Letzte Woche in Peking war Josef Ackermann wieder einmal in seinem Element. Im noblen Westin Hotel fernab der Heimat konnte er so richtig gegen die Allmacht der globalisierten Bankenkontrolleure vom Leder ziehen. Mit seinem Charme, hinter dem viel Abgeklärtheit steckt, warnte er davor, das zarte Pflänzchen Konjunktur und die Schaffung von Millionen von Arbeitsplätzen mit allzu strengen Regeln und Bestimmungen à la Basel III zu torpedieren. «Es steht so viel auf dem Spiel», lautete sein Mantra.

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Das alles tat «Joe» Ackermann nicht in seiner Funktion als Chef der Deutschen Bank, sondern als Präsident einer viel mächtigeren Organisation - des Institute for International Finance, kurz IIF. Keine andere Gruppierung ist über all die Jahre ihres Bestehens so diskret geblieben und besitzt dennoch so viel Einfluss.

Furcht vor dem Metzgerbeil

Dem in Washington D.C. beheimateten Institute for International Finance sind heute 420 Banken, Versicherungen und andere Finanzhäuser angeschlossen. Beschäftigt werden 100 Leute. Von der Geisteshaltung her steht man - diplomatisch ausgedrückt - jeglichem staatlichen Einfluss skeptisch gegenüber oder, wie es der frühere Banker und spätere Clinton-Berater Eugene Ludwig formuliert, in permanenter Sorge, dass der Staat mit «dem Metzgerbeil anstatt mit dem Skalpell» eingreift. So überlässt das Institut nichts dem Zufall. Dass Ackermann letzte Woche in Peking an der Eröffnung des ersten IIF-Büros ausserhalb der USA gegen eine Verschärfung der internationalen Bankenregeln ins Feld zog, war inszeniert.

Sein Votum erfolgte rechtzeitig vor dem November-Treffen der G20 in Seoul, wo die mächtigsten Wirtschaftsnationen unter dem Einfluss der Krise dem Protektionismus und anderen staatlichen Kontrollen weiter Vorschub leisten werden. Kein Wunder, dass da die grösste Lobby-Organisation der Geldhäuser Alarm schlägt und die Bankenlandschaft bedroht sieht.

Ob überhöhte Eigenkapitalvorschriften, fragwürdige Hedgefonds-Transparenz oder dräuende Währungskonflikte - wenn das Institute for International Finance mobilisiert, geht etwas. Es arbeitet mit einer selten Mischung aus Kompetenz, Beharrlichkeit und persönlichem Engagement bis hinein in die obersten Schaltstellen der Macht.

«Das Institute for International Finance geht nie zu Mäxchen, sondern immer nur zu Max», sagt Martin Hüfner, Berater der Schweizer Aquila Investment und früher leitender Ökonom bei der Deutschen Bank. Noch heute nimmt er an den Treffen teil: «Man klopft direkt bei Angela Merkel oder Barack Obama an.» Auf die Stufe nationaler Bankenverbände lasse man sich nicht hinab. Das ist nicht nötig, denn in den Gremien sitzt die Hochfinanz. Leute von Citigroup, Morgan Stanley oder HSBC - und überraschend viele Schweizer wie UBS-Chef Oswald Grübel, der designierte CS-Präsident Urs Rohner, Zurich-Chef Martin Senn oder Swiss-Re-Präsident Walter Kielholz.

Eine verlässliche Achse bildet Grübel mit dem Chinesen Jiang Jianqing, dem Chef der Industrial and Commercial Bank of China, der mittlerweile grössten Bank der Welt. Die beiden sind schon seit Jahren persönlich befreundet. Demgegenüber unterhalten die CS-Leute gute Beziehungen zu den US-Bankern; Kielholz, der bei der CS gedient hat und heute in Diensten der Swiss Re steht, agiert als Scharnier zwischen Bank und Assekuranz. Selbst unter den gewöhnlichen Mitgliedern des Institute for International Finance ist die Schweiz überproportional vertreten, etwa mit der Zürcher Kantonalbank, der Privatbank Pictet oder Partners Group aus Zug. Angesichts dieser Machtballung erstaunt es nicht, dass das Institut mit persönlichen Interventionen viel bewegt, ohne dabei die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Wenn sich die Organisation für ein freies Banking weltweit einsetzt, entwirft sie gelegentlich auch Schreckensszenarien für Wachstum und Arbeitsplätze. Da ist ihr die Aufmerksamkeit genehm, wie jüngst im Juni mit einer Studie gegen «Basel III». Dass manche multilateralen Regeln am Ende nur in einer Absichtserklärung kulminieren, kann sich das Institut als Verdienst zuschreiben.

