Der Fachkräftemangel sorgt in dieser Branche nicht für steigende Gehälter - sie fallen sogar. Zu dieser bitteren Erkenntnis kommt die neue Salärstudie des Berufsverbands Swiss Engineering.

Der Fachkräftemangel an Ingenieuren und Architekten ist hierzulande ein Dauerthema. Demzufolge sollten diplomierte Talente gesucht sein und ihre Arbeit noch angemessener honoriert werden. Stattdessen verdienen die beiden Berufsgruppen im Fünfjahresvergleich weniger: 2010 lag das mittlere Einkommen bei 117 000 Franken, 2014 betrug es 113 600 Franken.

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Vergleich nur mit Vorbehalt

Zu dieser bitteren Erkenntnis kommt die neue Salärstudie von Swiss Engineering. Der nationale Berufsverband der Ingenieure und Architekten gibt aber zu bedenken: «Da sich die Teilnehmenden immer etwas unterschiedlich zusammensetzen, sind keine direkten Vergleiche zwischen den jährlichen Erhebungen möglich.»

Dessen ungeachtet erstaunt der Trend. Müssten sich die Löhne nicht nach oben bewegen?

«Unsere Salärstudie zeigt dieses Jahr noch deutlicher auf, was Ingenieure und Architekten seit Jahren bemängeln: Die Löhne steigen trotz dem gefühlten Fachkräftemangel nicht wie gewünscht oder wie es gemäss Angebot und Nachfrage sein müsste», erklärt Daniel Löhr, Vizepräsident von Swiss Engineering sowie Partner und Personalberater bei Engineering Management Selection E.M.S. in Zürich.

«Sie sind in ihre Projekte verliebt»

Seiner Meinung nach sind Ingenieure und Architekten nach wie vor zu wenig Ökonomen. «Sie sind in ihre Projekte verliebt - ein Kaufmann hingegen in das betriebswirtschaftliche Ergebnis.»

Der Bau- und Wirtschaftsingenieur Löhr rät Berufskollegen, die mit ihrem Gehalt unzufrieden sind: «Machen Sie sich Gedanken über Aufwand und Ertrag des Projekts und über Ihre Aufgabenstellung. Nur daraus können Sie den Wert Ihrer Arbeit oder Ihr Honorar ableiten.» Wer Mehrwert für seine Kunden schaffe, sollte im Gegenzug seinem Arbeitgeber mehr wert sein.

Branchenvertreter orten Gründe

Um diesen Sachverhalt einzuordnen, hat Swiss Engineering drei Branchenvertreter um eine Beurteilung gebeten: Chantal Büchi, Leiterin Human Resources bei Zühlke: «Ist die Nachfrage höher als das Angebot, steigt der Preis - so lernen wir es in der Schule. Also müssten bei einem Fachkräftemangel ganz einfach die Löhne steigen. Doch dem ist nicht wirklich so.»

«Hat somit die Branche das Prinzip von Angebot und Nachfrage nicht verstanden? Ich glaube nicht. Bei Zühlke sind die Löhne in den letzten Jahren zwar gestiegen, jährlich um durchschnittlich 2 bis 3 Prozent. Doch bei der Gewinnung von Fachkräften ist der Lohn nur ein Argument unter vielen. Kommt hinzu, dass Unternehmen wegen der Frankenstärke auch in Zukunft nicht mehr bezahlen können. Was daher zählt, ist das Gesamtpaket inklusive Weiterbildungsmöglichkeiten.»

«Zu viele Faktoren haben Einfluss»

Beat Saurer, Partner bei Oprandi & Partner: «Ob sich der Fachkräftemangel auf die künftige Salärentwicklung auswirkt, lässt sich kaum generell beantworten - zu viele Faktoren haben Einfluss.»

«Einerseits hat die aktuelle wirtschaftliche Lage gerade in der exportierenden Maschinenindustrie starke Auswirkungen auf die Ertragslage. Dies wird Konsequenzen auf die firmeninterne Salärstruktur haben. Anderseits darf man den Fachkräftemangel durchaus einmal kritisch hinterfragen.»

«Wie kommt es, dass ein erfahrener Ingenieur im Bereich Robotik/Automation, mehrsprachig und kompetent keine attraktive neue Funktion in der Schweiz findet? Trotzdem erwarten wir in der Salärentwicklung für Ingenieure in der Schweiz tendenziell eher eine Stagnation.»

Teuerung ist auch ein Faktor

Sabine Schibli, Leiterin HR Compensation and Benefits bei Siemens Schweiz: «Die Löhne haben sich in den letzten Jahren insgesamt nur moderat entwickelt. So ist es nicht erstaunlich, dass auch bei den Ingenieuren das Lohnniveau nominal nur leicht gestiegen ist. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass dies bei einer teilweise negativen Teuerung einer Kaufkraftzunahme entspricht.

Die Kandidaten kommen heute zumeist mit realistischen Lohnvorstellungen in die Bewerbungsgespräche. Im Vordergrund steht neben dem Jobinhalt jedoch oft nicht nur das reine Gehalt, sondern Themen wie Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeitmodelle oder Home-Office-Möglichkeiten, auf die wir als Arbeitgeber besonderen Wert legen.»

Mitglieder sollen um Lohn kämpfen

Umso mehr fordert Löhr als Vizepräsident von Swiss Engineering seine rund 13 000 Mitglieder auf, sich für eine bessere Honorierung starkzumachen, um dies in einer nächsten Salärstudie abbilden zu können. Selbst wenn infolge des Frankenschocks momentan weniger Stellen ausgeschrieben sind.

«Wir wollen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass unsere vielseitigen und kreativen Berufe auch betreffend Gehalt attraktiv bleiben. Wir sind es der Gesellschaft schuldig, dass es genügend Ingenieure und Architekten gibt, die mit ihrer Innovationskraft unseren Wohlstand ermöglichen», sagt Löhr.

Wer Mehrwert für Kunden schafft, sollte Arbeitgebern mehr wert sein.

Swiss Engineering, der nationale Berufsverband der Ingenieure und Architekten, führt alljährlich eine Salärstudie bei seinen rund 13'000 Mitgliedern durch. 2642 nahmen diesmal an der Umfrage des Marktforschungsinstituts Demoscope teil. Schwerpunkte bilden das Dossier für Berufseinsteiger und das Spezialthema über die Zusammenarbeit von Jung und Alt.

Salärniveau 2014 betrug das gemittelte Jahreseinkommen 113 600 Franken. Im Vergleich zum Vorjahr sind die individuellen Löhne der Umfrageteilnehmer um durchschnittlich 0,5 Prozent gestiegen, wobei die Hälfte von ihnen jedoch keine Gehaltserhöhung erhielt.

Die Salärbroschüre 2015 kann für 95 Franken via www.swissengineering.ch bestellt werden.