Der feste Franken streut zwar Sand ins Getriebe, vom belastenden Einfluss des Wechselkurses einmal abgesehen bekommt die Schweizer Volkswirtschaft speziell im internationalen Vergleich aber nach wie vor zumeist gute Noten. Stützen lässt sich diese These beispielsweise darauf, dass die Schweiz zuletzt sieben Mal in Folge vom Weltwirtschaftsforum zum wettbewerbsfähigsten Land erklärt worden ist. 

Am Schweizer Aktienmarkt läuft es dennoch nicht mehr rund. Zumindest gilt das für Finanzwerte und begleitet von Novartis sowie Roche als führenden Standardwerten. In diesem Jahr steht für den Leitindex SMI ein deutliches Minus zu Buche, und die Notierungen bewegen sich auf einem Niveau, das bereits vor drei Jahren erreicht worden ist. Auch auf der Bewertungsseite kann die Schweizer Börse noch nicht glänzen. Die österreichische Erste Bank beziffert das Kurs-Cashflow-Verhältnis für 2016 im Schnitt auf 15,1 und das Kurs-Buchwert-Verhältnis auf 2,3. Das liegt über den europäischen Durchschnittswerten, die mit 8,6 und 1,6 angegeben werden. Beim geschätzten KGV stehen 17,0 für die Schweiz einem Wert von 15,3 für Europas Börsen gegenüber. Bewertungstechnisch gesehen besteht somit kein Anlass für eine zügige Kurstrendwende nach oben.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Titel aus der zweiten und dritten Reihe bevorzugen

Dennoch gibt es einen Bereich mit Potenzial. Die Analysten von Julius Bär beispielsweise sind allgemein für europäische Nebenwerte positiv gestimmt. Das gilt auch für die Schweiz, nachdem dieses Segment in den vergangenen drei Jahren eine klar überdurchschnittliche Entwicklung verglichen mit dem SMI erzielt hat. Hier spielt offensichtlich auch die Auslandsquote eine Rolle. So ermittelt Julius Bär für Schweizer Large Caps im Durchschnitt eine Inlandsquote beim Umsatz von nur 13 Prozent, während es schweizerische Mid Caps und Small Caps auf Anteile des Heimatmarktes von 40 und 55 bringen. Dies bedeutet, dass kleinere Unternehmen von der robusten Schweizer Wirtschaft profitieren. Nach Ansicht von Julius-Bär-Anlagestrategie Christoph Riniker stützt die erwähnte Umsatzverteilung Mid Caps aufgrund von Wechselkurseffekten dann, wenn der Dollar stärker wird und schwächt sie bei fallendem Dollar.   

Auf Branchenebene setzen die Julius-Bär-Experten dennoch auf den Industriesektor. Dennoch, weil Schweizer Industrieunternehmen den Grossteil ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaften. Für die meisten Titel ist dabei Europa der primäre Absatzmarkt, insbesondere Deutschland. So exportiert beispielsweise die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) rund 60 Prozent ihrer Produkte in EU-Länder. In Sachen Geschäftspotenzial scheint jedoch nach wie vor Asien mit China als Hauptmarkt die vielversprechendste Region zu sein. Die Fachleute erklären, der Entscheid der Schweizerischen Nationalbank vom Januar 2015, die Kursuntergrenze des Frankens gegenüber dem Euro aufzugeben, habe den Schweizer Industriesektor vor diesem Hintergrund erheblich beeinflusst. Die Schweizer MEM-Exporte gingen so 2015 gegenüber dem Vorjahr um 5 Prozent auf 63 Milliarden Franken zurück. Nach Angaben der Experten hat das grob einem Drittel der Schweizer Gesamtexporte (Uhren ausgenommen) entsprochen und lag deutlich unter dem Rekordstand des Sektors von 80 Milliarden Franken im 2008.

Industrieaktien hängen an den Wachstumsaussichten

Auf die Globalisierung reagieren auch die Schweizer Industrieunternehmen mit einem kontinuierlichen Ausbau ihrer geografischen Präsenz. Aufgrund des starken Frankens müssen sie dabei ihre Strukturen und Produktionsprozesse anpassen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Wurden Werke im Ausland ursprünglich gegründet, damit von niedrigeren Produktionskosten profitiert werden konnte, so geschieht es nach Ansicht von Britta Simon, Analystin für den Industriesektor bei Julius Bär, heute zunehmend, damit die lokale Nachfrage gedeckt werden kann und um mit der Abstimmung der Kostenstrukturen auf das Vertriebs- und Finanzierungsgeschäft in der jeweiligen Währung eine natürliche Währungsabsicherung zu erreichen.

Durch Innovation und Effizienzsteigerungen sowie durch die Digitalisierung in der Industrie entstünden überdies attraktive Chancen für die Unternehmen. Der schweizerische Industriesektor werde mit dem 1,1-Fachen des Unternehmenswertes gegenüber den Umsatzprognosen für 2016 und mit dem 16,7-Fachen der KGV-Schätzung für 2016 gehandelt, wobei Letzteres über dem langfristigen Durchschnitt liege. Die Aktienkurse dürften sich deshalb nach Einschätzung von Julius Bär eher am Aufwärtspotenzial der Gewinne als am Anstieg der Bewertungskennzahlen orientieren.

