Ein Unternehmen, das die Aufnahme in den wichtigsten helvetischen Börsenbarometer, den Swiss Market Index (SMI), anstrebt, muss vor allem zwei Kriterien erfüllen: Es muss erstens eine sehr hohe Börsenkapitalisierung aufweisen. Wer einen Titel aus dem SMI verdrängen möchte, sollte derzeit ein Marktgewicht von mindestens 11 Milliarden Franken auf die Waage bringen.

Das allein genügt aber noch nicht. Der entsprechende Titel muss zusätzlich rege gehandelt werden. Erst ab einem monatlichen Börsenvolumen von 700 bis 800 Millionen Franken, neben einer stattlichen Börsenkapitalisierung, darf sich ein Unternehmen realistische Chancen für den Aufstieg in die oberste Schweizer Börsenliga ausrechnen. Schliesslich gibt es für SMI-Titel noch eine Art Heimatschutz: In den SMI aufgenommen werden nur Titel von Unternehmen, die ihren Unternehmenssitz in der Schweiz oder in Liechtenstein haben.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Adieu Syngenta und Actelion

Die Zusammensetzung des Schweizer Leitindex wird jährlich von der Indexkommission der Schweizer Börse überprüft. Die aktuelle Börsenkapitalisierung und das Handelsvolumen des vergangenen Jahres entscheiden über den Verbleib, das Ausscheiden oder den Aufstieg eines börsenkotierten Unternehmens. Als letzte zwei Unternehmen wurden im Frühjahr der Basler Feinchemikalienhersteller Lonza und der Bauchemikalienhersteller Sika in den SMI aufgenommen. Allerdings nur weil sich Syngenta und Actelion vom Börsentableau verabschiedet hatten, nachdem beide Unternehmen von ausländischen Firmen übernommen worden waren.

Die Beispiele der Aufsteiger Sika und Lonza zeigen exemplarisch, welche Charakteristika Unternehmen aufweisen müssen, um in den SMI zu gelangen. Momentan haben besonders drei Konzerne Chancen, in den Leitindex aufzurücken. Mit Blick auf die Börsenkapitalisierung und das Handelsvolumen im laufenden Jahr hat das Logistikunternehmen Kühne + Nagel die Nase vorn, gefolgt vom rasant wachsenden Private-Equity-Spezialisten Partners Group und dem Hörgerätehersteller Sonova. Alle drei Gesellschaften weisen ein stimmiges Geschäftsmodell auf und die Aktien zählten zuletzt zu den kursmässigen Überfliegern.

Zum erweiterten Aufnahmekandidatenfeld zählen Ems-Chemie, Lindt & Sprüngli sowie das Basler Chemieunternehmen Clariant, das dem SMI bereits einmal angehört hat. Und falls Vifor, die ehemalige Pharmatochter der Galenica-Gruppe, ihre ehrgeizigen Ziele erreicht, wäre auch für dieses Unternehmen ein Aufstieg in die oberste Börsenliga in den nächsten Jahren möglich.

Im SMI herrscht reger Betrieb

Auf den ersten Blick hat sich der «Smiley» in den 29 Jahren seit der Gründung nicht gross bewegt. Doch der Eindruck täuscht. Wer die Geschichte des SMI im Langfristvergleich genauer betrachtet, kommt im Gegenteil zur Auffassung, dass seit der Lancierung kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Lediglich drei der Gründungswerte, namentlich Nestlé, Roche und Zurich, sind nach wie vor Bestandteil des Blue-Chip-Barometers.

Eine ganze Reihe von Unternehmen haben fusioniert (beispielsweise Ciba-Geigy und Sandoz zu Novartis oder Bankverein und Bankgesellschaft zu UBS), viele wurden von ausländischen Konkurrenten übernommen wie Syngenta, Actelion oder Jacobs Suchard. Andere wechselten bloss den Namen wie Swiss Re ( früher Schweizer Rück) oder Swatch (SMH). Nur ein einziges SMI-Gründungsmitglied ist ganz von der Bildfläche verschwunden: ausgerechnet die einst hochgelobte nationale Airline Swissair, die 2001 unter nationalem Heulen und Zähneklappern den Betrieb einstellen musste.

