Frau Colatrella, wie bewerten Sie das Jahresergebnis 2024 aus Ihrer Sicht?
Ich bin sehr zufrieden, wir haben den 15. positiven Abschluss in Folge erzielt. Das ist angesichts des herausfordernden Umfelds nicht selbstverständlich. Es war ein erfolgreiches Konsolidierungsjahr, in das wir viel Kraft und Energie investiert haben, um wieder zu alter Stärke zurückzufinden.
Philomena Colatrella arbeitet seit 1999 für die CSS. Zu Beginn war sie als Rechtsanwältin, später als General Counsel / Compliance Officer tätig, bevor sie 2012 zur Generalsekretärin und Stv. CEO der CSS Gruppe ernannt wurde. Vier Jahre später übernahm sie den Vorsitz der Konzernleitung.
Was waren aus Ihrer Sicht die besonderen Highlights?
Die CSS hat im vergangenen Jahr ihre Leaderrolle beim Thema Innovation unter Beweis gestellt: Mit Livo haben wir ein neues Zusatzversicherungsprodukt lanciert, das zukunftsgerichtete Versorgungsrealitäten widerspiegelt und Leistungen im ambulanten, alternativmedizinischen und stationären Bereich in einer Versicherung vereint.
Dann haben wir gemeinsam mit dem Ensemble Hospitalier de la Côte (EHC) ein Versorgungsmodell gestartet, das Akteure aus dem ambulanten und stationären Bereich aus vierzig verschiedenen Fachrichtungen vereint - das ist schweizweit bislang einzigartig. Und wir haben in eine cloudfähige IT-Landschaft und in die Agilisierung investiert.
Was mich und unsere Mitarbeitenden aber besonders stolz macht: Trotz dieser Investitionen konnten wir unseren Verwaltungskostensatz in der Grundversicherung auf rekordtiefe 3,7 Prozent senken. Damit gehört die CSS zu den effizientesten Krankenversicherungen der Schweiz.
Wir haben alle uns zur Verfügung stehenden Hebel betätigt, um die Solvenz zu stärken.
Philomena Colatrella
In ihrem Jubiläumsjahr hatte die CSS aber auch einige Herausforderungen zu bewältigen, wie eine stark gesunkene Solvenzquote und überdurchschnittliche Prämienerhöhungen. Wie konnten Sie das Ruder so schnell wieder rumreissen?
Wir haben alle uns zur Verfügung stehenden Hebel betätigt, um die Solvenz zu stärken. Das Bundesamt für Gesundheit erwartet, dass eine gesunkene Solvenzquote spätestens in zwei Jahren erneut über 100 Prozent liegt. Wir haben dies in einem Jahr geschafft: Unsere provisorische Solvenzquote liegt mit 130 Prozent deutlich über den gesetzlichen Anforderungen. Wir haben im Aufholjahr 2024 hart daran gearbeitet, eine gute Ausgangslage für die nächste Prämienrunde und ein erfolgreiches 2025 zu schaffen.
Einen Rückgang an Versicherten hatten wir antizipiert und deshalb ein besonderes Augenmerk auf die Kundenbindungsmassnahmen gelegt.
Philomena Colatrella
Sie mussten aufgrund der Prämienerhöhung aber auch einen Kundenschwund hinnehmen...
Wir haben insgesamt rund 60’000 Kundinnen und Kunden verloren. Das ist angesichts der sehr herausfordernden Ausgangslage ein Resultat, mit dem wir gut leben können. Sie dürfen nicht vergessen, dass wir in den vergangenen Jahren drei Fusionen durchgeführt haben. Im Rahmen solcher Fusionen verliert man in der Regel Versicherte. Bei uns kamen hingegen viele neue Kundinnen und Kunden hinzu.
Mit der Prämienerhöhung auf 2025 haben wir den Nachholbedarf, der sich zeitverzögert aus diesen Fusionen ergab, nun vollzogen. Einen Rückgang an Versicherten hatten wir antizipiert und deshalb ein besonderes Augenmerk auf die Kundenbindungsmassnahmen gelegt. Auch unserer eigener Vertrieb hat grossartige Arbeit geleistet.
Sie haben im vergangenen Jahr mit dem EHC-Netzwerk im Waadtland eine neue Partnerschaft lanciert, die neue Ansätze in der integrierten Versorgung bietet. Zeigt diese Partnerschaft bereits erste Effekte - und lässt sich ein solches Modell auch auf andere Kantone ausweiten?
Noch ist es zu früh, um substanzielle Aussagen zu den Effekten zu machen - die Partnerschaft existiert ja erst seit Anfang des Jahres. Was ich bereits sagen kann: In diesem Cluster sind 3’000 Kundinnen und Kunden versichert, eine beträchtliche Zahl. Wir sind überzeugt, dass dieser Ansatz effizienter ist als die Standard-OKP oder andere Modelle. Das wird sich dann auch bei den Zahlen zeigen.
Dieses Modell lässt sich auch auf andere Regionen übertragen. Das Interesse daran ist schweizweit gross und wir sind schon in aussichtsreichen Gesprächen. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht verraten.
Die Kosten im Gesundheitswesen sind ein Dauerbrenner. Wohin steuert die Gesundheitspolitik in diesem Jahr?
Die beiden zentralen Reformen Efas und Tardoc sind wichtige Hebel, um die Kosten zu dämpfen und Fehlanreize zu beseitigen. Die Annahme durch das Wahlvolk war ein grosser Erfolg, nun geht es an die Umsetzung. Diese ist zentral für den Erfolg. Zudem freuen wir uns sehr darüber, dass das Parlament den Krankenversicherern mehr Optionen einräumt, um ihre Kundinnen und Kunden zu informieren.
Das gibt uns die Möglichkeit, Vorschläge zu unterbreiten. Beispielsweise dürfen wir darauf aufmerksam machen, dass für ein bestimmtes Medikament ein Generika zur Verfügung steht. Die Entscheidung liegt dabei immer bei den Kundinnen und Kunden. Damit könnten die Versicherten Prämien sparen. Das ist für uns in diesem Jahr ein wichtiger Ansatz.
Zudem ist es notwendig, dass wir uns die Frage stellen, wie wir in Zukunft den Leistungskatalog à jour halten. Hier gibt es bestehende Instrumente, die zu wenig genutzt werden. Es gibt also weiterhin viel zu tun.
Kommen wir zurück zur CSS - was sind Ihre Erwartungen für 2025?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir 2025 wieder kompetitiv unterwegs sein werden. Wir hatten in der Vergangenheit immer sehr attraktive Prämien. Da wollen wir wieder hin. Damit werden wir unseren Pfad eines kontinuierlichen, nachhaltigen Wachstums fortsetzen können. Die derzeitige Prognose ist vielversprechend: Wir rechnen damit, dass wir Ende 2025 in der Grundversicherung mit einem Überschuss abschliessen werden.
Gleichzeitig wollen wir aber unsere Innovationen sowie die integrierte Versorgung vorantreiben und zusätzliche Versicherungscluster bilden. Gemeinsam mit dem Verwaltungsrat werden wir im zweiten Halbjahr eine neue Strategie erarbeiten und festlegen, wohin die Reise der CSS in den nächsten zehn Jahren geht.
Dieser Artikel ist Teil der Market Opinion «Gesundheit stärken», die in Zusammenarbeit mit Krankenversicherung CSS realisiert wurde.