Er telefoniere wöchentlich mit Georg von Opel, sagte Gustav Stenbolt, nachdem er mit dem deutschen Investor bei der Zürcher Warenhaus- und Immobiliengruppe Jelmoli eingestiegen war. Der Norweger war der Banker des Urenkels des deutschen Autopioniers.

Von Opel machte bei der 2009 abgeschlossenen Aufteilung und beim Weiterverkauf des Konzerns Kasse. Die Geschichte schlug hohe Wellen, weil der deutsche Hauptaktionär wenig Verständnis für die Forderungen der Minderheitsaktionäre zeigte. Doch auch das tat der langjährigen Geschäftsbeziehung zwischen den beiden keinen Abbruch. Beide hatten mit Jelmoli schliesslich eine gute Beute gemacht.

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Umso erstaunlicher ist, dass sich der 44-jährige von Opel und der 53-jährige Stenbolt heute dennoch spinnefeind sind. Überworfen haben sie sich wegen ENR, einer an der Schweizer Börse kotierten und auf Russland fokussierten Beteiligungsfirma. Sie wird von der Bank Valartis gemanagt. Das Zürcher Vermögensverwaltungs- und Investmenthaus gehört zu rund 51 Prozent Stenbolt, der in Genf residiert. Bekanntes Aushängeschild ist deren Präsident, Finanzprofessor Erwin Heri.

Von Opels unkonventionelle Taktik

Stenbolt entscheidet jedoch nicht nur über die Anlagen von ENR, sondern kontrolliert sie auch direkt. Zusammen mit seiner Valartis-Bank und weiteren Investoren bringt er bei der Gesellschaft 56 Prozent auf die Waage. Von Opels Beteiligungsgesellschaft Paramount gehört nur ein Drittel der ENR.

Im Ringen um das Beteiligungsvehikel stehen sich zwei einflussreiche Financiers gegenüber. Die «Bilanz» schätzt von Opels Vermögen auf 1 bis 1,5 Milliarden Franken. Stenbolts Valartis hat eine Börsenkapitalisierung von rund 140 Millionen. Trotz unterschiedlicher finanzieller Polster agiert von Opel bei ENR für einmal aus der Defensive heraus.

Als ENR-Minderheitsaktionär erlebt von Opel, wie schwierig es ist, gegen eine Gruppierung anzukämpfen, die das Sagen hat. Wohl deshalb setzt der Deutsche, der sich bei seinen Investments zweistellige Renditen gewohnt ist, auf eine unkonventionelle «Kriegsführung»: Nachdem er bei seinem Widersacher Stenbolt trotz diverser Klagen nichts erreicht hat, knöpft er sich nun die Bank seines Widersachers vor. Kernpunkt ist von Opels Vorwurf, ENR würde ihre Mittel in russische und litauische Obligationen investieren, statt wie vorgesehen Beteiligungen an osteuropäischen Unternehmungen aufzubauen.

Damit nicht genug. Profiteur dieser ENR-Strategie sei Stenbolts Valartis-Bank, beklagt sich von Opel. Unternehmens- statt Finanzinvestments müssten nämlich mit deutlich mehr Eigenkapital unterlegt werden, was die Valartis-Eigenkapitalquote nach Standard der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) reduzieren würde, so der Vorwurf des blaublütigen Deutschen. Zudem bringe die ENR-Vermögensverwaltung Valartis schöne Gebühren. «Unsere Untersuchungen zeigen», sagt ein von-Opel-Sprecher, «dass Valartis in den letzten Jahren mit einer gemäss Geschäftszweck investierenden ENR eine derart tiefe BIZ-Quote hätte ausweisen müssen, dass die Bank erfahrungsgemäss von der Aufsichtsbehörde ins Visier genommen worden wäre.»

Die Grenze zieht von Opel bei 12 Prozent. Fiele Valartis unter diese BIZ-Quote, dann würde die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) «eine erhöhte Aufmerksamkeit auf das Institut» richten, steht in einer Studie einer beauftragten externen Prüfgesellschaft.

Als Basis nehmen die Revisoren 12,7 Prozent BIZ-Quote per Ende 2009 und untersuchen, wie sich eine andere ENR-Investmentpolitik ausgewirkt hätte. Würden beispielsweise die 46 Millionen Franken, die ENR in Ost-Obligationen angelegt hat, in Firmen-Beteiligungen fliessen, bräuchte es dafür zusätzliches Eigenkapital. In der Folge würde die BIZ-Quote der Valartis um einen Prozentpunkt sinken. Falls ENR gar sämtliche freien Mittel in «massgebliche Beteiligungen» stecken würde, sänke die BIZ-Kapital-Quote gemäss den Berechnungen auf rund 11 Prozent. «Es ist unseres Erachtens offensichtlich, dass die Anlagetätigkeit bei ENR einseitig auf die Interessen von Valartis ausgerichtet wird», sagt der von-Opel-Sprecher. Eine ENR mit grossen Beständen an flüssigen Mitteln sei nun einmal für die Valartis im Hinblick auf deren Eigenkapitalausstattung vorteilhafter, als wenn ENR russische Private-Equity-Investitionen tätigen würde, die deutlich strengere Unterlegungssätze hätten, schlussfolgert die Partei von Opels.

Von Opel erhöht den Druck

Für Stenbolt sind die Vorwürfe des einstigen Weggefährten unverständlich. Er und von Opel hätten sich 2007 auf eine gütliche Entflechtung der Aktivitäten bei ENR geeinigt, bei der von Opels Anteil durch Verwässerung hätte reduziert werden sollen. «Wir hatten eine klare Abmachung zur Schritt-für-Schritt-Trennung und setzten diese auch um, bis von Opel an der Generalversammlung von 2008 die geplante zweite Kapitalerhöhung aus heiterem Himmel verhinderte», sagt der Bankier. «Warum er dies gemacht hat? Da müssen Sie ihn fragen.»

Seit jener Aktionärsversammlung hat von Opel den Druck auf Stenbolt ständig erhöht - bisher aber ohne sichtlichen Erfolg. 2009 scheiterte er mit einem Antrag auf Einsetzung eines Sonderprüfers bei ENR. Und bei der Finma lief er mit seiner Forderung auf, diese sollte ein Verfahren gegen Stenbolt einleiten. Pendent sind von Opels Verantwortlichkeitsklagen gegen Stenbolt und einen weiteren ENR-Verwaltungsrat.

Weniger Gewinn bei Valartis

Der so angegriffene Banker Stenbolt rechtfertigt sich vehement: «Dass wir bei ENR Ende 2008 viel Cash hielten, nachdem wir ein Jahr zuvor noch voll investiert waren, ist doch ein grosser Glücksfall.» Damals habe bekanntlich ein Sturm an den Märkten gewütet, und Cash sei absolut zentral gewesen. «Inzwischen haben wir rund 80 Prozent der Gelder erfolgreich in Russland investiert.»

Dass von Opel nach seinen diversen Vorstössen nun auch noch die Valartis-Bank in die epische Schlacht um ENR hineinzuziehen versucht, scheint Stenbolt allerdings zu treffen: Zu seinem Institut gibt der Banker nur sehr zurückhaltend Auskunft: «2009 war unser absolutes Rekordjahr», sagt Stenbolt lediglich. «Das spricht für sich selbst.» Nach den 63 Millionen Franken Reingewinn dürften es dieses Jahr allerdings deutlich weniger werden. Im ersten Halbjahr verdiente die Finanzgruppe nur noch 7 Millionen Franken. In den letzten fünf Jahren hat die Valartis-Aktie zudem zwei Drittel ihres Werts eingebüsst.