Das Institute for International Finance ist eigentlich ein Kind der Krise. Gegründet wurde es 1983 von US-Banken inmitten der lateinamerikanischen Schuldenkrise im englischen Ditchley Park, wo sich einst Winston Churchill zu Gesprächen mit amerikanischen Regierungsvertretern getroffen hatte. In den 80er-Jahren, als Mexiko, Brasilien und Argentinien insolvent wurden, legten die US-Gläubigerbanken in ebendiesem Ditchley Park eine Strategie fest, um nicht all ihr Geld zu verlieren. Das war die Geburtsstunde des IIF.

Später, in den 90er-Jahren, leistete das Institut finanztheoretische Entwicklungshilfe im ehemaligen Ostblock und avancierte so unter seinem Direktor Charles Dallara zu einer schlagkräftigen Institution, der immer mehr Finanzinstitute beitraten. Dallara, erst Banker, dann Chefbeamter in Washington, ist bis heute der Dreh- und Angelpunkt der Organisation. Analog zur Verschwiegenheit des Institute for International Finance versteht sich der Amerikaner genial in der Kunst des smarten Understatement. Wenn das nichts nützt, aktiviert Dallara seine medialen Netze und publiziert in der «Financial Times» oder anderen Meinungsblättern.

Im Gegensatz zu anderen Gipfeltreffen von globaler Ausgestaltung, wie das Davoser World Economic Forum oder das Zentralbanken-Treffen von Jackson Hole, haben sich die halbjährlichen Versammlungen des Instituts nie zu medialen Jahrmärkten entwickelt - ob in Rio, Dubai oder Peking, sie finden diskret statt, oft am Rande von Tagungen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.

Diskrete Treffen

Doch die Zeiten waren schon besser. Seit sich ein Grossteil der Weltpolitik darauf eingeschworen hat, die Exzesse der Hochfinanz mit rigorosen Regeln zu unterbinden, bläst dem IIF eine kühle Bise entgegen. Der daraus resultierende Aktionismus gegen die westliche Kontrollmanie mündet darin, dass das Institute for International Finance heute am meisten Unterstützung in jenen Ländern findet, wo früher «Entwicklungshilfe» geleistet wurde oder noch ein staatsgelenktes System existiert. Unter diesen Prämissen entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass Ackermann just in Peking für eine Finanzarchitektur plädierte, die von den Kräften des freien Marktes vorgegeben wird anstatt von westlichen Bürokraten.

Für Ackermann ist das Präsidentenamt die ideale Plattform, um sich sozusagen als Master of the Universe zu präsentieren. Besser noch als der Chefposten bei der Deutschen Bank, wo der Schweizer doch immer wieder den Befindlichkeiten einer auf Konsens und Sozialverträglichkeit ausgerichteten Gesellschaft Rechnung tragen muss. Für den ehrgeizigen Ackermann ist das Institute for International Finance das Beste, was ihm widerfahren konnte. Kürzlich wurde ihm sogar ein Prestigeerfolg zuteil: 2008 hatte die legendärste Investmentbank der Welt, Goldman Sachs, moniert, das Institut kehre die wahren Belastungen der Krise unter den Teppich, und war aus dem Verband ausgetreten. Für den öffentlichkeitsbewussten Manager ein herber Rückschlag - und Ansporn, eine schärfere Gangart einzuschlagen. In Peking durfte der Banker nun inoffiziell verkünden, dass Goldman Sachs nach gut zweijähriger Abstinenz dem exklusiven Club wieder beitreten wird.