Hohe Unternehmensgewinne, tiefe Inflation, stark wachsende Weltwirtschaft – ein Traumszenario für Anleger. Auch wenn wir derzeit in der besten aller Welten zu leben scheinen, ist ein Blick in die Zukunft sinnvoll, um ein böses Erwachen zu vermeiden. Warum? Weil der strukturell bedingte Trend zu einem schwächeren globalen Wirtschaftswachstum weiter intakt ist. Die wesentlichen Treiber sind die ungünstige demografische Entwicklung, die rückläufige Globalisierungsdynamik und sinkende Produktivitätssteigerungen. Was zunächst relativ harmlos tönt, dürfte fatale Auswirkungen haben.

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So schrumpft die Erwerbsbevölkerung in der Eurozone bereits seit mehreren Jahren – pro Jahr gehen hierdurch rund 0,5 Prozent an Wirtschaftswachstum verloren. Ursachen sind zu tiefe Geburtenraten und damit einhergehend der wachsende Anteil von Rentenbeziehern. Ähnlich ist die Problematik in der Schweiz, was bislang aber durch die starke Zuwanderung übertüncht wurde. In den USA ist der demografische Trend wegen der starken Zuwanderung zwar weniger brisant, hat sich aber ebenfalls deutlich verschlechtert.

Ausgangslage in allen Industrieländern ernüchternd

Auch bei der Produktivität ist die Ausgangslage in allen Industrieländern ernüchternd. Seit den 1970er Jahren fällt der Produktivitätszuwachs übergeordnet und bewegt sich inzwischen nur noch knapp über der Nulllinie. Ursachen sind Sättigungseffekte und ein Strukturwandel zugunsten von Sektoren mit geringer Produktivität, vor allem in den Dienstleistungsbranchen. Pessimisten wie der Ökonom R. J. Gordon gehen davon aus, dass sich an dieser Situation in den nächsten 20 Jahren wenig ändern wird, weil die digitale Revolution kaum noch Wachstumspotentiale bietet  und Innovationen fast nur noch bei Freizeitgütern stattfinden. Optimisten hingegen meinen, dass die 4. industrielle Revolution vollkommen unterschätzt wird und dass der rasante technologische Wandel einen Produktivitätsschub nach sich zieht, wie wir ihn seit 20 Jahren nicht mehr gesehen haben.

Wir teilen diese Zuversicht, weil die Unternehmen zuletzt mit enormen Investitionen die Grundlage für effizientere Produktionsstrukturen gelegt haben. Erfahrungsgemäss werden diese Fortschritte aber erst nach mehreren Jahren statistisch fassbar. Dieser positive Ausblick gilt jedoch nur für Unternehmen, die vom Megatrend Industrie 4.0 profitieren können. Alle anderen Sektoren, vor allem im  Dienstleistungsbereich, müssen hingegen mit deutlich tieferen Wachstumsraten rechnen. Dies zusammen mit der ungünstigen demografischen Perspektive impliziert für Anleger einen Rückgang der durchschnittlichen Aktienmarktrenditen von 7 Prozent p.a. auf nur noch 3 Prozent bis 5 Prozent p.a.

Nachhaltig produktivitätssteigernde Technologien

Wer sich damit nicht zufrieden geben möchte, kann auf die Chancen der 4. industriellen Revolution setzen. Nachhaltig produktivitätssteigernde Technologien begünstigen in Verbindung mit einem erheblichen Überschuss an Investitionskapital schnelle, entscheidungsfähige Unternehmen. Gleichzeitig verstärkt das Internet der Dinge den Trend zu arbeitsteiligen Prozessen mit Spezialistenwissen und eröffnet damit Potential für kleine und mittlere Unternehmen – zulasten etablierter Konzerne. Mittel- und langfristig werden sich nur jene Unternehmen am Markt behaupten können, die auf zukunftsfähige Technologien setzen und diese in ihren Produkten und Herstellungsprozessen nutzen. Technologischer Fortschritt ist der Schlüssel im globalen Strukturwandel und damit in den nächsten Jahren der zentrale Performancetreiber für die Finanzmärkte.

Bei der Unternehmensauswahl sollten Anleger sich aber auf diejenigen Unternehmen konzentrieren, die Technologien herstellen oder nutzen, um nachhaltige Produktivitätssteigerungen zu ermöglichen. Im Fokus stehen drei vertikale Technologietrends: Industrie 4.0, Healthcare-Technologie sowie Mobilität & Autonome Systeme. Hinzu kommen deren massgebliche Querschnittstechnologien. Dazu gehören Robotik & Fertigungstechnologie, Sensorik & Mikrochips, Big Data & Künstliche Intelligenz, Innovative Materialien und Kommunikationstechnik. Gute Beispiele sind derzeit unter anderem die US-Firmen Medtronic und Thermo Fisher sowie Hexagon aus Schweden. Schweizer Investoren mit Home bias werden auch daheim fündig: beispielsweise bei ABB.

Auf Social-Media- und Lifestyle-Themen hingegen kann man gut verzichten, weil diese nicht zu nachhaltigem Wachstum führen.

* Harald Preissler ist Chefökonom und Leiter Anlagemanagement der Bantleon Bank AG in Zug.