Betrachtet man die Nachhaltigkeitswirkung eines Unternehmens, dann ist dessen Handabdruck, also die Produkte und Dienstleistungen, oftmals entscheidend. Im Fall von Dienstleistungen geht es dabei vor allem auch darum, für wen diese angeboten werden. In der klimabedingten Transformation der Wirtschaft kommt der Versicherungsbranche eine zentrale Rolle als Katalysator für nachhaltige Lösungen zu. Versicherer tragen mit ihrer Risikoeinschätzung und der Entscheidung darüber, was versichert wird - und was nicht - massgeblich dazu bei, welche Projekte realisiert werden können und welche nicht.

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Der Gastautor

Andreas von Angerer, Head of Impact bei Inyova Impact Investing.

Fehlende Massnahmen gefährden Zukunftssicherheit

Doch nutzen sie diese Chance nicht ausreichend. Die wirtschaftlichen Aktivitäten, die durch viele Versicherer ermöglicht werden, heizen den Klimawandel weiter an, anstatt ihm entgegenzuwirken. Der jährliche "Scorecard"-Bericht von Insure our Future zeigt, dass keines der 30 weltweit grössten Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen so umfassende Richtlinien bezüglich Kohle, Öl und Gas hat, dass die Einhaltung des 1,5-Grad-Pfades gewährleistet ist. 

Dabei stellt die Klimakrise für die Versicherungsbranche ein besonderes Risiko dar. Die weltweiten wirtschaftlichen Schäden durch Naturkatastrophen beliefen sich im Jahr 2022 auf rund 275 Milliarden US-Dollar. Deren Häufigkeit und Schwere nimmt zu, so ist die Zahl der Naturkatastrophen mit Schäden in Milliardenhöhe von nur 3 pro Jahr in den 1980er Jahren auf alarmierende 20 pro Jahr gestiegen. Es entstehen erhebliche finanzielle Risiken für die Unternehmen und deren Aktionär:innen durch verstärkte Ungewissheit beim Modellieren und daraus resultierend schrumpfende Profitabilität und Märkte, weil immer mehr Teile der Welt "unversicherbar" werden. Für viele Rückversicherer wird die Deckung bereits zu riskant. Der französische Rückversicherer SCOR hat seine Kapazitäten für die Deckung von Naturkatastrophen reduziert, die US-amerikanische AIG hat das Rückversicherungsgeschäft für Naturkatastrophen sogar eingestellt. Insgesamt ist das Kapital für die Rückversicherung von Naturkatastrophen im Jahr 2022 um 20 bis 22 Prozent gesunken.

Kohle vor dem Aus, jetzt muss Öl und Gas folgen

Kohle ist ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn sich Versicherer aus einem Markt zurückziehen. Seit die weltweit grössten Versicherer ihre Ausschlussrichtlinien für Kohle eingeführt und umgesetzt haben, ist der Bau von Kohlekraftwerken um über 80 Prozent zurückgegangen. Zudem wird es für Kohleunternehmen immer schwieriger, Versicherungsschutz nicht nur für neue Projekte, sondern auch für den laufenden Betrieb zu erhalten. Dies zeigt, welche Macht die Versicherungswirtschaft tatsächlich hat, um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu beschleunigen.

Bislang gibt es jedoch kein Versicherungsunternehmen, das die Deckung neuer Gaskraftwerke ausschliesst oder die Unterstützung für neue Flüssigerdgasterminals beendigt. Dabei besteht hier die Gefahr, dass diese Infrastruktur deutlich früher als geplant nicht mehr benötigt wird, aber erst einmal gebaut, eine künstliche Nachfrage nach fossilen Brennstoffen schaffen könnte. 

Aktive Stimmen zeigen Wirkung

Impact-Investor:innen wollen gemäss ihren Werten investieren. Denn ihnen geht es nicht nur um den langfristigen Shareholder Value, sondern auch darum, einen lebenswerten Planeten zu erhalten. Mehr als 85 Prozent der Inyova Impact-Investor:innen sind beispielsweise in mindestens eine der drei Schweizer Versicherungsgesellschaften, Zurich Insurance, Swiss Re und Helvetia Holding, investiert. Sie erwarten von den Unternehmen ein starkes Engagement zur Bekämpfung der Klimakrise. Rund 1.250 von ihnen haben deshalb die Engagement-Briefe an die drei Unternehmen mitunterzeichnet. Wohl auch ein Grund, warum die Unternehmen sehr zeitnah bereit waren für direkte Gespräche.Der zusätzliche Druck seitens der Privatanleger:innen, der die Proteste der NGOs und Klimaaktivist:innen ergänzt, zeigt Wirkung. Kurz vor der diesjährigen Generalversammlung (GV) hat die Zurich Insurance Verschärfungen ihrer bisherigen Richtlinien für Öl und Gas angekündigt. Die zahlreichen Fragen zu den konkreten geplanten Änderungen während der GV zeigen, wie wichtig das Thema ist und dass Initiativen und aktive Stimmen Veränderungen bewirken können. Auch die Swiss Re plant noch transparenter über die Herausforderungen, die Prozesse und den erreichten Fortschritt hinsichtlich der Transition zu berichten.

Was müssen die Versicherungsunternehmen weiter tun? 

Versicherer sollten ihre Prozesse und Richtlinien für das Underwriting und die Investments harmonisieren. So kann der Abbruch von Geschäftsbeziehungen als wirksame Eskalationsstufe im Engagement-Dialog eingesetzt werden. Versicherungsunternehmen sollten zudem ihre sog. 'insured emissions', die Emissionen der Projekte, die sie versichern, veröffentlichen und ambitionierte Netto-Null Ziele setzen, die eine Reduktion dieser Emissionen beinhalten. Denn nur dann können sie dies auch glaubwürdig von ihren Kund:innen und den Unternehmen, in die sie investiert haben, fordern. 

Versicherungsunternehmen können die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt in die Lage versetzen, mit Risiken umzugehen, indem sie grüne, saubere und nachhaltige Lösungen beschleunigen und die Unterstützung für die Verursacher der Klimakrise beenden. (pd/hzi/pg)

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