Der Business Roundtable, eine Vereinigung von Konzernchefs in den USA, gab diesen Monat bekannt, dass die Ära des Primats der Aktionärsinteressen vorbei sei. Bemerkenswert ist dies weniger wegen des Inhalts sondern weil es die Denkweise von Unternehmensführern enthüllt.

Offenbar glauben die amerikanischen CEO, dass sie frei entscheiden können, wem sie dienen. Doch sie sind Beauftragte – und nicht Auftraggeber. Ergo liegt diese Entscheidung nicht bei ihnen.


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Laut amerikanischem Unternehmensrecht werden die Chefs von den Mitgliedern des Verwaltungsrates bestimmt, die ihrerseits jedes Jahr von den Aktionären gewählt werden. In der Praxis jedoch bleiben die meisten Board-Mitglieder wie auch die von ihnen ernannten Chefs jahrelang im Amt.

Jamie Dimons Doppelmandat

So steht Jamie Dimon, der dem Business Roundtable vorsitzt, seit über 15 Jahren an der Spitze von JPMorgan Chase. Im Widerspruch zu den Corporate-Governance-Grundsätzen, die eine Trennung der beiden Positionen empfehlen, war er die meiste Zeit sowohl CEO als auch Vorsitzender des Aufsichtsrates.

Dadurch, dass sie den Prozess an sich reissen, dem sie ihre eigenen Positionen verdanken, führen amerikanische CEOs die Kontrolle durch die Aktionäre ad absurdum. Business Roundtable selbst kämpfte gegen die US-Börsenaufsicht, um eine Regel zu blockieren, die es Aktionären gestatten würde, bei Abstimmungen ihre eigenen Kandidaten auf den Stimmzetteln zu platzieren.

Und die Organisation versucht weiterhin, die Möglichkeit der Aktionäre zu schwächen, Tagesordnungspunkte für die Hauptversammlung vorzuschlagen.



Chefs fürchten Strategie-Debatten

Kurzum: Für Business Roundtable war das Aktionärsprimat niemals gleichbedeutend mit Aktionärsdemokratie. Vielmehr hat das Shareholder-Value-Konzept den Konzernchefs einen Deckmantel verschafft, um Debatten über die Unternehmensstrategie zu vermeiden, insbesondere wenn es darum ging, Alternativen zum Aktienkurs als Massstab für die Unternehmensleistung zu erwägen. Für CEOs bedeutet der Aktienkurs alles, da er das Unternehmen vor Übernahmen schützt und das eigene Gehalt steigen lässt.

Katharina Pistor

Die Autorin ist Rechtsprofessorin und Direktorin des Zentrums für globale rechtliche Transformation an der Columbia Law School in New York. Sie forscht und lehrt in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Corporate Governance, Geld und Finanzen, Eigentumsrechte, Rechtsvergleichung und Rechtsinstitutionen.

Warum also sollten sich CEOs zugunsten eines Stakeholder-Governance-Ansatzes, der Beschäftigte und Umwelt auf eine Stufe mit den Aktionären stellt, gegen einen Status quo stellen, der ihnen beinahe uneingeschränkte Befugnisse verliehen hat? Die Antwort: Weil die Revolution ihre Kinder verschlingt.

Institutionelle Anleger werden stärker

Das Primat des Aktienkurses ist auch zu einer Bedrohung geworden.
 Schliesslich ist es eine Sache, Aktionäre zu vertreten, wenn diese allzu sehr verstreut sind, um sich selbst zu organisieren. Eine andere ist es, wenn sich die Aktionäre zu Blöcken zusammenschliessen, die über ein wirksames Vetorecht vergügen – und um die Koordinations-Fähigkeit dafür, gemeinsame Ziele zu verfolgen.


Für die CEOs hat das Entstehen mächtiger Aktionärsblöcke die Situation verändert. Angesichts der Milliarden Dollar an Ersparnissen, die investiert werden müssen, können institutionelle Anleger nicht einfach ignoriert werden. Auch wenn Vermögensverwalter sich nicht aktiv an der Unternehmensführung beteiligen, können sie dennoch ein starkes Signal an den Markt aussenden, indem sie einfach Aktien veräussern.