Rund 800 Milliarden Franken. Neben diesen Devisen- und Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank (SNB) nehmen sich selbst die Vermögen von Jeff Bezos, Bill Gates oder Warren Buffett, den drei reichsten Menschen der Welt, geradezu mickrig aus. Zusammengezählt erreicht deren Reichtum nämlich nur einen Drittel der SNB-Devisenreserven. Ein weiterer Unterschied: Die Notenbank ist mehr oder weniger über Nacht zu ihrem Riesenschatz gekommen. Als Folge der Finanzkrise von 2008 und der Aufhebung des Euro-Mindestkurses 2015 schnellten ihre Reserven innerhalb von zehn Jahren von 47 auf 800 Milliarden in die Höhe.

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Logisch, dass ein solcher Riesenschatz immer wieder Begehrlichkeiten von allen Seiten weckt. Zumal die Notenbank mit ihren Milliarden im Rahmen ihres Auftrags eigentlich tun kann, was sie will. Gemäss den vor 14 Jahren erlassenen Anlagerichtlinien ist die SNB befugt, ihre Anlagestrategie und -politik eigenständig festzulegen. Allerdings nur, sofern dies im Sinne ihrer Geldpolitik ist. Bei der Anlage in Währungen und in festverzinsliche Wertpapiere, die 80 Prozent der Devisenreserven ausmachen, nutzen die Währungshüter ihren grossen Spielraum auch. Sie bestimmen die Anlagepolitik eigenständig. «Ja, sowohl die Bestimmung der Asset- und Währungsallokation erfolgt aktiv wie auch deren Umsetzung im Bereich der Festverzinslichen», so das offizielle Statement der SNB.

«Die Anlagepolitik steht im Dienst der Geldpolitik»

Bei den Aktien, die derzeit 20 Prozent der Devisenreserven oder rund 160 Milliarden Franken ausmachen, haben sich die Währungshüter dagegen freiwillig Schranken gesetzt. Hier verfolgen sie einen möglichst neutralen Investitionsansatz und hier erfolgt die Umsetzung prinzipiell passiv. Mit dem Verzicht auf eine positive oder negative Titel- oder Sektorselektion soll erstens eine breite Diversifikation sichergestellt, zweitens der Einfluss auf einzelne Märkte möglichst gering gehalten und drittens die Anlagepolitik vor politischen Überlegungen aller Art abgeschirmt werden.

Die Anlagepolitik muss aber zunächst und in allererster Linie darauf ausgerichtet sein, die Nationalbank in der Erfüllung ihres Hauptauftrags zu unterstützen. «Die Anlagepolitik steht also gewissermassen im Dienst der Geldpolitik», erläuterte SNB-Präsident Thomas Jordan an der Generalversammlung vor den Aktionären. Alles, was die Geldpolitik erschweren würde, sei zu unterlassen.

Dieses übergeordnete Ziel und das prinzipiell passive Anlegen im Aktienbereich werden durch mehrere Ausschlusskriterien ergänzt: «Zur Vermeidung möglicher Interessenkonflikte verzichten wir auf Aktien internationaler mittel- und grosskapitalisierter Banken sowie bankähnlicher Institute. Die Nationalbank kauft zudem keine Titel von Unternehmen, die international geächtete Waffen produzieren. Zudem schliessen wir auch Unternehmen aus, die grundlegende Menschenrechte massiv verletzen oder die systematisch gravierende Umweltschäden verursachen», präzisiert der SNB-Präsident.

