«Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.» Getreu nach dieser Weisheit, die grossen Persönlichkeiten wie Wilhelm Busch oder Bertolt Brecht nachgesagt werden, in Tat und Wahrheit jedoch tatsächlich vom Kabarettisten Werner Kroll aus dem Jahre 1945 stammt, darf davon ausgegangen werden, dass im Falle eines Reputationsschadens das Leben ganz entspannt sein dürfte und es sich ganz unbefangen lebe.

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Zur Person

Daniel Kalbermatter ist seit mehr als 6 Jahren Leiter Versicherungen bei Raiffeisen Schweiz und verantwortet hierbei das gesamte Versicherungsgeschäft der Raiffeisen Gruppe – vom Einkauf von Versicherungslösungen, Konzeption neuer Versicherungs- und Risikotransfermodelle bis hin zur Regulierung von Schadenfällen. Ausserdem ist Daniel Kalbermatter seit über 5 Jahren Vorstandsmitglied der Schweizerischen Vereinigung der Inhouse-Broker V.I.B. Daniel Kalbermatter absolvierte den juristischen Master für Versicherungsrecht an der Universität Hamburg und verfasste seine Masterthesis zum Thema «Versicherbarkeit von Reputationsrisiken».

Ist dem so? Entspricht dieses Zitat dem heutigen Zeitgeist?  

Guter Ruf köstlicher als grosser Reichtum

Wenn man glaubt, der Begriff der Reputation sei eine neuzeitliche Erscheinung und hätte durch Zunahme der globalen Vernetzung durch das Internet und durch Bewertungsplattformen sowie Social Media an Bedeutung gewonnen, stellt man mit Blick in die Historie Gegenteiliges fest: Bereits in der Bibel steht, dass «ein guter Ruf köstlicher ist als grosser Reichtum und anziehendes Wesen besser als Silber und Gold» oder «ein Leben, es sei so gut, wie es wolle, nur eine kurze Zeit währt; aber ein guter Name ewig bleibt». 

Auf die Wahrnehmung kommt es an

Der Begriff Reputation stammt vom lateinischen Wort «Reputatio» und bedeutet übersetzt Erwägung, Berechnung oder Ruf bzw. das Ansehen einer Person respektive eines Unternehmens. Im Kontext der Reputation spielen Attribute wie Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit sowie Vertrauen eine bedeutende Rolle. Es betrifft somit das erkennbare Bild aller möglichen Stakeholder wie Mitarbeitende, Kunden:innen, Geschäftspartner:innen, Kapitalgebende etc. – die Reputation definiert sich folglich aus betriebswirtschaftlicher Perspektive als Gesamtheit aller Eindrücke, die bei allen Interessensgruppen eines Unternehmens auf der Grundlage vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Aspekte entstanden sind. Gemäss Schwalbach verbindet man mit Reputation das Ansehen bzw. den Ruf eines Unternehmens, wie es von Aussenstehenden wahrgenommen wird, sodass der Markterfolg jedes Unternehmens wesentlich davon abhängt, ob es dem Unternehmen gelingt, das wahrgenommene mit dem angestrebten Ansehen in Einklang zu bringen.

Verschiedene Definitionen und Beschreibungen

Beschränkt man die Reputation lediglich auf ein Unternehmen, so spricht man von Unternehmensreputation. Auch wenn die Bedeutung der Reputation, insbesondere der Unternehmensreputation, in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat, so existiert hierzu in der Literatur keine eindeutige Begriffsdefinition. So muss auf verschiedene Definitionen und Beschreibungen des Begriffes Unternehmensreputation zurückgegriffen werden.

