Überhitzen sich die Aktienmärkte gerade?
Der Markt überschlägt sich seit der US-Wahl. Man ist voller Illusionen, was Donald Trump als Präsident alles anstellen wird – Infrastrukturprojekte, Steuern senken. Das würde die Wirtschaft durchstarten lassen. Gesehen haben wir davon noch nichts. Ich fürchte, dass der Markt zu begeistert reagiert hat. Aber es ist nicht die Zeit, die Beine in die Hand zu nehmen.

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Was meinen Sie damit?
Kein Grund, Aktien abzustossen und Gold zu kaufen. Man muss nur vorsichtig sein. Manche Unternehmen sind überbewertet, andere sehen recht preiswert aus.

Hedgefonds hinken der Börsenentwicklung hinterher. Seit acht Jahren laufen sie schlechter als der S&P 500. Macht sich die Branche überflüssig?
Hedgefonds werden überleben. Sie liefern den Stossdämpfer gegen die Volatilität an den Börsen. Sie bringen Rendite, wenn alles andere in den Keller geht.

Calpers, der Pensionsfonds des US-Bundesstaats Kalifornien, ist da anderer Meinung und investiert nicht mehr in Hedgefonds.
Das Hedgefonds-Portfolio von Calpers war sehr unübersichtlich und lieferte schlechte Erträge. Sie waren in viele verschiedene Dachfonds für Hedgefonds investiert und hielten zusätzlich direkte Hedgefonds-Investments. Weil die Erträge so niedrig sind, ist es schwierig, die geforderten Gebühren zu rechtfertigen. Ich finde, sie hätten ihr Portfolio verbessern können, statt alles dichtzumachen.

Wie denn?
Das Geschäftsmodell der Hedgefonds muss überholt werden. Ihre Gebührenstruktur macht angesichts ihrer Erträge keinen Sinn. Calpers startete einen Trend – jetzt läuft eine Schockwelle durch die gesamte Szene. Jeder Chefinvestor eines öffentlichen Fonds muss sich vor seinem Aufsichtsrat für seine Hedgefonds rechtfertigen. Das ist sehr gesund.

Was für Strategien sind derzeit gefragt?
Gerade startet eine Reihe von Hedgefonds, die Gelegenheiten auf den Kreditmärkten ausnutzen. Und Quant-Investoren sind gefragt, die Computer-Algorithmen entwickeln, die Ineffizienzen am Markt ausnutzen. Dagegen will keiner mehr aktives Management – insbesondere in US-Aktien.

Vielen aktiven Fonds scheinen auch die Ideen auszugehen.
Über die letzten vier Jahre hinweg spulten die grossen Hedgefonds verstärkt dieselben Investmentideen ab. Zum einen gibt es weniger börsenkotierte Unternehmen. Zum anderen handelt es sich beim Asset Management um einen sehr homogenen Club – kein Wunder, dass die alle dieselben Anlageideen gut finden.

Auch die Personalpolitik scheint überall gleich. Bill Ackman, David Einhorn oder Paul Singer – sie alle sind mehr oder weniger grauhaarige Männer. Frauen sind bei Hedgefonds die Ausnahme. Warum?
Es liegt in der menschlichen Natur, Leute einstellen zu wollen, die aussehen wie man selbst, am besten von der gleichen Uni und im gleichen Sport aktiv. Aber warum würde man sich auf einen so engen Kreis limitieren? Das Wort Diversifizieren gehört zum ABC der Investmentwelt. Das muss man auch auf seine Mitarbeiter anwenden. Die Firmen sollten nicht warten, bis sie die Quittung kriegen.

Als erfolgreiche professionelle Anlegerin sind Sie eine Rarität: Wall Street verwaltet 71,4 Billionen Dollar – und Frauen verantworten davon nur 1,1 Prozent.
Nicht nur verwalten Frauen nur 7 Prozent aller US-Fonds, sie verwalten dazu auch vergleichsweise weniger Geld. Dabei ist es belegt, dass gemischte Teams von Männern und Frauen bessere Ergebnisse erzielen. Börsennotierte Unternehmen mit mehr Frauen in Führungspositionen und im Aufsichtsrat schneiden besser ab als die, bei denen Männer dominieren. Das zeigen Studien von McKinsey, Morningstar, Credit Suisse. Jeder Gründer, mit dem ich je gesprochen habe, beteuert, dass er mehr Frauen einstellen will. Nur findet er keine qualifizierten. Da will ich Abhilfe schaffen.

