Vermittler basiert auf Courtagen und die Provisionsverteilung lässt sich steuern. 

Im Privatkundensegment ist es auf Provisionsbasis jedoch praktisch unmöglich, ungebunden zu sein. Dort werden die Vermittler vorwiegend anhand von Abschlussprovisionen entschädigt, sodass sie laufend Neukunden akquirieren müssen. Zudem werden im Lebensversicherungsbereich progressive Entschädigungen entrichtet, was die Vermittler quasi dazu zwingt, sich auf einige wenige Versicherer zu konzentrieren.

Praxisferne Kriterien

Die Konsequenzen der unterschiedlichen Behandlung von gebundenen und ungebundenen Vermittlern sind schwerwiegend. Einerseits haftet der Versicherer gemäss Versicherungsvertragsgesetz (VVG) für seine gebundenen Vermittler in gleichem Umfang wie für seine Angestellten. Deshalb gibt es Versicherer, die nicht mit gebundenen Vermittlern zusammenarbeiten wollen. Anderseits sind viele Vermittler (fälschlicherweise) als ungebunden deklariert, um mit Versicherern zusammenarbeiten zu können. Das wird von der Finma jedoch nicht systematisch kontrolliert. Die Haftungsfrage ist bei einem Vermittler, der sich nachträglich als gebunden herausstellt, unklar.

Es ist wenig sinnvoll, dass die wirtschaftliche Beziehung per se ein Kriterium für einen Registereintrag ist, da dieser für sämtliche Vermittler zwingend sein sollte. Die Unterteilung sollte den effektiven Begebenheiten angepasst werden und z. B. zwischen Kundenberatern im Aussendienst eines Versicherers und externen Vermittlern unterscheiden. Zudem sollten externe Vermittler im Bereich Krankenversicherung nicht durch eine Branchenvereinbarung mit zusätzlichen Qualitätsrichtlinien und tieferen Provisionssätzen diskriminiert werden. 

Kein gemeinsames Auftreten der externen Vermittler im Privatkundensegment 

Und was machen die Branchenverbände? Sie kümmern sich um alle Protagonisten, ausser um die gebundenen Vermittler im Privatkundensegment, die beispielsweise auch in den einschlägigen Lehrmitteln der Versicherungsbranche nicht erwähnt werden. Für den Fachausweis für Versicherungsfachleute wurde immerhin ein Prozessmodul für Broker eingeführt, aber die Leistungsziele beziehen sich wiederum schwergewichtig auf die ungebundenen Broker im Unternehmensgeschäft.

Die Branche der gebundenen Vermittler im Privatkundensegment – schätzungsweise 3000 bis 4000 Personen – wird also immer wieder vergessen, nicht zuletzt, weil sie nicht organisiert ist. Das zeigt auch die neue Branchenvereinbarung: Sie richtet sich genau gegen diese externen Vermittler, die rechtlich gesehen gebunden sind, aber eben nicht zum Eigenvertrieb der Versicherer gehören. Die externen Vermittler wurden weder bei der Erarbeitung dieser Branchenvereinbarung angehört noch werden sie im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens für eine allfällige Allgemeinverbindlicherklärung miteinbezogen. Provisionsexzesse und unerwünschte Werbeanrufe könnten auch mit anderen Mitteln bekämpft werden als mit der Schlechterstellung des externen Vertriebs im Vergleich zum Aussendienst der Versicherungsgesellschaften, zumal durch eine Verlagerung des Vertriebs auf den eigenen Aussendienst weder Kosten gesenkt noch die Anwerbung von Neukunden eingeschränkt werden.

Das Krankenversicherungsgeschäft war eine der beiden wichtigsten Einnahmequellen der gebundenen Vermittler, doch sie können unter den neuen Rahmenbedingungen kaum mehr überleben. Der Leidtragende ist der Kunde. Er wird nicht mehr unabhängig beraten, sondern direkt vom Versicherer angerufen.