Übereinstimmungen von heute und damals

Wer genauer hinschaut, bemerkt allerdings auch erstaunliche Übereinstimmungen von heute und damals - vor allem bei den Index-Schwergewichten: Heute bringen die grossen Vier, also Roche, Nestlé, Novartis und UBS, knapp zwei Drittel der SMI-Gesamtkapitalisierung auf die Waage - also lediglich 3 Prozentpunkte mehr, als diese damals noch sechs Unternehmen bei der Gründung des SMI Anfang 1988 schwer waren. Gemessen am Gewicht behauptet sich der Nahrungsmittelhersteller Nestlé zudem seit 29 Jahren als Nummer eins im Index, ebenso Roche als Nummer zwei.

Wie unschwer zu erkennen ist, gehen Anleger, die ihr Vermögen in den SMI investieren, also ein erhebliches Klumpenrisiko ein. Die Bereiche Nahrungsmittel, Pharma und Finanzen haben nämlich ein überproportional grosses Gewicht. Als Alternative zum SMI hat die Schweizer Börse deshalb 2007 den Swiss Leader Index (SLI) eingeführt, der dreissig Werte umfasst und in dem ein Titel höchstens mit 9 Prozent gewichtet werden kann.

SLI vor SMI im Langfristenvergleich

Und siehe da: Die bessere Diversifikation macht sich bezahlt. In Langfristvergleichen über 10 und 15 Jahre hat der SLI die Nase deutlich vor dem SMI. Doch wenn von der Schweizer Börse die Rede ist, bleibt der SMI trotzdem das Synonym. Und auf keinen anderen Schweizer Index basieren auch nur annähernd so viele Derivate wie auf den SMI. Das hängt vor allem damit zusammen, dass der SMI ein Preisindex ist, der die Dividendenzahlungen nicht berücksichtigt. Die Emittenten finanzieren mit diesen die Optionskomponenten der Zertifikate.

Doch die «Konstruktionsmängel» des SMI sind mittlerweile auch der Börse ein Dorn im Auge. Im laufenden Jahr hat sie deshalb einen neuerlichen Versuch unternommen, die Klumpenrisiken des Smiley zu reduzieren. Ab nächstem Montag wird das Gewicht der grössten Titel auf maximal 18 Prozent beschränkt. Potenziell betroffen von dieser Anpassung sind mittelfristig wohl lediglich Nestlé, Roche und Novartis. Sollte ein Valor wegen Kursgewinnen ein Gewicht von 20 Prozent übersteigen, würde dieser sogar zwischen den Indexüberprüfungen zurückgestutzt.

Insbesondere Emittenten von Finanzprodukten und Nutzer von Indexderivaten hätten den Wunsch geäussert, einen Blue-Chip-Index verwenden zu können, bei dem das Gewicht der grossen Titel gekappt wird. Einige Börsenanalysten wunderten sich, warum das Gewicht für SMI-Titel nicht auf maximal 10 Prozent begrenzt worden ist. Dann hätte es eine wirkliche Umverteilung im Schweizer Marktindex gegeben.

Das Regelwerk wird angepasst

In der Tat: Auch mit der neuen Regelung machen die drei Grossen im Leitindex immer noch über die Hälfte aus. Nach Angaben der Schweizer Börse war aber die mässige Kappung ein Wunsch von Banken und Anlegern. Immerhin: Mit dem angepassten Regelwerk steht der SMI im Einklang mit den Diversifizierungsgrenzen der europäischen ESMA- UCITS-Richtlinie und kann als Referenzindex für den Schweizer Aktienmarkt auch in der Europäischen Union genutzt werden.

Freunde des «alten» SMI müssen sich nicht grämen; weil bestimmte Marktteilnehmer nach Angaben der Schweizer Börse aber weiterhin einen nicht gekappten Index benötigen, wird zusammen mit der bevorstehenden Regeländerung ein neuer Index geschaffen, der von der Zusammensetzung her dem «alten» SMI entspricht.