Mit Ihrem Rückzug auf das Verwaltungsratspräsidium im April 2009 wollten Sie sich verstärkt dem Bereich Forschung und Entwicklung (F & E) widmen. Sind Sie im vergangenen Krisenjahr überhaupt dazu gekommen?

Edgar Rappold: Ich sehe mich als Impulsgeber für unser grosses F & E-Team. Forschen und Entwickeln bereitet mir viel Vergnügen. Soeben habe ich im Flugzeug wieder eine Patenteingabe geprüft. Im vergangenen Jahr hat diese Aufgabe aber eine Nebenrolle gespielt. Denn als Hauptaktionär und Gründer der Winterthur Technologie Gruppe (WTG) wollte ich auch als Verwaltungsratspräsident operativ tätig bleiben. In dieser Funktion habe ich mich im Jahr 2009 um die Integration der verschiedenen Tochterfirmen gekümmert.

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Wie sind Sie mit der Integration vorangekommen?

Rappold: Im Jahr 2007 haben wir mit dem Kauf der Wendt-Gruppe eine grosse Akquisition getätigt. Schon damals war klar, dass es dort Synergien im Verkauf und im Systemmarketing gibt, nicht aber in der Produktion. Diese Synergien haben wir im Rekordjahr 2008 nur punktuell umgesetzt. Das laufende Krisenjahr haben wir nun genutzt, um die notwendige Integration durchzuführen. Heute verfügen wir nicht mehr über separate Wendt- und Winterthur-Standorte auf der ganzen Welt. Die Konsolidierung wurde durch die Krise sogar etwas begünstigt, da die Mitarbeiter eher bereit sind, in einer anderen Position zu arbeiten. Bis Ende Jahr haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und gehen schlank und gestärkt ins Jahr 2010.

Sie haben in früheren Gesprächen die familiäre Stimmung bei der WTG betont. Nun sind der Restrukturierung gut 200 Stellen zum Opfer gefallen. Waren Sie froh, dass Ihnen mit dem neuen CEO Edmar Allitsch eine zweite Person zur Seite gestanden ist?

Rappold: Edmar Allitsch hat einen sehr guten Job gemacht. Er hatte den Mut zu unpopulären, aber durchaus notwendigen Massnahmen. Alleine mit Kurzarbeit hätten wir diese heftige Krise nicht überwinden können, denn ein Teil der Probleme war auch strukturell bedingt. Wir haben vergangenes Jahr 200 Stellen abgebaut. Eine Vielzahl davon waren Temporärstellen, das Stammpersonal ist nach wie vor mit dabei. Für den neuen CEO war die Situation wahrscheinlich etwas einfacher, da er die Aufgabe unbelastet angehen konnte. Und es ist ihm auch gelungen, die familiäre Kultur beider Firmen zu erhalten.

Sie sind auf der Durchreise von der WTG-Tochter SlipNaxos in Schweden zu Wendt in Deutschland. Welche Eindrücke nehmen Sie aus Ihren Besuchen bei den Gesellschaften mit?

Rappold: Die Leute sind erleichtert, dass sie den Personalabbau hinter sich haben. Denn die Arbeitsplatzsicherheit ist den Mitarbeitern sehr wichtig. Und ich bin überzeugt, dass wir allfällige Schwächen im nächsten Jahr mit Kurzarbeit überbrücken können. Derzeit sehen die Leute auch, dass wieder Aufträge eingehen. Wir werden in Schweden zwischen Weihnacht und Neujahr in zwei Schichten produzieren. In dieser Zeit sind unsere Mitarbeiter schon lange nicht mehr so gerne arbeiten gegangen.

Demnach hat die im 3. Quartal 2009 festgestellte Verbesserung auch in den vergangenen Monaten angehalten?

Rappold: Der Auftragseingang, sowohl im November wie auch im Dezember, war besser als im Vorjahr. Hierbei muss man allerdings berücksichtigen, dass wir in den letzten zwei Monaten im Jahr 2008 bereits einen Rückgang feststellen mussten. Alles in allem können wir aus heutiger Sicht im Januar und Februar 2010 gut arbeiten.

Wie hoch ist denn gegenwärtig die Visibilität bei der WTG?

Rappold: Sie ist auch in den guten Zeiten auf maximal drei Monate beschränkt. Unsere Kunden versuchen ihre Lager so tief wie möglich zu halten. Aber immerhin sehen wir derzeit wieder etwas Aufbau.

Werden Sie dieses Jahr wie angestrebt ein ausgeglichenes Ergebnis präsentieren?

Rappold: Fraglich ist einzig, ob es eine schwarze oder eine rote Null sein wird. In diesem Ergebnis sind aber bereits freiwillige Amortisationen immaterieller Anlagen über 4,6 Mio Euro sowie Restrukturierungskosten von rund 2 Mio Euro enthalten. In diesem miserablen Wirtschaftsjahr haben wir also nicht schlecht gearbeitet.

Wie beurteilen Sie die regionale Nachfrageentwicklung?

