Die hochnervöse Stimmung, die derzeit an der Wall Street herrscht, wird nur ein paar Strassenecken weiter von Euphorie abgelöst. Bei Christie‘s ist die Investorenwelt noch in Ordnung. Beinahe im Wochentakt feiert das Auktionshaus neue Rekorde. Für 12,8 Mio Dollar wurde bei der Asian Art Week ein über 800 Jahre alter Buddha aus Holz versteigert. Veranschlagt waren 1,5 bis 2 Mio Dollar. Die Skulptur ist damit das teuerste japanische Kunstwerk aller Zeiten. Bis jetzt –denn der Kunstmarkt boomt auf nationalem wie internationalem Parkett.

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Die Marktgiganten Christie‘s und Sotheby‘s verkauften im vergangenen Jahr Kunst für insgesamt 12,5 Mrd Dollar. Sotheby‘s konnte damit ihren Gewinn verdoppeln. Und auch 2008 lief ausgesprochen gut an. Bei der Londoner Auktion zeitgenössischer Kunst Anfang Februar drängten sich 1400 Kunden in den Versteigerungsräumen von Christie‘s. Ganze 225 Mio Pfund (463 Mio Fr.) wurden dabei in einer Woche umgesetzt. Im Vorjahr waren es noch 200 Mio Pfund gewesen.

Jonathan Meese und Neo Rauch

Die Krise an den Finanzmärkten hat sich demnach auf das Kunstgeschäft nicht ausgewirkt. Im Gegenteil: Immer mehr Anleger suchen nach Möglichkeiten, in Kunst zu investieren, da der Markt vermeintlich permanenten Wertzuwachs verspricht. Die Zahl der Kunstkäufer im Spitzensegment stieg in den vergangenen fünf Jahren insgesamt um 200%.Kunsthistorikerin Christina Schroeter-Herrel leitet die Kunstberatung der Deutschen Bank. Sie kann diesen Trend bestätigen. «Die Nachfrage nach Kunst ist gross und steigt stetig weiter an», sagt sie. Vor allem zeitgenössische Werke zögen viel Aufmerksamkeit auf sich und hätten in einigen Bereichen gigantische Preiserhöhungen verzeichnet. Beispielhaft für solch herausragende Entwicklungen in diesem Segment seien etwa Künstler wie Jonathan Meese und Neo Rauch.Die Deutsche Bank verfügt neben ihrer Kunstsammlung von rund 50 000 Werken über eine eigene Abteilung von Kunsthistorikern, die private Sammler beraten und Bestände schätzen. Die Experten empfehlen Künstler und Werke, besuchen gemeinsam mit Kunden Messen wie die Art Cologne vergangene Woche und helfen, Sammlungen zu vervollständigen.

Handskizzen sind Schnäppchen

Bei Kauf rät Schroeter-Herrel ihren Kunden, stets den Blick für unterschiedliche Kunstrichtungen zu sensibilisieren und sich über einen längeren Zeitraum mit Künstler und Werk auseinanderzusetzen. Neben hochwertiger zeitgenössischer Kunst, für die sich 70% ihrer Kundschaft interessieren, hält sie die Kunst der Antike für eine sichere Wertanlage. «Generell gilt, dass Bereiche, deren Entwicklung lange beobachtet werden konnte, mit weniger Risiko behaftet sind», erklärt sie. Zudem habe die Kunst der Antike eine starke Wertentwicklung erfahren: «Römische Skulpturen, die noch vor zehn Jahren für 30 000 Euro zu haben waren, kosten heute oft das Fünffache.» Und das Angebot an antiker Kunst wird knapper.Daneben empfiehlt die Kunsthistorikerin den lange vernachlässigten Bereich der Handzeichnungen meistens Bleistift- oder Kreideskizzen. «Auf Auktionen oder Messen kann man noch herausragende Werke zu verhältnismässig günstigen Preisen erwerben», sagt sie. Attraktive Zeichnungen aus dem 20. Jahrhundert seien teilweise schon für 1500 Euro zu haben. Und die angezogene Nachfrage würde auch für starke Preisanstiege sorgen. Belebt wird der Markt auch durch die Globalisierung. Kamen 2003 die Käufer hochpreisiger Kunst nur aus 36 unterschiedlichen Ländern, sind es heute bereits 58. Vor allem der asiatische Kunstmarkt boomt. Als besonders erfolgreich zeigt sich hier laut Schroeter-Herrel etwa der japanische Künstler Takashi Murakami, dessen bunte Panda-Skulptur gerade bei Phillips de Pury für umgerechnet 1,5 Mio Euro versteigert wurde. Das zeigt die rasant steigenden Gewinnchancen von Kunstwerken und dass sich die Grenzen zwischen Liebhaber und Anleger verwischen. Nicht von ungefähr ist der Weg von der Wall Street zu Christie‘s nur 5,6 Meilen kurz. Ein Spaziergang und vielleicht eine abwechslungsreiche Alternative für krisengeschüttelte Wall-Street-Aktionäre.