Weil die USA den Techkonzern Huawei vom Zulieferer Google trennen, könnten die Chinesen bald den Zugang zu neuen Android-Updates verlieren. Huawei hat deshalb die Entwicklung eines eigenen Betriebssystems für Smartphones angekündigt. Es soll spätestens im nächsten Frühling auf den Markt kommen.

Bisher war noch jede Alternative zu Apples iOS und Googles Android zum Scheitern verurteilt. Zu gross ist der Vorsprung der Silicon-Valley-Konzerne, vor allem bei der Zahl der Apps. Doch wenn jemand das Duopol durchbrechen kann, dann der chinesische Techgigant.

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Das Reich der Mitte hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass es Ideen aus dem Westen übernehmen und verbessern kann. Und der Druck des Handelsstreits mit den USA zwingt chinesische Firmen noch stärker dazu, eigene Lösungen zu entwickeln. Hier sind sechs Bereiche, in denen China schon heute neue Standards setzt:

1. Internet: WeChat und Alibaba

Obwohl die chinesische Chat-App WeChat zwei Jahre nach WhatsApp auf den Markt kam, hat der Dienst heute einen riesigen Vorsprung auf das amerikanische Vorbild herausgeholt. WeChat ist für die meisten Chinesen der Mittelpunkt der gesamten Onlineaktivitäten geworden. Egal ob für den Einkauf, ein Geschenk an Freunde oder einen Arzttermin, WeChat ist Begleiter in allen Lebenslagen.

Durch die erfolgreiche Verknüpfung von Nachrichten mit Shopping und Dienstleistungen hat sich der Spiess zwischen WeChat und WhatsApp umgedreht. Inzwischen versucht der WhatsApp-Mutterkonzern Facebook den Erfolg der Chinesen zu kopieren, vor allem was das mobile Bezahlen betrifft.

Die Handelsplattform Alibaba startete 1999 als chinesische Version von eBay oder Amazon. Heute ist der Konzern einer der grössten Internethändler der Welt und zunehmend auch im Westen präsent. Wie bei WeChat ist ein Teil des Erfolges auf die geschützte Stellung der Firma in China zurückzuführen. Doch Alibaba ist auch innovativ und setzte beispielsweise mit dem selbst erfundenen «Singles’ Day» am 11.11.2018 rund 30 Milliarden Dollar um. Das ist etwa das Dreifache des Jahresumsatzes von eBay.

CHINA SINGLES' DAY

Web-Blogger berichten live vom Singles' Day: Der Shopping-Tag ist in China ein Grossereignis.

Quelle: Keystone

2. Verkehr: Die schnellsten Züge der Welt

Seit einigen Jahren sind in China die schnellsten fahrplanmässigen Züge der Welt unterwegs. Und nicht nur, dass die Züge technisch besser werden - sie kommen auch immer häufiger aus heimischer Produktion.

Nachdem die Schnellfahrstrecken zunächst mit Zügen internationaler Hersteller bedient wurden – zum Einsatz kam unter anderem eine modifizierte Version des japanischen Shinkansen – baut China das Rollmaterial inzwischen selbst. Mit dem «Zug der Harmonie» CRH380A stellte der staatliche Hersteller China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) mehrere Geschwindigkeitsrekorde auf.

Noch nicht so weit ist China in der kommerziellen Luftfahrt. Doch auch hier gibt es Bestrebungen im Bereich der Mittelstreckenjets den grossen Herstellern Airbus und Boeing Konkurrenz zu machen. Die Comac C919 ist das erste zweistrahlige Passagierflugzeug, das vollständig in China entwickelt wurde und soll 2021 in Dienst gestellt werden. Bestellt wurde der Flieger indes bisher fast ausschliesslich von chinesischen Airlines.

CHINA LUFTFAHRT COMAC C919

Comac C919: Der Passagierjet soll Airbus und Boeing ab 2021 Marktanteile abnehmen.

Quelle: Keystone

3. Computer: Lenovo

Auch im Bereich der PCs stieg China relativ spät mit eigenen Entwicklungen in den umkämpften Markt ein. Die Firma Lenovo beschränkte sich zunächst auf den Vertrieb von amerikanischen Produkten wie IBM und HP. Eigene Geräte kamen ab Ende der 1980er-Jahre in den Verkauf.

Heute ist Lenovo der grösste Computerhersteller der Welt. Bei den PCs standen die Chinesen im ersten Quartal 2019 mit einem Marktanteil von 22,5 Prozent vor HP mit 21,9 Prozent. Und auch technologisch ist Lenovo führend. Die Firma ist der grösste Anbieter von Supercomputern. Von den 500 leistungsfähigsten Computern der Welt stammt etwa jeder vierte von Lenovo.

CHINA JINAN SUPERCOMPUTER CENTER

Supercomputer in Jinan: Chinas Rechner können auf dem Weltmarkt mithalten.