Rappold: Die Wiederbelebung ist stark durch Asien geprägt. Dies habe ich soeben wieder in Schweden gesehen. Mittlerweile ist China der grösste Abnehmer der Schleifwerkzeuge von SlipNaxos. Die Nachfrage aus Indien ist ebenfalls hoch, während Europa sehr stark unter der Krise gelitten hat. Wenn die WTG nicht so breit aufgestellt gewesen wäre, wäre das Ergebnis noch weit dramatischer ausgefallen.

In welchen Branchen spüren Sie eine Erholung?

Rappold: Jene Branchen, die zuerst unter die Räder gekommen sind, haben auch als erste Erholungszeichen gegeben. Dies gilt für die Stahlindustrie, vor allem im Bereich rostfreier Stahl. Aber auch die Automobilindustrie zeigt sich wieder gestärkt: Obwohl Konjunkturförderprogramme wie die Abwrackprämie ausgelaufen sind, ist die Nachfrage nicht eingebrochen. Bei Volkswagen, einem grossen Abnehmer unserer Schleifwerkzeuge, läuft es speziell gut.

Die Talsohle ist definitiv durchschritten?

Rappold: Der drastische Lagerabbau ist vorbei, nachdem die Vorräte der Unternehmen zuvor übervoll waren. Dies war auch ein Grund, weshalb wir 2009 einen Umsatzeinbruch von 37% verkraften mussten. In einer normalen Rezession wäre der Rückgang wohl maximal bei minus 25% gelegen. Eine solche Entwicklung hätten wir ohne Restrukturierung überstanden. In den Bereichen Medizinaltechnik, Implantate, Solar- und Windkraft war das Geschäft auch in den schwierigen Monaten respektabel. Diese Segmente machen allerdings nur einen Umsatzanteil von 10 bis 15% aus.

Wie nachhaltig schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Rappold: Der Lageraufbau wird nicht mehr so hoch sein wie früher, die Unternehmen versuchen, die Betriebsmittel tief zu halten und den Cashbestand zu optimieren. Genauso machen auch wir es. Daher verfügen wir über einen hohen Cashbestand. Wir konnten Kredite vorzeitig zurückzahlen, was uns eine höhere Flexibilität gewährleistet. Wenn wir heute Aufträge bekommen, so müssen diese schnell ausgeführt werden, die Lieferfähigkeit gewinnt stark an Bedeutung. Gleichzeitig braucht man die nötigen Mittel zur Debitoren- und Rohstofffinanzierung.

Welche Ziele streben Sie im Jahr 2010 an?

Rappold: Gegenüber 2009 ist ein tiefer zweistelliger Umsatzzuwachs realistisch. Ich gehe nicht davon aus, dass es einen grossen Double Dip geben wird. Daher dürften wir kontinuierlich zulegen. Unter dem Strich wird sich diese Entwicklung auch positiv auf die Margen auswirken.

Wann weisen Sie wieder die alten Werte einer Ebitda-Marge von 18% aus?

Rappold: 2010 wird dies noch nicht ge- lingen, doch bereits 2011 werden wir die alten Ebitda-Werte wieder erreichen. Nächstes Jahr werden wir allenfalls nochmals eine normale Rezession haben, aber bestimmt kein Schockjahr. Daher werden 2010 auch keine Restrukturierungskosten anfallen.

Haben Sie in der WTG noch Spielraum bezüglich Kurzarbeit?

Rappold: Dies hängt von den verschiedenen Standorten und Bereichen ab. In Egnach beispielsweise haben wir noch Kurzarbeit, in Österreich und Schweden konnten wir die Kurzarbeit beenden. Dennoch werden wir auch zukünftig zurückhaltend planen, um auch in Zukunft gesund zu bleiben.

Ende Oktober haben Sie die Herstellung von Schleifwerkzeugen von der deutschen Topell Schleiftechnik übernommen. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Rappold: Durch diesen Asset-Deal haben wir eine interessante Technologie übernommen und den Zugang zu neuen Kunden erhalten. Wir sehen in diesem Bereich Wachstumschancen. Allerdings war dies ein eher kleiner Zukauf.

Wie wollen Sie in Zukunft weiter vorankommen?

Rappold: Wir werden auch zukünftig Akquisitionen tätigen. Die Zukäufe werden aber kaum mehr so gross ausfallen wie jene der Wendt. Regional konzentrieren wir uns auf Asien und Südamerika. Akquisitionen in Westeuropa sind nicht geplant.

Ergeben sich durch die Krise interessante Akquisitionsmöglichkeiten?

Rappold: Wir sind durch die Konsolidierung in der Branche gewachsen. Dabei haben wir aber stets nur gesunde Firmen gekauft. Solche Unternehmen haben auch in der Krise ihren Preis. Angeschlagene Gesellschaften zu kaufen und zu restrukturieren, gehört nicht zu unserer Strategie. In Deutschland haben wir dieses Jahr zwei Konkurse gesehen. Für uns gab und gibt es dort nichts zu holen.

Wie beurteilen Sie als Hauptaktionär mit einem Aktienanteil von 14% die Kursentwicklung bei WTG?

Rappold: Heute sind es 15%. Bei den tiefen Aktienkursen, die wir dieses Jahr zum Teil gesehen haben, habe ich weiter zugekauft. Nach wie vor halte ich den Kurs für klar unterbewertet, auch wenn sich der Preis erholt hat.