Versicherungsexperten sind sich einig: In naher Zukunft sind die Nähe zum Kunden sowie neue personalisierte und innovative Angebote erfolgsentscheidend. Nichtsdestotrotz konzentrieren sich die Unternehmen zurzeit auf Kostensenkungsmassnahmen und Prozessverbesserungen. Aktuell scheint dies zu funktionieren, da Kunden weitestgehend grosses Vertrauen in die Versicherer haben. Es stellt sich die Frage, ob dieser Ansatz auch langfristig funktionieren wird.

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Den Versicherungsunternehmen stehen immer mehr Kundendaten zur Verfügung. Das wirft neue Fragen für Versicherer und ihre Geschäftsmodelle auf. Die Nutzung von Daten ermöglicht es, das Risikomanagement zu verbessern, Produkte und Dienstleistungen anzupassen und neue Formen der Kundenbeziehung zu erkunden. Gleichzeitig können branchenfremde Organisationen, die einen besseren und direkten Zugang zu relevanten Daten haben, diesen Vorteil für einen Markteintritt nutzen. Wie gehen Versicherer vor, wie entspricht diese Entwicklung den Wünschen der Kunden und wie sehen Kunden mögliche neue Player? Das haben wir durch eine Befragung von 35 Versicherungsexperten und mehr als 1’400 Schweizer Kunden untersucht.

Autoren:
Mischa Seitz ist Account Executive bei der Technologieberatung Cognizant
Dr. Carlo Pugnetti ist Dozent für Risk & Insurance an der ZHAW

Analysiert wurden verschiedene Versicherungsdienstleistungen rund um die Themen Mobilität, Wohnen und Gesundheit, jeweils in fünf Dienstleistungsbereichen (Administration, Risikomanagement, Assistance/Notfall, Schadenmanagement und die über das Kerngeschäft der Versicherer hinausgehenden Life Services).

Wie die Ergebnisse zeigen, stimmen die Branchenexperten mit den langfristigen Prioritäten der Kunden in Bezug auf Komfort (Life Services) und Risikomanagement überein. Dennoch konzentrieren sich die Versicherungsunternehmen derzeit hauptsächlich auf kurzfristige Kostensenkungsmassnahmen und Prozessverbesserungen. Risikomanagement-Dienstleistungen für Kunden und zusätzliche versicherungsfremde Dienstleistungen stehen nicht primär im Fokus. Experten sind jedoch der Meinung, dass genau diese beiden Arten von Dienstleistungen mittelfristig den grössten Einfluss auf die Branche haben werden (Abbildung 1).

Studienergebnisse ZHAW, Abbildung 1

Abbildung 1: Expertenansicht über Relevanz und Verfügbarkeit von datengetriebenen Dienstleistungen (relative Werte)

Quelle: ZHAW

Weiter zeigt die Studie, dass Kunden insgesamt eine durchaus differenzierte Sicht auf datengesteuerte Dienste haben. Sie sind im Allgemeinen an Präventions- und Assistenzdienstleistungen interessiert, und zwar in stärkerem Masse für den Automobil- und Mobilitätsbereich. Sie sind im Allgemeinen offen für die Weitergabe von Verwaltungs- und Notfallinformationen, aber zurückhaltender bei verhaltensbezogenen Informationen (Abbildung 2). Die (sensiblen) persönlichen Informationen, die benötigt werden, um Präventionsdienstleistungen auf Basis eines genaueren Risikomanagements zu ermöglichen oder um Life Services für mehr Komfort zu schaffen, geben sie jedoch weniger bereitwillig preis. Diese differenzierte Sicht deutet darauf hin, dass enge, zielgerichtete Serviceangebote wahrscheinlich erfolgreicher sein werden als breitere, unternehmensweite oder länderübergreifende Serviceangebote. 

Studienergebnisse ZHAW, Abbildung 2

Abbildung 2: Kundeninteresse und Bereitschaft Daten zu teilen (relative Werte)

Quelle: ZHAW

Dabei hilft die Erkenntnis, dass Männer und Frauen ein ähnliches Interesse an zusätzlichen Dienstleistungen haben und jüngere Kunden signifikant mehr Interesse zeigen als ältere. Männer und jüngere Menschen sind auch generell offener dafür, Informationen mit den Versicherern zu teilen. Dies deutet darauf hin, dass datengesteuerte Services im Laufe der Zeit an Beliebtheit gewinnen sollten. Die Studie zeigt weiter, dass Versicherer ein sehr grosses Vertrauen bei ihren Kunden geniessen und keine signifikanten Unterschiede zwischen den Kundenportfolios der einzelnen Versicherungsunternehmen bestehen. Dies kann auch ein Hinweis auf ein frühes Stadium der Marktentwicklung sein und sich ändern, sobald die Dienstleistungen von einzelnen Unternehmen eingeführt werden und die Kunden beginnen, sie wahrzunehmen und zu nutzen.

Dieses hohe Vertrauen auf Kundenseite sollten Versicherer nutzen, um Innovationen zu fördern und in die Entwicklung neuer Angebote zu investieren. Diese Ansicht teilt auch Stefan Metzger, CEO von Cognizant Schweiz: «Im Markt wird derjenige Anbieter überzeugen, welcher das Vertrauen der Kunden gewinnbringend, mittels der verfügbaren Daten, in naher Zukunft in personalisierte und innovative Dienstleistungen ummünzen kann.» Das Vertrauen, das die Schweizer Versicherungsnehmer in die Branche haben, schafft ein Zeitfenster, um sich auf mögliche neue Markteintritte in den kommenden Jahren vorzubereiten. Dieses Zeitfenster sollte eher früher als später genutzt werden, denn die Studie zeigt, dass die Schweizer Versicherungsnehmer durchaus ein Interesse an datengesteuerten Dienstleistungen haben und offen dafür sind, Dienstleistungen von anderen Anbietern zu beziehen.