Die Versicherungsbranche nimmt als Investorin, Risikoexpertin und Schadenreguliererin eine wichtige Dreifachrolle in der nachhaltigen Transformation ein. In ihrer Bachelorarbeit zeigt ZHAW Risk & Insurance-Absolventin Carmen Kahlbacher auf, über welche Nachhaltigkeitsthemen Schweizer Versicherer berichten – und über welche nicht. 

Zur Autorin

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Angela Zeier Röschmann ist Professorin und Co-Leiterin des Instituts für Risk & Insurance an der ZHAW School of Management and Law. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte umfassen die Führung von Versicherungsunternehmen, Innovation und Transformation des Geschäftsmodells, Versicherungsbetriebslehre, Qualitatives Risikomanagement sowie Risk Governance und Risikokultur. 

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Die Nachhaltigkeitsberichterstattung gewinnt aufgrund der globalen Aufmerksamkeit und der sich rasch ändernden Anforderungen an Relevanz. Verschiedene Rahmenbedingungen prägen derzeit die Berichterstattung der Versicherer (Abbildung 1), unter anderem Art. 964 OR mit neuen Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten für Unternehmen. 

Diverse Rahmenbedingungen.

Abbildung 1: Diverse Rahmenbedingungen.

Quelle: ZVG

Wie die Untersuchung zeigt, decken die Berichte der Versicherer die im Obligationenrecht genannten Themen wie Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange ab, sagen aber noch kaum etwas zur Achtung der Menschenrechte oder der Korruptionsbekämpfung. Die Untersuchung umfasste die Nachhaltigkeitsberichterstattung von AXA, Mobiliar, Zürich, Allianz, Helvetia, Baloise, Vaudoise sowie Generali und erfolgte mit einer Software, die mittels Text-Messung und -Codierung eine qualitative und quantitative Analyse der Nachhaltigkeitsberichte ermöglicht. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die berichteten Nachhaltigkeitsaspekte.

Nachhaltigkeitsthemen gegliedert nach OR (nicht abschliessend).

Abbildung 2: Nachhaltigkeitsthemen gegliedert nach OR (nicht abschliessend).

Quelle: ZVG

Inhaltlich nehmen in den untersuchten Berichten die im Obligationenrecht nicht genannten branchenspezifischen Themen den meisten Umfang ein. Die untersuchten Versicherer konzentrieren sich dabei auf das verantwortungsbewusste Kapitalmanagement sowie auf das Risikomanagement (Abbildung 3).

Inhaltliche Gewichtung nach OR-Themen.

Abbildung 3: Inhaltliche Gewichtung nach OR-Themen.

Quelle: ZVG
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Diese Schwerpunkte zeigen, dass die Versicherer Nachhaltigkeitsaspekte zunehmend in ihre Kernprozesse integrieren.

Gewichtung der Themen variiert

Gemessen am Textumfang im Verhältnis zum Gesamtbericht sind auch die Themen rund um Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange besonders präsent. Die Gewichtung dieser Themen variiert zwischen den Versicherern. Ob die unterschiedliche Gewichtung auf aktuelle Prioritäten oder die Verfügbarkeit von Informationen zurückzuführen ist, wäre eine interessante weiterführende Forschungsfrage, merkt die Autorin Kahlbacher zu Recht an. 

Hinsichtlich der Offenlegung von Leistungsindikatoren wie z.B. CO2-Emissionen, Diversität oder Lohngleichheit werden mit Ausnahme der Achtung der Menschenrechte für alle Themen quantitative und qualitative Indikatoren ausgewiesen. Ein Drittel der berichteten Leistungsindikatoren (KPIs) entfällt auf den Bereich Arbeitnehmerbelange, was vermutlich auf die Datenverfügbarkeit im Personalmanagement zurückzuführen ist. Ob die berichtete Quantität auch der Qualität der Zielerreichung entspricht, war nicht Gegenstand der Untersuchung. 

Berichterstattung wird sich stark weiterentwickeln

Die Informationen zum Underwriting sind im Vergleich enttäuschend spärlich. Aus den Berichten geht nur sehr eingeschränkt hervor, wie die untersuchten Versicherer Nachhaltigkeit im Underwriting und im Schadenmanagement verantwortungsvoll umsetzen. Vor dem Hintergrund, dass sich branchenspezifische Standards für den Finanzdienstleistungssektor noch in der Entwicklung befinden, wird sich die Berichterstattung in diesem Bereich noch stark weiterentwickeln.

Prüfung nichtfinanzieller Informationen

Die Mehrheit der untersuchten Versicherungsgesellschaften orientiert sich an den Global Reporting Initiative (GRI)-Standards und lässt die nichtfinanziellen Informationen mit begrenzter Sicherheit prüfen. Letzteres zeigt das Bestreben nach Offenheit und Authentizität in der Nachhaltigkeitsberichtserstattung. Die Zurich lässt für ausgewählte Umweltkennzahlen eine Prüfung mit angemessener Sicherheit vornehmen, was ein hohes Engagement bezüglich Transparenz signalisiert. Umfang und Art der Berichterstattung unterscheiden sich jedoch stark. Mobiliar, Generali, Vaudoise kommen mit 6, 12, bzw. 19 Kapiteln aus, während die Berichte von AXA, Baloise, Zurich 43, 41, bzw. 24 Haupt- und Unterkapitel umfassen. Während AXA, Mobiliar, Zürich und Generali über Nachhaltigkeitsaspekte integriert im Geschäftsbericht berichten, publizieren Allianz, Helvetia, Baloise sowie Vaudoise einen separaten Bericht. Nicht berücksichtigt wurden allfällige weitere Nebenberichte, welche auch Nachhaltigkeitsthemen ansprechen.

Verabschiedung der Klimaberichterstattungsverordnung

Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft vermehrt integrierte Berichte erstellt werden bzw. werden müssen, da so die Zusammenhänge zwischen finanziellen und nichtfinanziellen Informationen besser aufgezeigt werden können.  Mit der Anpassung des Obligationenrechts, der Verabschiedung der Klimaberichterstattungsverordnung zur Umsetzung der TCFD-Empfehlungen, der Inkraftsetzung der CSRD-Gesetzgebung auf EU-Ebene sowie der Erarbeitung von sektorspezifischen ESRS-Standards stehen tiefgreifende Veränderungen der Berichtspraxis bevor. Detailliertere und einheitlichere Vorgaben lassen hoffen, dass nicht nur der Aufwand für die Versicherer steigt, sondern auch Transparenz und Vergleichbarkeit gefördert werden.