Quelle: Keystone

4. E-Autos: Nio

Auf Schweizer Strassen fahren erst einige Zehntausend Elektroautos herum. Anders in China: Allein im letzten Jahr wurden dort mehr als eine Million E-Autos verkauft – mehr als die Hälfte der weltweiten Verkäufe von E-Wagen im 2018. China sorgt für den weltweiten Durchbruch der Stromfahrzeuge. Die Regierung will sie zum Standard machen und das Land in dem Markt eine führende Stellung sichern.

Die Pläne Pekings setzen die globale Autoindustrie unter Druck, auf den Elektroantrieb zu setzen. China – grösster Automarkt der Welt – ist auch für Volkswagen, General Motors oder Mercedes das wichtigste Verkaufsland. Fast alle grossen Anbieter planen mit Blick auf China eine E-Auto-Modelloffensive. Auch der führende US-E-Autohersteller Tesla kann sich dem Sog nicht entziehen: Seit kurzem produziert er sein Model 3 auch in einer Fabrik bei Shanghai.

Ausländische Hersteller treffen in China auf viel Konkurrenz: 486 heimische E-Auto-Hersteller gibt es laut der Agentur Bloomberg derzeit, bekannt sind etwa Nio, Byton oder Lucid Motors. Auch beim Geschäft unter der Haube dominiert «Made in China»: China hat in der ganzen Lieferkette für E-Autos eine Schlüsselposition. Die wichtigsten Batteriehersteller und andere Zulieferfirmen sind in dem Land zu Hause.

epa07014819 Electric vehicles are lined up in front of the New York Stock Exchange leading up to the initial public offering of NIO Inc., a Chinese electric-vehicle company, in New York, New York, USA, on 12 September 2018. The company, which has been compared to Tesla, is expected to raise around 1 billion USD / 860 million Euros.  EPA/JUSTIN LANE

Auto von Nio vor der New Yorker Börse: Das chinesische E-Auto-Unternehmen wird an der Wall Street gehandelt.

Quelle: Keystone

5. Film: «Die wandernde Erde»

Es ist keine gewagte Prognose: Aus China werden in den nächsten Jahren viele Film-«Blockbuster» kommen. Bereits heute ist das Land der wichtigste Markt für Filme weltweit.

Auch hinter den Kameras will China eine Führungsrolle einnehmen. China, so das Ziel der Regierung in Peking, soll spätestens 2035 der USA im Filmgeschäft ebenbürtig werden. Um heimische Produktionen zu fördern, dürfen pro Jahr nur 34 ausländische Filme über die Leinwände flimmern.

Auch die Privawirtschaft treibt das Filmschaffen voran: Alibaba, Tencent oder Baidu setzen auf Entertainment, um die Nutzer auf ihre digitalen Plattformen zu locken. So sind Alibaba und Tencent beispielsweise beim führenden Studio Huayi Brothers beteiligt.

Auch Chinas reichster Mann, Wang Jianlin, investiert mit seinem Konzern Wanda in das Bewegtbild: Seine Hendgdian World Studios und Qingdao Movie Metropolis zählen zu den grösste Filmstudios der Welt. Wang ging auch in Hollywood auf Einkaufstour und übernahm die Legendary Entertainment Studios.

Der Aufstieg Chinas zur Filmgrossmacht wird auch hierzulande deutlich: Seit Mai können Schweizer Netflix-Kunden auf dem Streamingdienst «Die wandernde Erde» sehen: Netflix hat den chinesischen Sci-Fi-Knüller weltweit lanciert – ein solches globales Debüt war bis jetzt vor allem US-Produktionen vorbehalten.

6. Tourismus: Die «grösste Reisegruppe aller Zeiten»

Der Eindruck täuscht nicht: Immer mehr Chinesen bereisen die Schweiz, für den hiesigen Tourismus ist China mittlerweile das fünfwichtigste Herkunftsland. Dabei ist die Schweiz aus chinesischer Sicht keine wichtige Destination, und auch Besuche in anderen europäischen Ländern kann sich erst eine Elite leisten: Nur zehn Prozent aller 1,4 Milliarden Chinesen besitzen einen Pass. Chinesen urlauben in erster Linie in China.

Letztes Jahr machten Chinesen 5,5 Milliarden Reisen im eigenen Land und über 140 Millionen ausserhalb der Landesgrenze. Seit 2012 steuert China laut der UNO-Tourismusorganisation UNWTO bereits am meisten zum globalen Tourismusgeschäft bei. Der Reiseboom steht erst am Anfang. Bereits 2020 dürfen die Zahl der Auslandsreisen 160 Millionen betragen, schätzt die Beratungsfirma McKinsey. Chinesen werden weltweit den Tourismus anfeuern.

(KEYSTONE/Christof Schuerpf)

Chinesische Touristen in Luzern: China ist mittlerweile fünfwichtigstes Herkunftland für den Schweizer Tourismus.

Quelle: Keystone
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