Eine Billion Franken: So hoch ist das Volumen der ausstehenden Hypothekarkredite in der Schweiz. Es ist Geld, welches Banken für Immobilienkäufe verliehen haben – und das sie wieder zurückerhalten wollen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Dieser Kreditberg hat sich wegen des Booms im Immobilienmarkt angehäuft. Seit Jahren fliesst immer mehr Geld in den Markt. Derzeit laufen insbesondere Renditeliegenschaften heiss. Mehr und mehr neue Mehrfamilienhäuser entstehen – obwohl bereits Zehntausende von Mietwohnungen leer stehen.

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Für Investoren geht die Rechnung dennoch oft auf, weil die Zinsen so tief sind. Falls die Zinsen einmal steigen würden, könnte dies die Kalkulation durcheinanderwirbeln.

Die Regeln werden verschärft

Deshalb sollen bei der Vergabe von Hypothekarkrediten für Mehrfamilienhäuser nun die Zügel angezogen werden. Bis Sommer prüft die Bankiervereinigung, ob sich die Branche strengere Regeln geben will. Verzichtet sie darauf oder fallen die Regeln zu weich aus, wird der Bundesrat schärfere Vorgaben verordnen.

Immobilienexperte Donato Scognamiglio erklärt, wieso er schärfere Kreditregeln für dringlich hält. Das Problem mit den vielen leeren Wohnungen werde sich hingegen von selbst lösen.

DonatoScognamiglioImmobilien

Prof. Dr. Donato Scognamiglio ist CEO und Mitinhaber der Informations- und Ausbildungszentrum für Immobilien AG (IAZI) in Zürich. Er ist zudem als Titularprofessor und Dozent für Real Estate & Finance an der Universität Bern tätig.

Quelle: ZVG

Herr Scognamiglio, die Bankiervereinigung prüft eine Verschärfung der Selbstregulierung. Sind neue, branchenweite Regeln wirklich nötig? Haben die einzelnen Institute die Risiken bei der Hypothekenvergabe nicht bereits selber erkannt?
Die Banken sind unter grossem Druck. Die Margen im Hypothekargeschäft sind gesunken, weil die Zinsen so tief sind. Um dies zu kompensieren, müssen Banken Kosten sparen und wachsen. Sie müssen Kredite vergeben und ein gewisses Volumenwachstum erzielen. Das heisst, sie müssen Risiken eingehen – sonst verdienen sie nichts.

Werden Hypotheken leichtfertig vergeben?
Nicht generell, doch gemäss den Analysen des Regulators reichen bei jedem zweiten Neugeschäft bei Renditeliegenschaften die Nettomieteinnahmen nicht aus, um die Verpflichtungen gegenüber der Bank zu decken, falls die Zinsen rasch ansteigen würden. Das ist nicht sehr beruhigend. Die Risiken sind gestiegen. Wegen des Konkurrenzdrucks werden von einzelnen Instituten mehr Geschäfte im Grenzbereich geschlossen. Es ist die Aufgabe des Regulators, hinzuschauen und die Spielregeln zu überprüfen.

Schärfere Regeln für Immobilienkredite

Die Schweizerische Bankiervereinigung prüft bis zum Sommer eine strengere Selbstregulierung für Renditeliegenschaften, also Mehrfamilienäuser. Angedacht ist eine Verkürzung der Amortisationsdauer und eine Senkung der Belehnungsquote. Das heisst: Banken müssten den Immobilienkredit nach kürzerer Zeit vollständig zurückfordern, die Kunden wiederum müssen mehr eigenes Geld für den Kauf einsetzen. Kommt es nicht zu einer schärferen Selbstregulierung, wird der Bundesrat den Banken strengere Regeln für die Kreditvergabe vorschreiben.

Wieso sind die Risiken gestiegen?
Die Preise von Renditeliegenschaften haben sich von fundamentalen Faktoren entfernt. Die Preise sind in gewissen Lagen sehr stark angestiegen, vor allem in den letzten zehn Jahren, seit wir so tiefe Zinsen haben. Löhne und Mieten haben sich im gleichen Zeitraum aber nicht gleich stark verändert.
 
