Herr Laffely, die Tiefzinsphase ist passé. Lohnen sich die Vergaben von Hypotheken für die Vaudoise noch?

Die Versicherer haben nicht dieselben Karten wie Banken, wenn es um die Refinanzierungsmöglichkeiten geht. Dadurch sind wir etwas eingeschränkt. So dürfen wir höchstens 35 Prozent an gebundenen Vermögenswerten ausweisen. Die Vaudoise setzt deshalb schon länger auf Partnerschaften, etwa mit Swisscanto, Valiant oder Credex. Dieser zusätzliche Vertriebskanal ist wichtig, um Vaudoise-Produkte an die Kundschaft zu bringen. Aber natürlich: Die steigenden Zinsen sind auch für die Vaudoise herausfordernd. Es wird zunehmend schwieriger, Ersthypotheken zu verkaufen. Durch den Zinsanstieg können sich noch weniger Personen ein Eigenheim leisten. Aber letztlich sind alle Anbieter von Hypotheken in ähnlichem Mass von den Marktveränderungen betroffen. Es bleibt zu sagen, dass die Hypotheken auf lange Sicht trotz Zinsanstieg weiterhin sehr günstig sind. 

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Die Vaudoise will neben ihren Generalagenturen auch die Zusammenarbeit mit Brokern, ihren Vertriebspartnern Swiss Life und Groupe Mutuel stärken, um noch näher bei den Kundinnen und Kunden in der Deutschschweiz zu sein.

Wachstumspläne und Präsenz in der Deutschschweiz

Wie kommt die Vaudoise mit der Inflation zurecht?

Zurzeit beobachten wir höhere Reparaturkosten, etwa bei Schadenfällen an Fahrzeugen. So erwarten wir höhere Prämien bei den Kaskoversicherungen. Auch im Bereich KTG wird es Prämienanpassungen geben. Allgemein gilt: Die Entwicklung der Prämien verhält sich proportional zu den Lohnerhöhungen. Und höhere Prämien bedeuten letztlich höhere Schäden. Grundsätzlich sind steigende Zinsen aber für die Versicherer langfristig gesehen eher positiv. Denn dieser Umstand erlaubt ihnen, Produkte mit garantierten Zinsen auf den Markt zu bringen – etwa im Bereich Leben. Herausfordernder ist die Situation im Bereich Asset Management. Hier führen steigende Zinsen zu fallenden Preisen – etwa bei den Obligationen.

Das erhöht das Risiko für kurzfristige Verlustgeschäfte. 

Wir werden sehen, wie sich die Inflation auf den Immobiliensektor auswirken wird. Eine Prognose hierzu gestaltet sich schwierig. Persönlich finde ich den eingeschlagenen Kurs der Nationalbank richtig. Sie hat den Schweizer Franken erstarken lassen, was zu weniger importierter Inflation führte. Anders präsentiert sich die Situation mit Fremdwährungen, die wir gegen Schwankungen absichern. In den USA liegt diese bei 4 Prozent, in der Schweiz gerade einmal bei 0,5 Prozent. Die Vaudoise und andere Gesellschaften mit einer Absicherungsstrategie bezahlen somit 3,5 Prozent für die Währungsabsicherung, was doch recht teuer ist im Vergleich zu den letzten zehn Jahren.

Sie haben Ihre Strategie geschärft, wohin geht die Reise der Vaudoise?

Tatsächlich haben wir unsere Strategie nur verfeinert. Beispielsweise bei den Werten, der Vision und der Mission. Unser Ziel war bisher, die Nummer eins bei der Kundenzufriedenheit zu sein. Davon sind wir etwas abgerückt. Unsere langfristige Vision lautet, zum bevorzugten Versicherer zu werden. Wir möchten als nah, vertrauenswürdig, menschlich und proaktiv wahrgenommen werden.

Geschärft haben wir den Fokus bei den Zielen. Im Ranking der Bekanntheit möchten wir bis 2025 auf Rang fünf vorrücken. Punkto Kundenzufriedenheit sehen wir Steigerungspotenzial. Aktuell belegen wir Platz zwei bis drei, je nach Studie. Wir wollen den Abstand zum ersten Platz verringern. Weitere Meilensteine im Strategieprozess sind die digitale Transformation und die Verminderung des CO2-Ausstosses. Die Vaudoise hat die feste Absicht, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen. Die Nachhaltigkeit erhält definitiv mehr Gewicht. Schliesslich ist unsere Marke grün. Wir haben eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die insgesamt 13 Themen und 29 Ziele umfasst, deren Mehrheit vollständig oder teilweise erfüllt ist. 

