Täglich beklagen hiesige Medien, angeregt von jammernden Verbandsfunktionären, das Trump’sche Zollchaos. Man verhöhnt seine Schocktherapie mittels Drohungen, Anklagen und Deal-Offerten. Doch man muss diese Kraftmeierei nicht als Stärke, sondern vielmehr als Anzeichen der Schwäche des absteigenden Hegemons USA erkennen.

Industrielle Schwächen mittels Schutzzöllen abzuwehren, ist ein rationaler Reflex aus der Vulgärökonomie. Ich erinnere mich an die harten Fragen hierzulande von Gewerkschaftern des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverbands, als nacheinander die Eisenwerke in der Klus, in Choindez, Rondez, Monteforno und Gerlafingen wegen billiger Stahlimporte zunehmend in Nöte gerieten: «Warum erhöht der Bundesrat nicht einfach die Zölle gegen den billigen lothringischen und russischen Stahl? Warum rettet niemand unsere soliden Giessereien?»

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Die eigene Industrie schützen und die Importe mit Zöllen verteuern: Diese Logik zieht sich durch die Wirtschaftsgeschichte bis hinein in die heutige US-Regierung. Die protektionistische Rückzugsstrategie von «Make America great again» kann man nur einordnen, wenn man die Geschichte der industriellen Zerstörung in den USA nach 1995 und vor allem die sozialen Folgen zur Kenntnis nimmt. Innert eines Jahrzehnts sind die nördlichen Industriegebiete der USA durch chinesische und asiatische Billigimporte regelrecht vernichtet und in Industriewüsten verwandelt worden. Und das ohne Umstrukturierungshilfe, ohne Arbeitslosenversicherung, ohne Umschulungen.

Der Gastautor

Rudolf Strahm ist ehemaliger Preisüberwacher und Ex-SP-Nationalrat.

Spätfolge ist der politische Umschwung zu Trump in den Swing States. Der heute in den Rechtspopulismus abgedriftete US-Vizepräsident J. D. Vance hatte 2016 in seiner traurigen, sozialkritischen Autobiografie «Hillbilly-Elegie» die durch den Freihandel bedingte Zerstörung der amerikanischen Eisen-, Verhüttungs-, Maschinen- und Autoindustrie im heutigen Rust Belt anhand des Armutsdramas in seiner Jugend eindrücklich beschrieben.

Die amerikanische Industrie ist nicht konkurrenzfähig

Dreissig Jahre seit der Gründung der WTO 1995, ohne soziale Leitplanken, ist Amerika – mit Ausnahmen bei Rüstung, Raumfahrt und anderen technologischen Nischen – eine industrielle Wüste, die mit Importen aus Asien und aus einzelnen Ländern Europas geflutet wird.

Die amerikanische Industrie ist nicht konkurrenzfähig und produziert schlechte Qualität. Wer kauft schon amerikanische Autos, Waschmaschinen oder Küchengeräte, die nach zwei, drei Jahren den Geist aufgeben? Jetzt kurzfristig ein Fachkräftepotenzial für eine Reindustrialisierung auszubilden, ist eine Illusion. Mein ins Englische übersetztes Buch «Die Akademisierungsfalle» zur Berufsbildung wurde mit einem Vorwort vom damaligen Bundesrat Johann Schneider-Ammann in den USA verbreitet. Dieser war stolz auf die Einladung von Obama. Doch in den USA wirken hundert Hürden gegen ein öffentliches Berufsbildungssystem.

Die Folgen sind Handelsbilanz- und Zahlungsbilanzdefizite in astronomischen Dimensionen. Sie werden mit Treasury Bills und Treasury Bonds, auch durch ausländische Investoren, auf Pump finanziert. Heute übersteigt der Zinsendienst der USA die Höhe der Militärausgaben. Nun haben Ratingagenturen den USA-Schuldtiteln die Bestnote AAA entzogen. Die Investoren verlangen höhere Risikoprämien. Die amerikanische Grossmacht kann die Krankheitssymptome ihrer Schuldenwirtschaft nicht länger verbergen.

Die möglichen Massnahmen des Präsidenten

Was kann die US-Regierung tun, um diesen langfristigen, säkularen Abwärtstrend zu brechen? Konrad Hummler und Ivan Adamovich haben in der Schrift «Vom Umgang mit Amerika» den mutigen Schritt unternommen, gegen den hiesigen Lamentier-Strom zu schwimmen. Sie erklären die Rationalität des provokativen US-Verhaltens aus der Optik des amerikanischen Nationalismus.

Trump will nun seine Wirtschaft mit hohen Zöllen schützen – mit den Folgen von Inflation und Wachstumsbremsen. Man könnte gemäss Heritage Foundation den Dollar als Weltwährung abwerten – mit der Folge sicherer Rebellion der Wall Street. Trump versucht, die überdehnte globale Truppenpräsenz als Weltpolizei mit 750 Militärstützpunkten in achtzig Ländern abzubauen – mit der Folge, dass Macht und Vertrauen verloren gehen.

Die logische Konsequenz aus diesem Dilemma ist Trumps manifeste Feindschaft gegen die liberale, regelbasierte Weltordnung des Multilateralismus, die von den USA einst geschaffen worden ist. Was dem absteigenden Hegemon bleibt, ist Rückzug und Abschottung. Er rechtfertigt dies mit der neuen, tripolaren Weltordnung mit den USA, China und Russland. Den Europäern bleibt (nutzloser) Ärger mit dem Trump’schen Protektionismus. Wir werden noch viele Eskapaden der Maga-Logik erleben.