Wie denn?
Mit meiner Initiative Girls Who Invest löse ich das Pipeline-Problem. Ich finde talentierte Frauen – und die Hedgefonds-Szene stellt sie ein. Wir organisieren ein zehnwöchiges Programm für frischgebackene Studentinnen. Erst vier Wochen Theorie, dann sechs Wochen Praxis mit einem bezahlten Praktikum bei einem der besten Asset Manager Amerikas. Dieses Jahr nehmen schon sechzig Studentinnen teil. Wir werden sie durch ihre Karriere hindurch als Netzwerk begleiten. Unsere Branche versteht das Problem. Tief in meinem Herzen wusste ich, dass wir hervorragende Mädchen finden würden. Es geht darum, diesen Frauen Zugang zu einer Welt zu verschaffen, deren Türen verschlossen waren. Die Zeit ist reif.

Liegen die Probleme nicht tiefer? Gegenüber Frauen gibt es viele grobe Vorurteile.
Im Kern geht es um ein schwierigeres Thema. Bei etlichen Firmen sind Frauen nicht sehr willkommen. Führende Geldverwalter fragen mich oft, wovon ich rede. Da erzähle ich ihnen die Erfahrungen aus meiner Karriere.

Die wären?
Sport spielt eine grosse Rolle. Wer sportlich ist, wird auf Tennis-Matches und Baseball-Outings mitgenommen. Plötzlich steht man mit Führungskräften zusammen und lernt sie persönlich kennen. Als gute Athletin war das für mich vorteilhaft. Aber andere waren ausgeschlossen. Viel Geschäft wird über Cocktails abgeschlossen. Da lädt ein verheirateter Chef mit Kindern eine junge, unverheiratete Kollegin ein. Beide fühlen sich unwohl, weil man diese Treffen intimer auslegen könnte, als sie tatsächlich ablaufen. Deshalb kommt die junge Kollegin vielleicht gar nicht – und findet keinen Mentor. Dann wundern sich alle, warum nur Männer befördert werden.

In kaum einem Beruf ist Erfolg so klar zu messen wie im Asset Management. Diese Objektivität müsste Frauen doch helfen.
Die Performance bietet einen objektiven Massstab. Und trotzdem gibt es immer Subjektivität bei Gehaltsentscheidungen und Beförderungen – und da ziehen Frauen den Kürzeren. Auch wenn eine Frau eine gute Erfolgsbilanz hat, zögern viele, ihr einen eigenen Fonds anzuvertrauen. Die Chefs fragen sich, ob sie als Frau viel Geld einsammeln kann. Männer sind leichter zu vermarkten – selbst mit schlechterer Performance.

Eine schwedische Studie untersuchte ein Panel von Risikokapitalgebern, die Firmengründer beurteilten. Bei gleicher Qualifikation wurde ein junger Mann als vielversprechend eingeschätzt, eine junge Frau dagegen als unerfahren. Frauen wurden durch eine graue Brille betrachtet, Männer durch eine rosafarbene – obwohl zwei Frauen und fünf Männer im Panel sassen.
Ich höre oft, dass zwei Frauen in einem Aufsichtsrat kein Gehör finden. Erst bei drei Frauen ändert sich die Dynamik so, dass die Ideen der Frauen auch gehört und angenommen werden: 30 Prozent weibliche Repräsentation scheint die kritische Masse zu sein.

Sind Frauen denn bessere Investoren?
Das würde ich nie sagen. Auch wenn Studien belegen, dass weibliche Fondsmanager eine bessere Performance abliefern als männliche. Ich bin überzeugt, dass Frauen und Männer gemeinsam eine bessere Perfomance erzielen. Biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau sind wissenschaftlich belegt und sie lassen beide auch anders an den Börsen handeln. Der höhere Testosteronhaushalt lässt Männer häufiger kaufen und verkaufen. Das muss nicht zu mehr Verlusten führen, aber es kreiert höhere Transaktionskosten, die die Performance hemmen. Frauen denken langfristiger und achten mehr aufs Risiko. Ich machte persönlich die Erfahrung, wie gut Männer und Frauen als Tandem arbeiten, als mein damaliger Chef Larry Schloss und ich für New York City die Pensionsgelder anlegten. Manchmal verlor Larry die Geduld und wollte unbedingt etwas traden und ich bremste ihn. Oder ich war störrisch und weigerte mich, eine Entscheidung zu fällen – bis er mich überzeugte. Unsere Debatten halfen uns. Gemeinsam steigerten wir die Zehnjahres-Performance in vier Jahren von 3 auf 7,5 Prozent.

