Wenn Anlageberater über Risiko sprechen, dann ist die Welt meist noch einfach und unkompliziert: Staatsanleihen haben wenig Risiko, Schweizer Aktien sind schon riskanter und Aktien in Schwellenländern noch mehr. Entsprechend liegt die mittlere Rendite bei Staatsanleihen am niedrigsten, bei Schweizer Aktien etwas höher, und in Schwellenländern lässt sich am meisten Rendite erzielen, aber dafür müssen Investoren eben mehr Risiko eingehen.

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Flexible Risikostreuung

Wie passen nun strukturierte Produkte in dieses Schema? Die Antwort lautet: Gar nicht! Strukturierte Produkte sind ja gerade dafür geschaffen worden, durch komplexe Auszahlungsprofile eine flexible Risikosteuerung zu erreichen. Ihr Risiko lässt sich also nicht so einfach messen: Was für einen Anleger als risikoarm gilt, erscheint dem anderen vielleicht hochriskant. Trotzdem werden strukturierte Produkte gerne in dieselben Risikoklassen gepresst, die für «klassische» Anlageformen verwendet werden.

Dies kann zu bösen Überraschungen führen, wie ein Beispiel zeigt: Stability Notes sind ein neuerer Typ von strukturierten Produkten. Sie liefern regelmässige Couponzahlungen und volle Rückzahlung - es sei denn, es ereignet sich ein Börsencrash, d.h. der Aktienindex fällt innert eines Tages zum Beispiel um mehr als 10%. In diesem Fall wird die Rückzahlung reduziert und kann sogar ganz unterbleiben. Mit anderen Worten: Der Anleger kann seine gesamte Investition verlieren. Trotzdem werden diese Produkte oft in der niedrigsten Risikoklasse eingestuft! Als Argument dafür wird angeführt, dass die Verlustwahrscheinlichkeit des Produkts sehr gering ist. Dass jedoch im schlimmsten Fall ein Totalverlust droht, bleibt unberücksichtigt.

Ein Discountzertifikat (zum Beispiel auf den SMI) wird dagegen in klassischen Risikoklassen als riskanter eingestuft. Dabei müsste für einen Totalverlust der SMI um mehr als 100% fallen; der Maximalverlust ist also begrenzt. Anderseits ist ein kleiner Verlust um einiges wahrscheinlicher als im Falle der Stability Note.

Um sinnvoll über Risiko bei strukturierten Produkten sprechen zu können, müssen wir also zumindest zwei Arten von Risiko unterscheiden: Verlustwahrscheinlichkeit und Maximalverlust. Was von beiden wichtiger ist, hängt vom Anleger ab: Ein Anleger, der nur einen kleinen Teil seines Vermögens in ein strukturier- tes Produkt investiert, wird sich weniger um einen mögli- chen Maximalverlust Sorgen machen als ein Anleger, der seine gesamten Ersparnisse anlegen möchte.

Höhe von Verlust am wichtigsten

Bei einer Anlage in strukturierte Produkte sollte die Frage des tragbaren Maximalverlustes zunächst im Vordergrund stehen. Sie beeinflusst in erster Linie, welche Anlageformen aufgrund der Risikofähigkeit eines Anlegers in Frage kommen. Die Verlustwahrscheinlichkeit spielt aber für viele Anleger ebenfalls eine wichtige, oft auch psychologische Rolle: Ein Anleger, der schlaflose Nächte hat, weil sein Portefeuille (oder auch nur ein Teil davon) in der Verlustzone ist, sollte eine möglichst geringe Verlustwahrscheinlichkeit anstreben.

Im Extremfall (Kapitalschutzprodukt mit 100% Kapitalschutz unter Ausschluss des Emittentenrisikos) ist die Verlustwahrscheinlichkeit null, und trotzdem ist noch eine Partizipation am Aktienmarkt möglich.

Risikomatrix hilft weiter

Verlustwahrscheinlichkeit und Maximalverlust lassen sich für verschiedene Klassen von strukturierten Produkten in einem einfachen Diagramm, einer Risikomatrix, darstellen.

Dabei werden beide Grössen in vier Stufen eingeteilt, jeweils in Relation zum Basiswert: (Praktisch) null - weniger als der Basiswert - ähnlich dem Basiswert - höher als der Basiswert. Wie sich verschiedene Arten von strukturierten Produkten in dieser Risikomatrix darstellen lassen und wie man diese konkret bei einer Anlage in strukturierte Produkte verwendet, wird genauer in dem Buch «Optionen, Derivate und strukturierte Produkte - ein Praxisbuch» erläutert. Klar kann auch die Risikomatrix nicht alle Risiken perfekt erfassen.

Verlustwahrscheinlichkeit und Maximalverlust zusammen geben aber eine deutlich bessere Orientierungshilfe als die willkürliche Einreihung in traditionelle Risikoklassen.