Positives Bild führt zu positiver Reputation

Hierbei ist Reputation vom «Image» zu differenzieren - dies wird  fälschlicherweise oft gleichbedeutend verstanden. Als Image, d. h. das Bild eines Unternehmens, einer Person oder einer Institution, kann eine Art Identität (eines Unternehmens oder einer Person) verstanden werden. Nach Wagner versteht man unter Image die Vorstellung von einem Unternehmen bzw. einem Objekt und die sich daraus resultierende Einstellung zu diesem Unternehmen oder Objekt,  wobei Faktoren wie Vertrauen und Kundenfreundlichkeit das Image  wesentlich prägen. Jedoch wird das Image eines Unternehmens oft von kurzfristigen Wahrnehmungen beeinflusst. Das heisst, dass Reputation als Ergebnis eines immer wieder positiv wahrgenommenen Images verstanden werden kann. Konkret bedeutet dies: Wenn Kunden, Mitarbeitende sowie Geschäftspartner:innen immer wieder ein positives Bild von einem Unternehmen gewinnen, führt dies zu  einer nachhaltig positiven Reputation. Kurzum: Image kann als kurzfristiges, die Reputation als langfristiges Bild eines Unternehmens betrachtet werden. So hält auch Bauhofer fest: «Während ein Unternehmen oder eine Person sich ein Image kurzfristig «erkaufen» kann, lässt sich eine gute Reputation nur durch harte Arbeit und konkrete Leistungen über einen längeren Zeitraum verdienen.» 

Auftritte und Rhetorik für positive Wahrnehmung

Da die äussere Wahrnehmung eines Unternehmens aufgrund der stetigen Digitalisierung, der einhergehenden Vernetzung sowie Transparenz des Internets zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist bezüglich der Reputation neben Produkten und Dienstleistungen vermehrt auch den Mitarbeitenden, insbesondere den Organen eines Unternehmens, Beachtung zu schenken. Gerade Vertreter:innen der Managementebene von Unternehmen tragen mit ihrem Verhalten sowie ihrem Auftritt in der Öffentlichkeit einen grossen Teil zur wahrgenommenen Reputation bei. Warren Buffet hat vor einigen Jahren behauptet, dass «es 20 Jahre braucht, sich eine gute Reputation zu erarbeiten und fünf Minuten, sie zu zerstören».

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Die Organe als Botschafter eines Unternehmens und somit Beeinflusser der Reputation nehmen daher eine wichtige Rolle gegenüber den Stakeholdern eines Unternehmens ein. Die Vergangenheit hat hier sowohl positive als auch  negative Beispiele hervorgebracht: Als positive Beispiele sind hier Grössen wie Helmut Schmidt, Martin Luther King oder Steve Jobs zu erwähnen. Ihre Auftritte und ihre Rhetorik haben für eine positive Wahrnehmung und somit herausragende Reputation gesorgt.

Der gute Ruf ist schnell zerstört

Als konträres Beispiel sei das Verhalten von Tony Hayward als ehemaliger CEO von BP zu erwähnen: Er machte im Zusammenhang mit der Ölpest-Katastrophe im Golf von Mexiko 2010 diverse kontroverse Aussagen und dies warf ein (zusätzlich) negatives Bild auf BP. Im Nachgang dieser Katastrophe verloren die Aktien von BP um 30 Prozent an Wert. Insofern sollte man mit Blick auf den Begriff der Reputation auch dessen Bedeutung als immaterielles Vermögen eines Unternehmens erwähnen, auch wenn sich dessen Quantifizierung als durchaus schwierig gestaltet. Dieses Vermögen wird in den Unternehmensbilanzen neben den Sachanlagen und den Finanzanlagen  entsprechend ausgewiesen. Zu diesen immateriellen Vermögenswerten gehören beispielsweise gewerbliche Schutzrechte, Lizenzen, aber auch der entsprechende Firmenwert. Die Ausführungen zeigen, dass die Reputation vielerlei Dimensionen tangiert und grossen Einfluss auf das Unternehmen, seine Handlungen sowie seinen Wert hat.