Die prominentesten Hedgefonds-Manager sind die Aktivisten. Da fallen mir nur Männer ein - Carl Icahn zum Beispiel. Sind Frauen für diesen Stil nicht aggressiv genug?
Ich kenne sehr gute weibliche Anleger-Aktivisten. Unabhängig vom Geschlecht ist die Frage, ob man laut und aggressiv sein muss, um als Aktivist erfolgreich zu sein. Leise Aktivisten erzielen auch sehr gute Erfolge. Talentierte Aktivisten müssen nicht wütend auf den Tisch hauen, den Aufsichtsrat auf den Kopf stellen oder eine Show veranstalten. Sie erreichen ihre Ziele ohne öffentliches Aufsehen.

Unter den vierzig bestverdienenden Hedgefonds-Managern ist nur eine Frau, Leda Braga. Sie lebt in Genf und hat noch nie mit der Presse gesprochen.
Ich kenne Leda gut – sie ist ein Rockstar. Wir investierten in ihren BlueTrend-Fonds, als ich für den Pensionsfonds von New York City arbeitete. Sie ist sehr zurückgezogen und nimmt nur wenige Worte in den Mund. Leda ist talentiert, smart und umsichtig. Sie war Teil eines grösseren Fonds, BlueCrest. Mit ihrem systematischen Fonds BlueTrend managte sie zum Höhepunkt 15 Milliarden Dollar. Dann machte sie sich mit ihrem Fonds Systematica selbstständig und nahm viele Kunden mit. Der läuft richtig gut. Leda weiss Bescheid über Girls Who Invest und ich würde es gern sehen, dass sie sich bei uns engagiert.

Was ist Ledas Erfolgsgeheimnis? Unter Quants gibt es noch weniger Frauen als bei fundamental anlegenden Fonds.
Es geht um Algorithmen und Software. Es gibt schon eine Handvoll berühmte weibliche Quants – Anne Denning von DE Shaw etwa. Sie ist eine der mächtigsten Frauen in diesem Geschäft – und DE Shaw ist Gründungsmitglied von Girls Who Invest.

Hat es Ihrer Bewegung für Frauen im Portfolio-Management geholfen, dass Hillary Clinton die US-Wahlen verlor? Haben Frauen nun einen stärkeren Drang, einander zu helfen?
Ich war enttäuscht von den Wahlergebnissen. Vielleicht war das ein Weckruf für manche Frauen – aber viele Frauen arbeiten schon sehr lange an diesen Themen und bereiteten uns den Weg, auch Hillary Clinton. Ich hoffe nur, dass wir uns nicht rückwärts bewegen, wie unsere Regierung manchmal anklingen lässt.

Als Chefanlagestrategin der Stadt New York waren Sie für 160 Milliarden Dollar verantwortlich. Waren Sie damit die Frau mit der Verantwortung für das meiste Geld?
Nein, wir waren zu der Zeit der viertgrösste öffentliche Pensionsfonds und Vicky Fuller von New York State verantwortete den drittgrössten Fonds. Danach kommt allerdings erst wieder auf Platz 23 oder 24 eine Frau. Als Larry Schloss mich für die Stadt einstellte, war ich für das grosse Portfolio von börsennotierten Aktien zuständig und baute das Hedgefonds-Portfolio von null auf. Das repräsentierte 90 Milliarden von insgesamt 160 Milliarden Dollar. Als Larry zurück in die Privatwirtschaft wechselte, übernahm ich als CIO die Gesamtverantwortung.

Was begeistert Sie am Geldanlegen?
Eigentlich wollte ich Rechtsanwältin werden, aber ich verliebte mich in die Märkte, als ich bei DLJ an der Wall Street arbeitete. Viele junge Frauen sagen mir, dass Geld allein sie nicht motiviert. Sie wollen etwas Positives bewirken. Doch genau das kann man als Investor. Ich war als CIO der Stadt New York verantwortlich für die Pensionen von 700 000 Lehrern, Feuerwehrleuten und Polizisten – damit die sich eines Tages zur Ruhe setzen können.

Aber beschert solche Verantwortung nicht oft schlaflose Nächte?
Mir sind viele graue Haare gewachsen. Aber ich würde nichts anderes tun wollen. Wenn ein Polizist oder Feuerwehrmann im Job starb, war ich dafür zuständig, dass seine Familie versorgt war. Das machte meinen Job so wichtig. Für solch ein Ziel bleibe ich nachts gern wach.