Georg Fischer – zunehmend Abkehr von stark zyklischen Bereichen

Auf der Ebene der Einzelwerte hebt Simon in einem Quartalsausblick auf das zweite Quartal mit Georg Fischer, Geberit und Forbo drei Aktien hervor.  Bei der aus den drei Divisionen GF Piping Systems, GF Automotive und GF Machining Solutions bestehenden Industriegruppe Georg Fischer (ISIN: CH0001752309) bezeichnet die Analystin die Ergebnisse für 2015 trotz wechselkursbedingter Probleme dank einer attraktiven Positionierung und wegen innovativer Produkte sowie strenger Kostenkontrolle als solide. Lobend hebt sie auch hervor, dass sich der 1802 gegründete Konzern in den vergangenen Jahren verstärkt auf weniger zyklische Endmärkte ausgerichtet habe und dass er seine geografische Präsenz ausgebaut und in der defensiven Rohrleitungssparte mittels Übernahmen expandiert habe.

Das habe zu höheren und weniger volatilen operativen Margen sowie zum Anstieg der Rentabilität des investierten Kapitals über den gesamten Konjunkturzyklus hinweg geführt. Die Rohrleitungssparte biete auch strukturelles Wachstum, aber auch die Geschäftsbereiche Fahrzeugtechnik und Werkzeugmaschinen würden eine gesunde Dynamik entwickeln. Aus der Sicht von Simon rechtfertigt dies höhere Bewertungskennzahlen als in der Vergangenheit. Das Anlageurteil für die Aktie lautet Kaufen, und als Kursziel werden bei einem 15er-Konsens-KGV auf der Basis 2016 850 Franken genannt.

Forbo – Wachstumsimpulse durch Präsenz in Schwellenländern

Ebenfalls als Kauf eingestuft, sind die Aktien der Forbo Holding (ISIN: CH0003541510). Das Kursziel lautet hier auf 1300 Franken. Das Unternehmen ist ein führender Hersteller von Bodenbelägen, Bauklebstoffen sowie Antriebs- und Leichtfördertechnik und generiert fast zwei Drittel seines Umsatzes in Europa. Damit dürfte Forbo besonders von der stetigen Erholung der Gewerbebautätigkeit in der Region profitieren. Weitere Wachstumsimpulse liefern die kontinuierliche Ausweitung der Präsenz in Wachstumsmärkten wie Asien, die Erschliessung neuer Kundensegmente und mögliche Übernahmen.

Allerdings hatte das Unternehmen im Vorjahr erneut mit der Frankenstärke zu kämpfen. Für das laufende Jahr rechnen die Verantwortlichen bei konstanten Währungen für die fortgeführten Geschäftsbereiche mit einer leichten Steigerung von Umsatz und Konzernergebnis. Aus der Sicht von Julius Bär hat Forbo mit der Veräusserung ihres Klebstoffgeschäfts, mit der Stärkung ihrer geografischen Präsenz und mit der Konzentration auf Effizienzsteigerungen einen grundlegenden Wandel vollzogen. Dies biete neben einer potenziellen Akquisitionstätigkeit Aufwärtspotenzial für die Gewinne. Dank einer überzeugenden Bilanz und einem starken Cashflow verfüge das Unternehmen auch über finanzielle Flexibilität. Das geschätzte Analysten-Konsens-KGV für 2016 beläuft sich auf rund 16.

Geberit – überdurchschnittliches Gewinnwachstum

Als dritter Wert auf das Favoritenschild gehievt, wird Geberit (ISIN: CH0030170408). Nach Einschätzung der Julius-Bär-Experten verfügt das Unternehmen als führender europäischer Anbieter von Sanitärprodukten mit einer globalen Präsenz über ein attraktives Geschäftsmodell mit hohen Einstiegsbarrieren. Positiv erwähnt, werden auch die Preismacht, überdurchschnittliche Margen sowie ein hoher freier Cashflow. Die Umsatzdynamik deute darauf hin, dass sich viele Märkte von Geberit an einem Wendepunkt befinden würden. In einigen Kernmärkten, darunter Deutschland, dürfte sich das Wachstum 2016 beschleunigen. Die geringe Durchdringung europäischer Schlüsselmärkte sowie Produktinnovationen dürften für anhaltend starkes Wachstum sorgen.

Die Integration von Sanitec, einem führenden europäischen Hersteller und Anbieter von Badkeramik, verlaufe planmässig. Damit bestehe im Hinblick auf die von der Unternehmensleitung angestrebten Synergien Aufwärtspotenzial. Die Kaufempfehlung von Julius Bär ist mit einem Kursziel von 410 Franken versehen. Das geschätzte Konsens-KGV ist mit 23,5 für 2016 optisch zwar anspruchsvoll, doch die Julius-Bär-Analysten trauen Geberit ein im Sektor-Vergleich überdurchschnittliches Gewinnwachstum zu.