Zigaretten oder eine Zeitung an einem Kiosk zu kaufen, dauert ein paar Sekunden. Bargeld nach Brasilien oder in den Kosovo zu senden, dauert kaum länger. Der Westschweizer Kioskbetreiber Naville entwickelte mit dem Geldtransfer-Unternehmen Western Union ein spezielles Abwicklungssystem. An 170 Naville-Kiosken lassen sich seit wenigen Monaten Transaktionen in die ganze Welt innerhalb von 20 Sekunden auslösen. Das Geschäft mit dem globalen Geldversand boomt. Weltweit beträgt das Marktvolumen 420 Mrd Dollar pro Jahr. Die Wachstumsraten liegen im zweistelligen Bereich. Mit einem Migrantenanteil von über 22% gehört die Schweiz zu den besonders lukrativen Märkten. Laut der Weltbank schicken Gastarbeiter und Asylanten jährlich rund 19 Mrd Dollar in ihre Heimatländer. Durch Partnerschaften mit Kiosken und Tankstellen wollen Unternehmen wie Western Union und Konkurrentin Moneygram hier weiter wachsen - trotz ernster Bedenken von Geldwäscherei-Experten und Behörden.

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Die Anbieter sprechen freilich lieber über die Wachstumschancen. «Es ist ein sehr interessanter Markt», so Declan Daly, Vice President Central Europe bei Western Union. Die neuen Technologien, die zunehmende Arbeitsmobilität und die demografische Entwicklung treiben das Geschäft an. Sein Unternehmen besitzt einen Weltmarktanteil von rund 17%.

Geldtransfer an der Tankstelle

Auch im Fall von Naville blüht das Geschäft: «Wir verzeichnen monatlich ca. 5 bis 10% Wachstum, und jeder Monat ist ein Rekordmonat», so Naville-Sprecher Pascal Valley. Die Kunden versenden durchschnittlich 400 bis 500 Fr. pro Transaktion. Bis zu 4500 Fr. können aufs Mal transferiert werden, pro Monat sind es maximal 5000 Fr. In der Schweiz nehmen die SBB und die PostFinance ebenfalls Aufträge an. Nun will Western Union noch näher zum Kunden. «Wir werden in der Schweiz weiter expandieren», sagt Daly, der selbst schon hier gelebt hat. «Wir haben ein starkes Netzwerk», so Daly, man werde das Geschäft zunehmend in den Handel ausdehnen. Der Europa-Chef verweist auf Österreich, wo vor Kurzem eine Partnerschaft mit dem Tankstellen-Netz von OMV eingegangen wurde. «Ich möchte keine möglichen Partner nennen, aber das OMV-Modell ist ein spannendes und wir werden in eine ähnliche Richtung gehen», sagt Daly. Entscheidend sei die Nähe zum Kunden und die attraktiven Öffnungszeiten der Tankstellen.

Derweil rüstet die Konkurrenz auf. Moneygram startet demnächst zusammen mit dem Kioskbetreiber Valora in der Deutschschweiz ein ähnliches System an rund 1000 Verkaufsstellen. «Wir sind soweit startklar und in der Feinabstimmung mit unseren Geschäftspartnern», sagt Valora-Sprecherin Stefania Misteli. Der ganze Prozess verlaufe planmässig. Der Start sollte in den nächsten Wochen erfolgen können. Die Schulung der Mitarbeitenden sei grösstenteils abgeschlossen, und verschiedene Testläufe bezüglich Sicherheit und Technik wurden durchlaufen.

Geldwäscherei-Experten warnen

Völlig geräuschlos geht der Start aber nicht über die Bühne. Geldwäschereiexperten warnen jetzt vor der Gefahr, dass Kriminelle die neuen Kanäle für ihre Zwecke missbrauchen. Beim Geldübertragungsgeschäft handelt es sich um ein Zug-um-Zug-Geschäft. Es gibt keine langjährige Kundenbeziehung. Das Bargeldgeschäft berge bezüglich der Geldwäscherei «ein erhöhtes Risiko», sagt Eva Zwahlen, Sprecherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements EJPD. Geld aus zweifelhafter Herkunft sei «besonders schwierig zu erkennen und stellt an das Personal besonders hohe Anforderungen», so Zwahlen.

Der Tessiner Wirtschaftsanwalt und Hochschulprofessor Paolo Bernasconi geht mit seiner Kritik gar noch weiter. «Man beklagt sich über die Ausdehnung der Kriminalität und dennoch werden grosszügig neue, einfachere Geldwäschereimethoden angeboten.» Daniel Thelesklav vom Basel Institute of Governance argumentiert ähnlich. Der Kioskbetreiber kennt seine Kunden nicht so, wie eine Bank ihre Kunden kennt, «das erhöht das Risiko von Geldwäscherei». Organisierte Kriminalität wie der Drogen-, Waffen- und Menschenhandel funktioniere zwar nicht mit ein paar Hundert Fr. Wenn es aber möglich sei, durch mehrere Transfers 10 000 Fr. oder mehr zu übertragen, könnten interessante Volumen entstehen. «Eine Obergrenze bei etwa 3000 Fr. würde das Risiko einschränken», so Thelesklaf. Sei das nicht der Fall, müssen die Mitarbeiter verstärkt acht geben. «Kioskmitarbeiter müssen sich ein Bild verschaffen von den Menschen, die Geld versenden wollen, und sie brauchen eine Fachstelle, die für Rückfragen immer erreichbar ist», so Thelesklaf, ein Tag pro Jahr für die Mitarbeiterschulung genüge nicht. «In einigen Monaten sollte das System kritisch hinterfragt und ausgewertet werden», so Thelesklaf. Dann werde sich zeigen, ob man das Risiko im Griff habe oder nur das gesetzliche Minimum mache.

Bei Valora weist man solche Kritik zurück. Die Systeme seien so ausgelegt, dass die Risiken bezüglich Geldwäscherei minimiert werden können. «Wir schulen einerseits unsere Mitarbeitenden sorgfältig und haben gleichzeitig auch eine entsprechende interne Stelle geschaffen, die sich mit Compliance-Themen beschäftigt», so Misteli. Nur Mitarbeiter, die diese Schulung erfolgreich absolviert haben, seien in der Lage, Transaktionen durchzuführen.