Die Europäische Zentralbank (EZB) stellt ihre geldpolitische Strategie auf den Prüfstand. Die Währungshüter gaben dazu am Donnerstag in Frankfurt auf ihrer ersten Zinssitzung im neuen Jahr den Startschuss.

Für EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist der Ausgang der grossen Strategieüberprüfung offen. Sie habe zwar eine Meinung dazu, werde aber keinesfalls eine Richtung vorgeben oder Ergebnisse «vorwegnehmen», sagte Lagarde am Donnerstag in Frankfurt nach der Zinssitzung. Das wäre «sehr unfair». 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Überprüfung werde rund ein Jahr dauern, so dass eine Entscheidung im November oder Dezember stehen könne. Doch sei damit keine Vorfestlegung verbunden: «Es wird vorbei sein, wenn es vorbei ist.» Bei der Überprüfung gehe es unter anderem darum, die Massnahmen, Werkzeuge und die Sprache der Notenbank auf den Prüfstand zu stellen.

Die EZB hatte letztmals im Jahr 2003 ihre Strategie überarbeitet. Damals legte sie ihr bis heute gültiges Inflationsziel fest, die wichtigste Richtschnur für die Sicherung der Preisstabilität. Es sieht mittelfristig eine Teuerungsrate von unter, aber nahe 2 Prozent vor. Allerdings verfehlt die EZB dieses Ziel bereits seit Frühjahr 2013. Im Dezember lag die Inflation bei 1,3 Prozent.

Die Digitalisierung und Globalisierung aller Wirtschaftszweige sorgt weltweit dafür, dass die Inflation vergleichsweise niedrig ausfällt. Auch die Bilanz der US-Notenbank Fed bei ihrem Inflationsziel von 2 Prozent war zuletzt eher schwach. Die Fed prüft bereits seit einiger Zeit ihre Vorgehensweise. Sie will ihren Strategiecheck bis Mitte des Jahres abschliessen.

Inflationsziel als entscheidende Grösse

Für Notenbanken ist das Inflationsziel die alles entscheidende Grösse. Denn ihre Aufgabe ist es, für stabile Preise zu sorgen. Was dies zahlenmässig genau bedeutet, wird über das Ziel festgelegt. Zentral ist die Überlegung, dass die Verbraucher den Währungshütern auch zutrauen, dies zu erreichen und ihr Kaufverhalten entsprechend ausrichten.

«Die Debatte über ein neues Inflationsziel ist überfällig», kommentierte der Chefvolkswirt des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Klaus Wiener. Die EZB dürfe strukturelle Brüche wie die Globalisierung oder Digitalisierung, die für den moderaten Preisanstieg der vergangenen Jahre mitverantwortlich seien, nicht länger ignorieren.

Im Rahmen des Strategiechecks will die EZB ausserdem die Wirksamkeit ihrer geldpolitischen Instrumente unter die Lupe nehmen. Lagarde hat zudem in Aussicht gestellt, dass breitere Themenfelder wie Klimapolitik, Technologiewandel oder Einkommensungleicheit behandelt werden sollen. Die ehemalige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) will dabei das EU-Parlament konsultieren und die Forschung sowie Vertreter der Zivilgesellschaft einbeziehen.

Zinsen bleiben noch lange niedrig

An ihrer ultralockeren Geldpolitik will die EZB festhalten. Die Schlüsselzinsen würden noch solange auf dem aktuellen oder einem tieferen Niveau liegen, bis sich die Inflationsaussichten wieder klar dem Inflationsziel annäherten, stellte sie in Aussicht. Die Euro-Notenbank hatte letztmalig im Jahr 2011 ihre Zinsen hochgesetzt. Der Schlüsselsatz zur Geldversorgung der Banken liegt bereits seit März 2016 bei 0,0 Prozent. Auch der Einlagensatz bleibt bei minus 0,5 Prozent. Geldhäuser müssen somit weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der Notenbank über Nacht überschüssiges Geld parken.

Ein Enddatum für ihre Anleihenkäufe nannte die Notenbank erneut nicht. Diese sollen erst dann gestoppt werden, wenn die EZB kurz davor stehe, ihre Zinsen zu erhöhen. Einnahmen aus fällig werdenden Titeln will sie auch nach einer Zinsanhebung noch für längere Zeit in Anleihen reinvestieren.

Die EZB hatte die Anleihenkäufe wegen der Konjunkureintrübung im November wieder aufgenommen. Monatlich sollen Titel im Volumen von 20 Milliarden Euro erworben werden. Zuvor hatten die EZB und die nationalen Notenbanken bereits bis Ende 2018 Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von rund 2,6 Billionen Euro gekauft.

Kampf gegen den Klimawandel

Die Europäische Zentralbank (EZB) soll nach den Worten ihrer Präsidentin Christine Lagarde eine aktive Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Das werde für Diskussionen sorgen und sei auch nicht einfach, sagte Lagarde am Donnerstag nach der Zinssitzung auf einer Pressekonferenz in Frankfurt. «Ich bin mir aber auch der Gefahr bewusst, nichts zu tun», betonte sie.

Als Teil der geplanten Überprüfung der künftigen Strategie der Notenbank werde man darauf achten, was gegen den Klimawandel getan werden könne. «Wir werden uns das anschauen», sagte Lagarde. «Es ist jedermanns Verantwortung, wo immer er oder sie ist, zu sehen, was er oder sie tatsächlich tun kann, um den Klimawandel zu bekämpfen und die biologische Vielfalt zu schützen.»

(reuters/mlo)