Kritik an der Negativliste

Scheinbar wäre damit alles klar. Das grundsätzlich passive Agieren bei den Aktienanlagen und die Negativliste müsste den notorischen Kritikern der Anlagepolitik der Nationalbank eigentlich den Wind aus den Segeln nehmen. Tut es aber nicht. Denn gerade eine Liste mit «Unberührbaren» ruft je nach politischer Grosswetterlage regelmässig nach einer Erweiterung, wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat: «Klimasünder müssten für die SNB dringend und zwingend ebenfalls tabu sein», fordern SP-Nationalrat Beat Jans und verschiedene Umweltorganisationen mit Nachdruck. «Kernwaffenproduzenten gehören ebenfalls von der Liste der möglichen Aktien gestrichen», reklamiert die Gruppe für die Schweiz ohne Armee (GSoA). Tenor der Kritiker: Grosse Investoren hätten eben auch eine grosse anlegerische Verantwortung. Apolitisches Investieren gebe es nicht. Bürgerliche Politiker halten es dagegen für grundlegend falsch, der Notenbank zusätzlich zu ihrem Auftrag noch gesellschaftspolitische Anliegen aufzutragen.

Aktienlage der SNB

Beachtliche Rendite
Strategie Trotz den vielen Vorgaben, die die SNB bei ihren Aktienanlagen berücksichtigt, hat sie ihre Aufgaben offenbar gut gelöst: Seit dem Jahr 2005, seit die Nationalbank überhaupt in Aktien investieren darf, hat sie auf ihren Aktienanlagen eine Rendite von respektablen 4,0 Prozent pro Jahr erreicht. Könnten dank der klaren Strategie die Aktienanlagen der SNB nicht automatisiert verwaltet werden? Die Antwort ist deutlich: «Nein, solche Pläne gibt es nicht und machen angesichts der Komplexität auch keinen Sinn. Mit dem gegenwärtigen Ansatz ist dir Bewirtschaftung der Aktien schon heute sehr effizient möglich», erklärt der Währungshüter. 

Angesichts dieser Kritik versuchen die Währungshüter bei ihrer Anlagepolitik mit möglichst ruhiger Hand vorzugehen. «In den letzten Monaten haben wir keine Veränderungen an der Negativliste vorgenommen», erklärt Andréa Maechler, Mitglied des SNB-Direktoriums. Die Einwände von aussen sollen aber nicht einfach weggewischt werden: «Die Richtlinien und Ausschlusskriterien für Anlagen werden regelmässig in einem zweistufigen Prozess überprüft», gibt die SNB zu Protokoll. Der erste Schritt enthalte die Sichtung und Nutzung öffentlich zugänglicher Informationen, um Firmenausschlüsse vorzuspuren. In einem zweiten Schritt werde dann umfassend beurteilt, ob Streichkandidaten auch ausgeschlossen werden sollen.

Forderung nach Klimaverträglichkeit

Gemäss Jordan stützt sich die SNB bei diesen Verfahren auf die Empfehlungen anerkannter externer Experten. Welche Titel sich auf der Liste der Ausgeschlossenen befinden und wie viele es sind, gibt die SNB aber nicht preis. Über den Umweg der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC ist aber bekannt geworden, dass sich im Portefeuille der SNB auch Titel wie Boeing, Raytheon oder Northrop Grumman befinden. Das sind Firmen, die auch Waffen produzieren. Aber keine geächteten, sagt die Notenbank.

Aktuell im Raum stehen Forderungen nach grösserer Klimaverträglichkeit im SNB-Portfolio. Dem Ende 2017 gegründeten Netzwerk von Notenbanken und Bankaufsichtsbehörden (NGFS), das sich mit der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens befasst, ist die SNB aber bisher nicht beigetreten. Diesem Netzwerk gehören mittlerweile 18 Institutionen an, darunter die Notenbanken Deutschlands, Englands, Frankreichs und die Europäische Zentralbank. Ob sie diesem Netzwerk später beitreten wird, lässt die SNB offen: «Wir stehen mit den Vertretern des NGFS aber schon heute in engem Kontakt.» Dass andere Notenbanken oder der norwegische Staatsfonds ethische und ökologische Ausschlusskriterien besser und konsequenter umsetzen, bestreitet die SNB: «Mit dem norwegischen Staatsfonds können wir nicht verglichen werden, denn die Bewirtschaftung von Devisenanlagen folgt doch anderen Kriterien als jene eines Staatsfonds.» Und inwiefern andere Institute die Ausschlusskriterien besser umsetzten, sei eben oft eine Frage der politischen Position.