Reputationsschäden entstehen auch infolge übler Nachrede

Aufgrund dieser zunehmenden Bedeutung der Reputation als solches, Mitverantwortung aller Mitarbeitenden, insbesondere durch die Organe, sowie des monetär erfassbaren Wertes der Reputation stellt sie für Unternehmen einen bedeutenden Wert dar, den man vor Schäden schützen muss. Deshalb muss geklärt werden, ob und wie die Reputation eines Unternehmens als schützenswertes Gut versichert werden kann. Nicht selten kommt es vor, dass ein Unternehmen durch Skandale erschüttert wird und in der Folge Unternehmenswerte geschmälert werden. Solche Skandale können der Wahrheit entsprechen und nachgewiesen werden (z. B. Diesel-Skandal). Reputationsschädigungen entstehen jedoch auch infolge übler Nachrede oder sonstige Falschbehauptungen. Auch wenn solche Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen und dies im Nachhinein aufgezeigt werden kann - ein Reputationsschaden ist nichtsdestotrotz eingetreten. 

Eines der wesentlichsten Risiken

Verschiedene Umfragen und Analysen (z. B. Allianz-Risk-Barometer) zeigen, dass Reputation aus Unternehmenssicht als eines der wesentlichsten Risiken erachtet wird. Interessant ist hierbei: Während Reputation (als Reputationsverlust oder Beeinträchtigung des  Markenwertes) im Jahre 2017 noch als separat genanntes Risiko aufgeführt wurde, erwähnt man das Reputationsrisiko mittlerweile unter allen möglichen Unternehmensrisiken (mit) – weniger im Kontext der klassischen Risiken wie Feuer oder Diebstahl als vielmehr unter den in den letzten Jahren massiv zugenommenen Risiken der Financial Lines wie Cyber, Berufshaftpflichtversicherung (PI) sowie insbesondere Organhaftpflichtversicherung (D&O) und neuartigen bzw. neu entstandenen Risiken wie Klimawandel und/oder Pandemie. Auch die Fassung des Allianz Risk Barometers aus dem Jahr 2021 bestätigt, dass die Angst vor Reputationsverlust weiterhin zu den Top-10-Risiken eines Unternehmens gehört (Platz 9 und somit gleichauf mit den Sorgen rund um einen Ausfall kritischer Infrastruktur).  

Reputation und Versicherungsschutz

In der Masterthesis wird der heutige Stellenwert von Reputation dargestellt und mit Blick auf das klassische Risk Management und den zu versichernden Bedarf thematisiert. Hierbei liegt der Fokus nicht nur auf juristischen, sondern auch auf natürlichen Personen, insbesondere Organen von Unternehmen. Es wird der Frage nachgegangen, wie man Reputation als Wert misst und wie diese in heutigen Versicherungslösungen bereits abgebildet ist. Darüber hinaus soll Reputation unter dem Aspekt wichtiger Rechtsnormen des Versicherungsvertragsgesetztes (VVG) durchleuchtet und dabei die versicherungsrechtlichen Schwierigkeiten aufgezeigt werden. Die in einem weiteren Kapitel dargestellten Versicherungsdeckungen in bestehenden Konzepten von Versicherungsprodukten werden anhand aktueller Bedingungswerke unterschiedlicher Versicherer betrachtet. Abschliessend wird eine eigenständige Stand-Alone-Versicherungslösung im Sinne einer «Reputationsversicherung» als möglicher Lösungsansatz sowie Erweiterung einer zeitgemässen Versicherungsabdeckung aufgezeigt. Da solche Standalone-Lösungen zurzeit – und unter Kenntnis des Verfassers – vorwiegend von der AGCS auf dem Markt angeboten werden, bedient sich der Verfasser dieser Arbeit der entsprechenden Bedingungswerke. Da vereinzelt auch Produkte aus dem angelsächsischen Raum mit entsprechenden Bedingungswerken im kontinental-europäischen Versicherungsmarkt anzufinden sind, wird in der Masterarbeit auch darauf punktuell eingegangen.

Abschliessend ist festzuhalten und daher absolut ratsam, dass aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Reputation die Prüfung dieser Risiken zwingend in den Risikomanagement-Prozess mitaufgenommen werden sollte.