Europa und Japan sollen ab 2019 zur weltweit bedeutendsten Freihandelszone mit insgesamt mehr als 600 Millionen Menschen zusammenwachsen: Kurz vor Beginn des G20-Gipfels haben die EU und Japan den Weg für ein gemeinsames Freihandelsabkommen geebnet. Beide Seiten hätten sich «im Prinzip» auf das Abkommen geeinigt, liess EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verlauten.

«Wir haben es geschafft», sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag in Brüssel. «Obwohl einige sagen, dass die Zeiten von Isolationismus und Zerfall zurückkommen, zeigen wir, dass dies nicht der Fall ist. Die Welt muss wirklich nicht die Zeit um 100 Jahre zurückdrehen.»

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Kaum Schwierigkeiten erwartet

Auch der japanische Regierungschef Shinzo Abe sprach von einem «starken Willen», sich protektionistischen Tendenzen entgegenzustellen. Er bezeichnete die Vereinbarung mit der EU als Geburtsstunde der weltweit grössten Wirtschaftszone mit einem freien Warenverkehr.

Beim dem Abkommen handelt es sich jedoch erst um eine Grundsatzeinigung. Geklärt werden muss laut Juncker unter anderem noch die Frage des Investitionsschutzes. Er erwarte jedoch keine Schwierigkeiten bei den Verhandlungen weiterer Details, sagte er weiter.

Die EU will mit Hilfe des Abkommens Zölle in Höhe von einer Milliarde Euro einsparen und ihre Ausfuhren nach Japan erhöhen. Japan ist nach den USA und China die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt und damit ein äusserst interessanter Absatzmarkt für europäische Unternehmen. Kritiker des Pakts fürchten jedoch um europäische Standards.

Schutzklauseln für japanische Bauern

Die Grundsatzeinigung am Donnerstag ermöglichten EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und Japans Aussenminister Fumio. Sie hatten am Mittwoch letzte Differenzen ausgeräumt.

Gemäss eines EU-Berichts zu den bisherigen Verhandlungsergebnissen hat Japan akzeptiert, dass der europäische Zoll auf japanische Autos von derzeit zehn Prozent erst sieben Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens komplett abgebaut sein wird. Die Regierung in Tokio handelte im Gegenzug zum Beispiel Schutzklauseln für japanische Bauern aus.

Kein japanisches Walfleisch

Bekannt wurde auch, dass über 200 europäische Erzeugnisse von ausgewiesener geografischer Herkunft auch in Japan geschützt werden sollen. Dazu gehören etwa Lübecker Marzipan, Tiroler Speck oder Wodka aus Polen (Polska Wodka). Die von Umweltschützern befürchtete Einfuhr von Walfleisch in die EU soll es den EU-Angaben zufolge auch künftig nicht geben. Den Import von illegal geschlagenem Holz wollen beide Seiten verhindern.

Erstmals enthält eine Wirtschaftspartnerschaft auch eine Verpflichtung zum Pariser Klimaabkommen. Über eine parallel verhandelte strategische Partnerschaft wollen beide Seiten darüber hinaus in den Bereichen Umwelt, Antiterror und Sicherheit zusammenarbeiten.

Die EU strebe ein Inkrafttreten des seit 2013 verhandelten Abkommens Anfang 2019 an. Um dies zu erreichen, müsste bis Ende des Jahres eine endgültige Fassung des Abkommens vorliegen. Im Anschluss wäre es dann an den EU-Mitgliedstaaten, den Vertrag auch über ihre nationalen Parlamente noch zu ratifizieren. Zustimmen muss auch das EU-Parlament.

«Klare Botschaft an die Welt»

Das Freihandelsabkommen EU-Japan gilt als Signal gegen Protektionismus vor dem G20-Gipfel in Hamburg. Mit der Grundsatzeinigung «senden wir die klare Botschaft an die Welt, dass wir für offenen und fairen Handel stehen», sagte Juncker. US-Präsident Donald Trump, der ebenfalls am G20-Gipfel teilnehmen wird, setzt mit seiner «America First»-Politik auf wirtschaftliche Abschottung und kündigte das transpazifische Freihandelsabkommen TPP auf, an dem auch Japan beteiligt ist.

Bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung «Die Zeit» kurz vor Beginn des G20-Gipfels begrüsste der Chef der Welthandelsorganisation WTO, Roberto Azevedo, die grundsätzliche Einigung. «Das ist eine fantastische Neuigkeit und eine gute Nachricht.»

Für eine solche Initiative könne es nur Applaus geben. Besser als solche bilaterale Freihandelsabkommen seien zwar Vereinbarungen auf multilateraler Ebene, sagte Azevedo weiter. Aber das Problem sei, dass man hier aktuell nicht vorankomme.

(sda/gku)