Der Bestand von 300 Milliarden Hypotheken von Renditeliegenschaften ist zu gross, dass man zuschauen darf, wie die Preisrisiken weiter steigen. Und auch das Risiko, dass nach einem starken Zinsanstieg ein Teil dieser Kredite mit den bestehenden Nettomieten gar nicht mehr bezahlt werden könnten, gilt es zu beachten. Auch wenn die Zinsen wieder auf das Niveau früherer Jahrzehnte steigen würden  – bei vier bis fünf Prozent – muss  man mit den Nettomieten die Verpflichtungen gegenüber der Bank decken können. Bei zu vielen Neugeschäften ist das nicht mehr gegeben.

Eine Zinserhöhung ist aber nicht in Sicht. Die Schweizerische Nationalbank und die Europäische Zentralbank werden den Leitzins voraussichtlich noch lange tief halten.
Im Sommer denkt niemand an den Winter. Aber er wird kommen. Es ist die Aufgaben der Regulatoren, die Banken für steigende Zinsen zu wappnen.
 
Wer ist in diesem Markt für Mietwohnungen besonders verwundbar?
Jene, die jetzt noch mit ganz viel Fremdkapital in Immobilien investieren, und die dafür kurzfristige Hypotheken aufnehmen. Ab letztlich sind wir alle verwundbar.

«Auf Immobilien mit hohen Leerständen wird es zu Wertkorrekturen kommen»

Inwiefern sind wir alle verwundbar?
Sogar wer keine Häuser besitzt, hat sein Geld in Immobilien angelegt. Pensionskassen halten rund  20 Prozent ihrer Mittel in Liegenschaften investiert.

Jetzt können Sie argumentieren, dass Pensionskassen von dieser  Regulierung ausgenommen sind. Das stimmt zwar.

Aber wenn der Immobilienmarkt nach einem Zinsanstieg stark korrigieren würde, würden viele Objekte gleichzeitig auf den Markt kommen. Weil die Eigentümer sie nicht mehr finanzieren könnten, und die Bank allenfalls  Rückzahlungen verlangen müsste. Das könnte zu sinkenden Immobilienpreisen führen. Und das würde auch Immobilien von Pensionskassen betreffen.

Weil alle im gleichen Boot sind, ist  wichtig, ein solches Szenario zu verhindern.
 
Wird sich der Boom beim Bau von Mietwohnungen fortsetzen?
Bis vor einem halben Jahr sah es nach einer Verlangsamung aus, weil eine Zinserhöhung erwartet wurde. Nun ist die Zinserhöhung aber aufgeschoben – die Geldschleusen bleiben geöffnet. Jetzt steigen die Preise für Renditeliegenschaften wieder.
 
Die Preise für Mehrfamilienhäuser  steigen – und auch die Bautätigkeit und die Zahl leerer Wohnungen erhöhen sich weiter.
Genau. Und Finanzmarktaufsicht, Nationalbank und Bankiervereinigung sind aktiv und noch dieses Jahr könnten Vorschläge für eine Verschärfung der Regeln vorliegen.

Zehntausende leere Wohnungen

In der Schweiz werden viele neue Mehrfamilienhäuser gebaut – und häufig entstehen die Wohnblöcke und Siedlungen an einem wenig attraktiven Ort. Entsprechend Mühe haben Vermieter, sie zu füllen. Letzten Sommer standen 72'000 Wohnungen leer gemäss Schätzung des Bundesamts für Statistik. Dieser Wert ist inzwischen angestiegen. Und der Leerstand dürfte sich weiter vergrössern. Die Credit Suisse rechnet mit 5000 bis 6000 zusätzlichen leeren Wohnungen in diesem Jahr.

Müssten sich die Regulatoren auch dem Problem der zunehmenden Leerstände widmen?
Nein, der Markt wird hier korrigierend eingreifen. Auf Immobilien mit hohen Leerständen wird es zu Wertkorrekturen kommen. Für vereinzelte, stark betroffene Gemeinden mit hohen Leerständen könnte dies zu einem Problem werden. Wenn dort Blöcke stehen, die nur zur Hälfte belegt sind.

Der Markt wird das Problem korrigieren. Die Liegenschaften werden  wertberichtigt werden und die Mieten werden tendenziell sinken. Einige Investoren werden Rendite einbüssen. Aber für die meisten darunter ist das kein Problem, weil sie so grosse Immobilienporteufeuilles halten. Ihre Rendite wird lediglich verwässert.