Ist dieser Job bei den niedrigen Zinsen denn überhaupt möglich?
Natürlich ist es eine enorme Herausforderung für Pensionsfonds, ihre Zielrendite von 6 bis 7 Prozent zu erwirtschaften, wenn die Zinsen so niedrig sind. Aber im zwanzigjährigen Durchschnitt hat die Stadt New York 8 Prozent pro Jahr erwirtschaftet. Jetzt ist die Zeit für innovative Ideen. Das traditionelle Zeug bringt einen nicht sehr weit.

Deshalb bauen Sie jetzt Ihre eigene Plattform zur Gründung von Hedgefonds auf – Seven-Step Capital.
Die Idee hatte ich, als ich für die Stadt Hedgefonds suchte, die von Frauen oder Minderheiten gemanagt werden – eine Vorgabe in unserem Mandat. Andere Pensionsfonds haben das gleiche Problem. Deshalb will ich helfen, sie zu gründen. Wir finden die Talente und statten sie mit Kapital und operativer Unterstützung aus. Das Talent sitzt in den grossen Hedgefonds – die Welt kennt deren Gründer, aber nicht die Menschen hinter den einzelnen, starken Portfolios. Die sitzen da mit ihrer Erfahrung und fragen sich, ob es funktionieren würde, ihren eigenen Fonds aufzumachen. Das Schwierigste ist, Investoren zu finden, gerade als Frau.

Und Sie gehen anders mit den Gebühren um als klassische Hedgefonds?
Es ist mir noch immer wichtig, gute Renditen für öffentliche Pensionsfonds zu erwirtschaften. Die Gebühren haben da wesentlichen Einfluss. Deshalb fängt bei SevenStep die Management-Gebühr niedrig an und sinkt weiter, während die Summe der verwalteten Gelder steigt. Ein Investor sollte hart arbeiten, um seine erfolgsabhängige Gebühr zu erzielen, und nicht komfortabel von der Management-Fee leben. Als SevenStep teilen wir unseren 20-Prozent-Anteil an den Gebühreneinnahmen unserer Manager zu grossen Stücken wieder mit unseren Anlegern. Ziel ist, dass die nach sechs bis acht Jahren gar keine Gebühren mehr bezahlen.

Wie investieren Sie selbst?
Ich werde einen Grossteil meines liquiden Vermögens bei SevenStep anlegen. Ausserdem besitze ich ein diversifiziertes Portfolio zwischen Aktien und Anleihen, US- und Nicht-US-Aktien, Kommunalanleihen, ein wenig Hochzinsanleihen. Wo ich weiss, dass die Märkte sehr effizient sind – Large Cap US Equities zum Beispiel –, da investiere ich in Indizes. Passiv zahle ich weniger Gebühren für dieselbe Performance. Bei Small oder Mid Caps hingegen glaube ich, dass es einige Manager gibt, die die Benchmarks sehr wohl schlagen können.

Was machen Sie für Ihre Eltern? Minizinsen sind besonders schwierig für Rentner.
Meine Mutter ist achtzig – ihr Geld ist entsprechend risikoarm angelegt. Mein Vater war Ingenieur und kam vor fünfzig Jahren mit 8 Dollar in der Tasche aus Indien in die USA. Meine Mutter fing als Immobilienmaklerin an. Sie kämpfte dafür, dass jeder, der es sich leisten konnte, sich auch überall ein Haus kaufen durfte – unabhängig von seiner Abstammung. In gewisser Weise trete ich genau in ihre Fussstapfen, wenn ich mich für mehr Diversität im Asset Management einsetze.

* Die indischstämmige Amerikanerin Seema Hingorani verantwortete als Chief Investment Officer der Stadt New York mit 160 Milliarden Dollar einen der grössten öffentlichen Pensionsfonds Amerikas. Sie will die Szene diverser machen und gründete dafür die Non-Profit-Initiative Girls Who Invest, die Studentinnen an Jobs in der Investmentbranche heranführt. Zugleich startete sie die Seeding-Plattform SevenStep Capital: Hier ermöglicht sie Talenten aus der Industrie, ihre eigenen Hedgefonds zu eröffnen – mit einer so niedrigen Gebührenstruktur, dass sie die Szene auf den Kopf stellen könnte.