Die Schweizer Exportzahlen präsentierten sich im letzten Monat überraschend stark: Im September kletterten die Gesamtausfuhren saisonbereinigt nominal um 3,4 Prozent auf 22,8 Milliarden Franken. Im Vergleich zum Vormonat regelrecht explodiert sind die Exporte in die USA – mit einem Anstieg von 42,8 Prozent! Trotz der US-Strafzölle. Und trotz des starken Schweizer Frankens, der am Dienstag gegenüber dem Euro historisch teuer war. Ist die hiesige Wirtschaft also robuster, als nach dem 39-Prozent-Zollhammers von Donald Trump an unserem Nationalfeiertag zu befürchten war?

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Nicht unbedingt, sagt Ökonomen Stefan Legge von der Universität St. Gallen zu Blick. Zwar haben die starken Zahlen auch ihn überrascht. Aber er gibt zu bedenken: «Es gibt viele Verzerrungen. Manche Industrien – etwa die Pharmabranche – haben in Erwartung von Zöllen grosse Mengen vorgezogen und tun dies womöglich immer noch.»

«Sollte nicht überinterpretiert werden»

Klar ist: Die Zahlen sind zumindest ein Lichtblick – mehr aber vorerst nicht. Monatswerte haben immer etwas Zufälliges, sie können durch einzelne Branchen stark verzerrt werden. Genau das zeigt auch der Haupttreiber hinter dem Exportboom in die USA, den Legge anspricht: die Chemie- und Pharmaindustrie. Diese schickte im letzten Monat zwar weniger, dafür umso wertvollere Ware über den Atlantik.

Gerade die Pharmabranche ist dafür bekannt, dass ihre Exporte von Monat zu Monat stark schwanken. Weil sie ihre Medikamente und anderen pharmazeutischen Güter jeweils in grossen Chargen ausliefert. «Hier scheint erneut Frontloading zur Vermeidung künftiger Strafmassnahmen ein wichtiger Treiber zu sein», sagt Marc Brütsch, Chefökonom von Swiss Life, zu Blick. «Die Exporte anderer Waren, insbesondere Uhren, bleiben spürbar schwächer als in der ersten Jahreshälfte.»

Das sieht auch Legge so: «Wenn man Gold und Pharma ausklammert, sieht man bei den anderen Produkten durchaus einen Einbruch der Exporte.»

Steht der grosse Exporteinbruch noch bevor?

Der Blick auf die Quartalszahlen fällt dann auch etwas trüber aus. Zwischen Juli und September sanken die Gesamtexporte nominal und saisonbereinigt um 3,9 Prozent. Es handelt sich um den zweiten Quartalsrückgang in Folge. Unter dem Strich blieb im dritten Quartal ein Exportüberschuss von 10,2 Milliarden Franken – davon entfallen 8,6 Milliarden auf die USA. Auch im Handel mit Amerika ist der Überschuss zum zweiten Mal zurückgegangen. Nur: Aufs ganze Jahr gesehen hat die Schweiz schon Güter im Wert von über 33 Milliarden mehr in die USA exportiert, als sie von dort eingeführt hat. Damit ist unsere Wirtschaft nur noch gut 5 Milliarden Franken vom Handelsüberschuss im letzten Jahr entfernt.

Auf Jahresbasis läufts im Handel mit den USA also ziemlich gut, nur entwickeln sich die Exporte eben rückläufig. Das ist gut für neue Verhandlungen mit dem US-Präsidenten für tiefere Strafzölle. Denn diesem ist der hohe Exportüberschuss der Schweiz ein Dorn im Auge. Gleichzeitig zeigen die Zahlen: Viele Schweizer Unternehmen bekommen den hohen Franken und Trumps Zölle direkt zu spüren. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) trifft es hart – und damit das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Zuletzt kam es zu einem lauten Aufschrei der Schweizer Käseproduzenten.

Schweizer Jobs sind in Gefahr

Ihre Befürchtung: Der grosse Einbruch beim Export in die USA steht uns erst noch bevor. Diese Sorge teilen auch Ökonomen. Und die Finanzchefs hiesiger Firmen. Mehr als jeder dritte CFO schaut laut einer Deloitte-Umfrage wenig optimistisch in die Zukunft – und rechnet mit einem Stellenabbau in den nächsten zwölf Monaten. Die Jobs dürften ins Ausland abwandern – etwa in die USA, was ganz nach dem Gusto von Trump wäre.

Die pessimistischen Aussichten bei der Personalpolitik zeigt: Firmen passen sich stets dem sich ändernden Umfeld an. «Weil die US-Handelspolitik weiter unklar und wechselhaft bleiben wird, müssen die Unternehmen weiter auf Sicht fahren», sagt Legge. Die Pharmaindustrie muss sich für etwaige neue Zölle wappnen. Für jene Branchen, die Trumps Zollhammer bereits ausgesetzt sind, sieht es trüber aus. «Sie müssen sich zunehmend damit auseinandersetzen, dass der hohe Zoll bleiben könnte», sagt der Ökonom mit Blick in die Zukunft. Und weiter: «Dann heisst es, andere Märkte und Geschäftsmodelle zu erschliessen und zu erarbeiten.»