Der Markt für Insurance-Linked Securities (ILS) wächst. Ein Markt, der historisch gesehen nur Naturkatastrophen wie Hurrikane und Erdbeben abdeckte, bietet nun auch Versicherungsschutz für Ereignisse wie Cyberkriminalität und Terroranschläge. Diversifizierung ist zwar der Schlüssel zum Aufbau widerstandsfähiger Portfolios, doch die Aufnahme einiger dieser neuen Risiken in ein ILS-Portfolio könnte zu einer falschen Diversifizierung führen, da dadurch die Korrelation mit den breiteren Finanzmärkten tatsächlich erhöht werden könnte.
So funktionieren ILS
Versicherungsgesellschaften nutzen ILS, um das Risiko bestimmter, oft naturbedingter Ereignisse über Finanzinstrumente wie Katastrophenanleihen (Cat Bonds) auf die Kapitalmärkte zu übertragen. Investoren stellen Kapital gegen Prämien zur Verfügung und erhalten, wenn kein versichertes Ereignis eintritt, ihr Kapital zuzüglich Zinsen zurück. Wenn eine Katastrophe die Anleihe auslöst, verwendet der Versicherer die Mittel zur Deckung der Schäden, und die Investoren verlieren einen Teil oder ihr gesamtes Kapital.
Stetig wachsender und vielfältigerer ILS-Markt
2024 war ein Rekordjahr: Die ILS-Emissionen stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 10,5 Prozent und erreichten 17,2 Milliarden Dollar. Der ILS-Markt nähert sich nun einem Volumen von 50 Milliarden Dollar, was einer jährlichen Wachstumsrate von fast 10 Prozent in den letzten fünf Jahren entspricht.
Gastautor Francois Divet ist Head of Insurance-Linked Securities, Structured Finance bei Axa Investment Managers.
Mit dem Wachstum des ILS-Marktes werden auch vielfältigere Risiken abgedeckt. Die Deckung von Naturkatastrophen wie Hurrikane, Erdbeben und Taifune wurde auf ein breiteres Spektrum von Risiken ausgeweitet, darunter Waldbrände, Überschwemmungen und schwere konvektive Stürme. Darüber hinaus bieten neuere ILS-Strukturen nun auch Deckung für nicht natürliche Katastrophenrisiken wie Cyberbedrohungen, Terrorismus und sogar Sterblichkeits- und Langlebigkeitsrisiken. Dabei handelt es sich um Risiken im Zusammenhang mit der finanziellen Unsicherheit aufgrund von Veränderungen der Sterblichkeitsraten und der Lebenserwartung, die sich auf die Auszahlung von Lebensversicherungen und Rentenprodukten auswirken können.
Cyberangriffe
Die erste Cyberkatastrophenanleihe wurde 2023 emittiert. Seitdem wurden auf dem Markt zehn Cyber-ILS-Emissionen mit einem Gesamtvolumen von über 800 Millionen Dollar platziert. Die grösste Emission hatte einen Wert von 210 Millionen Dollar und Couponsätze zwischen 9,5 und 13,25 Prozent, was die Novelty-Prämie und das relativ hohe Risiko dieser Anleihen widerspiegeln. Die Nachfrage nach Versicherungen gegen Cyberkriminalität dürfte steigen – 2023 beliefen sich die Prämien auf insgesamt rund 14 Milliarden Dollar, und S&P geht davon aus, dass dieser Wert bis Ende 2026 auf rund 23 Milliarden Dollar steigen wird.
Terrorismus
Der erste Katastrophen-Bond mit Schwerpunkt auf Terrorismus wurde 2019 in Grossbritannien von Pool Re aufgelegt. Im Dezember 2024 wurde in Frankreich der erste Terrorismuskatastrophen-Bond ausserhalb Grossbritanniens emittiert, der Verluste aus Terroranschlägen in Frankreich und seinen Überseegebieten abdecken soll. Diese Anleihen sind die ersten, die sich ausschliesslich auf Verluste durch Terrorismus konzentrieren, aber es gab auch schon zuvor Anleihen mit Terrorismusrisiko: 2003 wurden Anleihen ausgegeben, um eine mögliche Absage der Fifa-Weltmeisterschaft 2006 abzudecken, wobei Terrorismus als Hauptrisiko angegeben wurde.
Neue Gefahren
Eine Gemeinsamkeit dieser beiden Arten von Gefahren – die sie nicht mit traditionellen naturbezogenen Katastrophenobligationen teilen – ist, dass sie vom Menschen verursacht werden. Für Versicherer gibt es deshalb Möglichkeiten, diese Risiken zu mindern.
Im Falle von Cyberangriffen können Versicherer die IT-Infrastruktur des Versicherungsnehmers überprüfen und Verbesserungen vorschlagen. Im Falle von Terrorismus bietet Pool Re eine Vielzahl von Programmen und Tools an, die Anreize für gute Sicherheits- und Risikomanagementpraktiken schaffen sollen.
Risikobewertung
Für ILS-Anleger ist es noch wichtiger, dass sich das Risiko dieser beiden neuen Gefahren schwieriger modellieren lässt. Im Gegensatz zu Naturkatastrophenrisiken, für die seit Jahrzehnten Modellierungsrahmen verfeinert wurden und bei denen beispielsweise saisonale und geografische Muster die Risikobewertung beeinflussen, ist das Cyberrisiko weniger gut verstanden und entwickelt sich ständig weiter.
Das bedeutet, dass auch die Risikolimits schwieriger zu schätzen sind und die Preisgestaltung für diese Risiken daher komplexer wird. Dies ist einer der Faktoren, die zu den relativ hohen Couponraten von Cyberanleihen beitragen.
Korrelation mit den Finanzmärkten
Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass einige dieser neuen Gefahren möglicherweise stärker mit den Finanzmärkten korrelieren als traditionelle Katastrophenanleihen, die bisher praktisch keine Korrelation mit Konjunkturzyklen aufweisen. Ein grosser Terroranschlag dürfte sich auf die Finanzmärkte auswirken, und ein gross angelegter Cyberangriff könnte die Aktienkurse ganzer Sektoren beeinträchtigen. Das heisst, dass Anleger, die versuchen, diversifiziertere und widerstandsfähigere Portfolios aufzubauen, in Wirklichkeit Portfolios erhalten könnten, die im Rahmen einer breiteren alternativen Kreditallokation weniger diversifiziert sind.
Ein anderer Ansatz
Die Aufnahme neuer Risiken in ILS-Portfolios könnte deren Diversifizierung verbessern – ein wichtiger Faktor in den meisten Portfolios –, aber nicht unbedingt die Diversifizierung für den Endanleger, da neue Risiken eine höhere Korrelation mit den Märkten und komplexere oder weniger genaue Modellierungen mit sich bringen. Aus diesem Grund ist eine geografische Diversifizierung gegenüber der Aufnahme neuer Risiken zu bevorzugen.
