Ganz in Schwarz gekleidet erschien die Chefin der russischen Zentralbank Elvira Nabiullina am vergangenen Montag zu einer Pressekonferenz. Die Zentralbankerin ist bekannt für ihre symbolträchtige Kleidung. In der ersten Corona-Pandemie trug sie eine Brosche in Form eines Hauses, um die Leute aufzufordern, zu Hause zu bleiben. Als sie einen Monat später die Zinsen senkte, wählte sie eine Taube. Und nun erschien sie ganz in Schwarz.

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Die Menschen deuten daraus, dass die russische Wirtschaft begraben wird. Nabiullina wollte damit zeigen, dass die Sanktionen gegen Russland ein schwerer Schlag sind und dass eine düstere Zeit angebrochen ist. 

Die steigende Inflation und der harte Einbruch des Rubels führten dazu, dass die russische Zentralbank den Leitzins auf einen Rekordwert von mehr als 20 Prozent verdoppelt hat, um den horrenden Preisanstieg irgendwie zu stoppen. Besonders hart für Russland ist, dass die Vermögenswerte der Zentralbank eingefroren sind. Nabiullina war Herrin über Devisenreserven von unglaublichen 630 Milliarden Dollar, die den Rubel hätten stabil halten sollen. Dieses Geld ist nun fast nutzlos geworden. 

Das stellt Elvira Nabiullina vor die härteste Probe ihrer gesamten Karriere, und das gleich nach der Corona-Pandemie. An der Pressekonferenz sagte sie, dass die russische Wirtschaft «mit einer völlig untypischen Situation» mit nie dagewesenen Bedingungen zu kämpfen habe. 

Vor der grössten Be-Währungsprobe

Elvira Nabiullina ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt und hält sich bewusst bedeckt. Dabei ist die 58-Jährige eine der mächtigsten Frauen der Welt. Das Magazin «Euromoney» wählte sie vor sieben Jahren zur besten Notenbankerin, das Magazin «Forbes» setzte sie auf die Liste der einflussreichsten Frauen der Welt. Doch jetzt muss Nabiullina beweisen, wie gut sie die wohl grösste Krise der russischen Wirtschaft – ausgelöst durch die Sanktionen – meistern kann. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat eine klare Ansage in Richtung Nabiullina gemacht und die Vermögenswerte der russischen Zentralbank stilllegen lassen.

Damit wird die milliardenschwere Kasse, die Putins Krieg in der Ukraine finanziert, empfindlich getroffen. Die Devisen, welche die russische Zentralbank angehäuft haben, liegen nicht im Land selbst, sondern vor allem bei westlichen Zentralbanken und Banken. Eine neue Situation für die erfahrene Makroökonomin. «Nabiullina hat jede Art von Stresstest durchlaufen, aber keinen Krieg», sagt ein ehemaliger hoher Beamter, der sie kennt, gegenüber der «Financial Times» (FT). «Niemand hat ihr gesagt, dass das kommen würde.»

Sozusagen über Nacht wurde Nabiullina in ein Chaos gestürzt, wie es die russische Wirtschaft seit Jahrzehnten nicht erlebt hat. Die Festung, welche sie durch die Hunderte von Milliarden an Devisen aufgebaut hatte, ist eingestürzt. Der Schutz vor westlichen Sanktionen zerbrochen. Das einzige Mittel, das Nabiullina einsetzen konnte in den vergangenen Tagen, war die Erhöhung des Leitzinses. Dazu setzte Russlands Präsident Putin auf die Kontrolle des Kapitals von russischen Unternehmen. Deviseneinnahmen müssen verkauft werden, Transfers ins Ausland sind verboten. Mit diesen verzweifelten Massnahmen wird klar, wie angeschlagen die russische Wirtschaft ist.

Ihr sind die Hände gebunden

Bisher hat Nabiullina vieles richtig gemacht – zumal sie als weibliche Spitzenbeamtin in Russland alleine auf weiter Flur ist. Sie hat ihr Amt 2013 angetreten und wird jeweils für eine fünfjährige Amtszeit gewählt. Gleich zu Anfang ihrer Karriere als Chefin der Zentralbank hat sie klare Zeichen gesetzt. Als 2014 wegen der Annexion der Krim bereits erste Sanktionen auf Russland zukamen, hat sie den Rubel gestützt und die Zinssätze auf 17,5 Prozent erhöht. Trotz dem wirtschaftlichen Einbruch hielt sie an ihrer konservativen Geldpolitik fest – mit Erfolg. Die Inflation sank und die russische Wirtschaft nahm wieder an Fahrt auf. 

Trotz dieser vermeintlichen Entschlossenheit ist Nabiullina stark mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verbunden. Ihm gegenüber zeigt sie sich weniger entschlossen. Das brachte der Zentralbankerin auch immer wieder Kritik bei ihren Amtskollegen im Ausland ein.

Der Tenor: Nabiullina ist erfahren, aber sie vertritt keine Meinung gegenüber dem Regime. «Sie ist eine sehr professionelle, erfahrene Makroökonomin und Zentralbankerin. Daran besteht kein Zweifel», sagt Valeria Gontareva, die von 2014 bis 2017 an der Spitze der ukrainischen Zentralbank stand. «Aber ohne Werte ist ihre Professionalität nichts», sagt sie gegenüber der FT.

MOSCOW, RUSSIA - SEPTEMBER 24, 2019: Russia's President Vladimir Putin (L) and Russian Central Bank Governor Elvira Nabiullina talk during a meeting at the Moscow Kremlin. Mikhail Klimentyev/Russian Presidential Press and Information Office/TASS (Photo by Mikhail Klimentyev\TASS via Getty Images)

Elvira Nabiullina und Wladimir Putin im Jahre 2019 bei einer Besprechung. 

Quelle: Mikhail Klimentyev/TASS

Kein guter Zeitpunkt für einen Rücktritt

Der Krieg in der Ukraine hat Nabiullinas Pläne durcheinandergewirbelt. Russland hatte sich nach der Pandemie ganz gut erholt, Nabiullina führte eine eiserne Hand gegenüber Kryptowährungen. Jetzt sieht sich die Chefin der russischen Zentralbank mit langen Schlangen vor den Geldautomaten konfrontiert, Panik breitet sich in der Bevölkerung aus.

«Der einzige Weg für sie ist, die Wechselkurse zu fixieren, alle Beschränkungen sofort zu beseitigen, die Bankenpanik zu stoppen – und ihr Rücktrittsschreiben einzureichen. Und sie wird eine respektierte Person in der Welt sein», sagte Gontareva. «Andernfalls wird sie in Den Haag mit all diesen Banditen sitzen.» 

Nabiullina hat bisher kein Wort über den Krieg in der Ukraine verloren und zu wenig deutlich gemacht, wie sehr die westlichen Sanktionen die russische Wirtschaft ins Verderben stürzen.