Das wirkt wie ein Befreiungsschlag: Endlich, kurz vor Weihnachten, kommen doch noch Aktivitäten der Funktionäre. Dies, nachdem die russische Regierung und die Zentralbank des Landes – die Bank Rossii – dem Rubelverfall und der Talfahrt an der Börse Moskau lange zugesehen haben. Zuerst erhöhte die Bank Rossii am Dienstag den Leitzins des Landes ganz drastisch von 10,5 auf 17 Prozent und gleichzeitig auch den wichtigen Repo-Satz von 11,5 auf 18 Prozent, zu dem sich Banken von der Notenbank Geld gegen Sicherheiten leihen können.

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Am Mittwoch intervenierte die russische Zentralbank mit Stützungskäufen für den Rubel. 7 Milliarden Dollar wollen Notenbank und Regierung dafür einsetzen. Bei Bedarf auch mehr. Munition dafür ist reichlich in den Tresoren der Bank Rossii gebunkert. Russlands Zentralbank verfügt über Devisenreserven in der Höhe von 415 Milliarden Dollar – das entspricht 20 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes von 2,1 Billionen Dollar.

Deviseninterventionen bringen einen schnellen Turnaround

Die russischen Aktionen vom Mittwoch zeigten eine sofortige Wirkung. Nachdem der Rubel allein seit Oktober gegenüber Euro und Dollar 40 Prozent an Wert verloren hatte, brachte der Schritt am Devisenmarkt eine deutliche Erholung der russischen Währung um 11 Prozent an einem Tag. Gleichzeitig zog es auch den russischen Aktienmarkt mit dem RTX um 15 Prozent nach oben.  

Diese – zumindest schon einmal vorläufige Wende – war wichtig, denn wenige Tage zuvor hatten Pessimisten wie etwa der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, eine Wahrscheinlichkeit von einem Drittel genannt, dass es zu einer russischen Staatspleite kommen könnte. Angesichts einer extrem niedrigen Staatsverschuldung des Landes von lediglich rund 12 Prozent der Wirtschaftsleistung ist dies jedoch nicht unbedingt als wahrscheinliches Szenario zu betrachten. So schätzten andere Experten wie der Chefanalyst von Raiffeisen International in Österreich, Peter Brezinschek, die Pleitegefahr als wenig realistisch ein.

Reformen könnten das Vertrauen zurückbringen

Wichtig war der Turnaround von Börse und Rubel im Hinblick auf das Vertrauen von Investoren. Denn dieses ist ohnehin seit längerem angekratzt. Nachdem seitens der russischen Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren viele Reformen im Land wie Privatisierungen von Staatsbetrieben oder ein verstärkter Kampf gegen Korruption nicht vorangekommen sind, könnte es nun krisenbedingt doch zu  Reformen kommen. Bei Korruption beispielsweise gibt es reichlich Aufräumarbeiten, die in Moskau erledigt werden sollten. So rutschte Russland in den letzten zwei Jahren beim Korruptionsindex von Transparency International von Rang 133 auf Platz 136 ab, bei einem Einbezug von insgesamt 174 Ländern. Die Schweiz belegt den Rang 5 und zählt damit zu den Ländern mit der international geringsten Korruption. Defizite werden auch bei der Corporate Governance beklagt, bei der Minderheitsaktionäre oft benachteiligt werden. Zusätzlich gibt es regulatorische Risiken, etwa bei Energiekonzernen, und nicht selten eine schlechte Transparenz in den Unternehmen.

Reformen wären damit zusätzlich gut für den Rubel, denn die von Analysten und internationalen Investoren seit langem geforderten Massnahmen würden das Vertrauen in Russland stärken und Kapital zurück ins Land bringen. Russland leidet nicht erst seit der Krise in der Ukraine und seit den Sanktionen unter Mittelabflüssen, sondern bereits seit Jahren. So zogen internationale Investoren seit der Finanzmarktkrise 2008 meist Quartal für Quartal Geld aus dem Land ab. Wenn Reformen kommen würden, könnte aber ganz schnell trotz aktueller Ukraine-Probleme viel Geld an den russischen Aktienmarkt fliessen.

Putin hält eine ein bis zwei Jahre dauernde Krise für möglich, …

An seiner grossen Pressekonferenz vor 1200 Journalisten schwörte Staatspräsident Wladimir Putin sein Volk gestern auf eine Konjunkturkrise im Land ein, die in den nächsten ein bis zwei Jahren stattfinden könnte.

Möglicherweise bekommt Putin aber eine unerwartete Hilfe seitens des Ölpreises. Es besteht derzeit wegen der hohen Förderung durch OPEC, Russland und die USA ein Überangebot, und der Iran beispielsweise hält wegen der hohen Förderung von Ländern wie Saudi-Arabien sogar einen Barrelpreis von 50 oder gar 40 Dollar für möglich. Doch je weiter der Preis fällt, um so dünner wird die Luft, vor allem für die Fracking-Unternehmen in den USA, die erst seit einigen Jahren am Markt auftreten und die mitverantworlich für die aktuelle Ölschwemme und für den Preisverfall um rund 50 Prozent sind, der seit Juli stattgefunden hat.

… den Fracking-Konzernen könnte aber bald die Luft ausgehen: Vielleicht wird der Ölpreis wieder steigen

Inzwischen scheinen Anleger bei Fracking-Unternehmen etwas vorsichtiger zu sein. Während die Aktie der weltweiten Nummer eins der Ölindustrie, Exxon, seit September nur rund 10 Prozent verloren hat, sind die Aktien von US-Ölkonzernen, bei denen das Fracking-Geschäft eine grössere Rolle spielt, deutlich gefallen.

Bei Anadarko Petroleum, Marathon Oil oder Apache fielen die Notierungen in den letzten drei Monaten um rund 30 bis 40 Prozent. Zudem haben auch die Obligationen der Unternehmen deutlich an Wert verloren. Das Kursminus beträgt in wenigen Monaten nicht selten 10 Prozent. Möglicherweise sind die fallenden Aktien- und Bonds-Notierungen ein erster Vorbote für ein Ende der extremen Boom- und Euphoriephase beim Fracking. 

Kursphantasie und Chancen für Anleger

Für Russland gibt es also drei mögliche Trigger: Die erfolgreiche Bekämpfung des Rubelverfalls durch die Bank Rossii, wirtschaftspolitische Reformen mit Wiedergewinnung des Vertrauens internationaler Investoren verbunden mit Mittelzuflüssen in das Land und die Erholung des Ölpreises wegen Förderrückgängen der Fracking-Industrie.

Vor diesem Hintergrund werden für etwas risikofreudigere Anleger Tracker-Zertifikate auf den RTX (ISIN: CH0016144203, Laufzeit endlos) und russische Aktien interessant. Nach den Kursverlusten der letzten Monate besteht hier ein mehr oder weniger grosser Hebel. So hat sich der Kurs der Aktie von Sberbank (ISIN: US80585Y3080) in den letzten drei Monaten halbiert. Gazprom (ISIN: US3682872078) notiert trotz der aktuellen Erholung von 10 Prozent immer noch um 40 Prozent unter den Septemberkursen und Telekomdienstleister Mobile Telesystems (ISIN: US6074091090) hat in diesem Zeitraum sogar 60 Prozent verloren.