Der Vaudoise ist es wichtig, ein nachhaltiger und motivierender Arbeitgeber mit Vorbildfunktion zu sein. Corporate Citizen und Corporate Social Responsibility schreiben wir bei uns gross. Nicht zuletzt wegen unserer genossenschaftlichen Struktur engagieren wir uns auch stark in gemeinnützigen Projekten, wie etwa denen der Schweizer Berghilfe. Aber auch bei Investitionen und im Asset Management ist die Vaudoise nachhaltig. Besonders engagiert sind wir in der Kommissionsarbeit des Schweizerischen Versicherungsverbands SVV

Blicken wir in die digitale Zukunft: Was dürfen wir von der Vaudoise erwarten?

Wir haben in der Vergangenheit den Fokus mehr auf Tools gelegt, weniger auf die Transformation. Das ändern wir jetzt. Der Fokus liegt seit 2021 stärker auf Plattformen und künstlicher Intelligenz. Diese Technologie kommt etwa in der Tarifierung zum Einsatz, beispielsweise bei Automobilversicherungen. Bis 2025 planen wir die Einführung einer Abo-Versicherung für Fahrzeuge. Und bereits ab 2024 wird die Vaudoise als erster Schweizer Versicherer die Schadenabwicklung komplett in eine Gateway-Cloud verlegen. Zusätzlich werden wir eine Plattform für Lead-Management und Kundenservice implementieren. Das sind die Hauptprojekte unserer digitalen Transformation bis 2025.

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Es heisst immer wieder, die Digitalisierung setze den Versicherern Grenzen. Was ist Ihre Meinung dazu?

Es ist schon so, dass in der Assekuranz letztlich die Kundinnen und Kunden bestimmen, was sie wollen. Dazu gehört auch, dass Versicherungsnehmer in der Regel mit einem Berater oder einer Beraterin sprechen möchten. Wir sehen zwar, dass Versicherte über Websites vermehrt Preisvergleiche vornehmen. Aber beim Abschluss von Produkten und deren Vergleichbarkeit hapert es noch. Hier wollen wir ein besseres Kundenerlebnis schaffen, vom Antrag über den Abschluss bis zur Bezahlung. Heute sind unsere Produkte gut gemacht, aber noch zu komplex, wir wollen diese vereinfachen und sie modulweise zusammenstellbar machen. Da ist noch einiges an Luft nach oben.

Wie steht es um Ihre Wachstumspläne, speziell in der Deutschschweiz?

Wir konnten 2022 um insgesamt 8 Prozent in der Deutschschweiz zulegen. Dieses Wachstum stimmt mich zufrieden. Denn es stützt nicht nur auf Maklerkanäle ab. Etwa die Hälfte des Wachstums entfällt auf die Leistungen unserer Aussendienstmitarbeitenden. Die Entwicklung spornt uns an, auch in Zukunft mit gleichem Elan weiterzuwachsen. 2023 sollen zwei weitere Agenturen in der Deutschschweiz dazukommen. Damit unterhält die Vaudoise in der Romandie und der Deutschschweiz etwa gleich viele Agenturen. Die Vaudoise will neben ihren Generalagenturen auch die Zusammenarbeit mit Brokern, ihren Vertriebspartnern Swiss Life und Groupe Mutuel stärken, um noch näher bei den Kundinnen und Kunden in der Deutschschweiz zu sein. Dafür benötigen wir aber mehr Aussendienstmitarbeitende. Das gelingt uns alles nur, wenn es die Vaudoise schafft, ihre Bekanntheit zu steigern – nämlich über eine aktive Kommunikation.

Grundsätzlich forcieren wir Wachstum in allen Bereichen, auch in anverwandten Gebieten. Bis 2025 wollen wir zusätzliche 100 Millionen Franken einnehmen. Mit der im Jahr 2017 erworbenen Berninvest und dem Fondsmanager Procimmo haben wir gezeigt, dass die Vaudoise auch im assekuranznahen Umfeld erfolgreich ist. Das soll auch weiterhin so bleiben.