Der Grund: Noch kann niemand die Folgen eines möglichen Super-GAUs einschätzen. Zwar hat man mit dem Erdbeben in Japan von 1995 einen Referenzpunkt, wenn es um die wirtschaftlichen Folgen des Mega-Bebens mit anschliessendem Tsunami geht. Die Konsequenzen einer atomaren Verseuchung dicht besiedelter Gebiete sind für Ökonomen aber noch Neuland.

Andreas Rees, Deutschland-Chefökonom der Bank UniCredit, wählt daher einen anderen Ansatz, um sich dem Problem zu nähern: Er diskutiert Wege, über die sich die Katastrophe auf die Weltwirtschaft übertragen könnte. Unter dem Strich sieht Rees wie auch viele andere Ökonomen grosse Risiken für die Weltwirtschaft, die wegen der Finanz- und Schuldenkrise ohnehin angeschlagen ist.

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Indirekte Belastung

Besonders stark betroffen dürfte demnach der asiatisch-pazifische Wirtschaftsraum sein. Ausschlaggebend sind die starken Handelsverflechtungen Japans mit vielen Ländern aus dieser Region, insbesondere mit China, Australien und Südkorea. Demgegenüber ist der Handel Japans mit dem Euro-Raum sowie mit den USA weniger stark ausgeprägt.

"Allerdings könnten die negativen Impulse für die Unternehmen über Drittmarkteffekte entstehen", schränkt Rees ein. So ist der Handel von Deutschland und anderen Euro-Ländern insbesondere mit China in den vergangenen Jahren stark gewachsen.

"Schwächt sich die chinesische Konjunktur spürbar ab, hat dies wiederum deutliche Auswirkungen auf Deutschland." Darüber hinaus gilt China seit der Finanzkrise als wichtigste Stütze der Weltwirtschaft.

Tiefere Ölpreise

Neben dem Aussenhandel nennen Experten weitere Faktoren, die der Weltwirtschaft einen Schlag versetzen könnten. So dürfte sich die Konsumenten- und Unternehmensstimmung durch die japanische Katastrophe spürbar eintrüben, was Konsum und Investitionen belastet. Darüber hinaus sorgt die weltweite Talfahrt an den Börsen für hohe Verunsicherung. Der starke Yen wiederum könnte das Wachstum Japans zusätzlich belasten. Zudem dürfte Japan als Käufer von Staatsanleihen zunächst ausfallen, was zu einer Verschärfung der europäischen Schuldenkrise führen könnte.

Auch den USA, die auf hohe Zuflüsse ausländischen Kapitals angewiesen sind, könnte dieser Effekt einen konjunkturellen Dämpfer versetzen.

Demgegenüber gibt es aber auch Faktoren, die das Wachstum stützen könnten. So haben die Ölpreise seit dem japanischen Beben deutlich nachgegeben, nachdem sie zuvor wegen der Unruhen in der arabischen Welt stark gestiegen waren. Zudem könnte die japanische Krise dafür sorgen, dass wichtige Notenbanken ihre geldpolitische Straffung aussetzen.

Erfahrungen aus Kobe

Welche gesamtwirtschaftlichen Effekte letztlich überwiegen, dürfte vom Ausgang des Unfalls im japanischen Atomkraftwerk Fukushima abhängen. Denn Erdbeben und Tsunami für sich betrachtet dürften die Wirtschaft Japans nur kurzfristig belasten, wie die Grossbank Société Générale in einer Studie ausarbeitet.

Mittelfristig dürfte die japanische Wirtschaft - genauer: das Japanische Bruttoinlandsprodukt - durch die Aufräumarbeiten sogar einen starken Schub erhalten. Ähnliches gilt für die wichtigsten Handelspartner Japans. Viele Ökonomen bemängeln unter anderem aus diesem Grund das Bruttoinlandsprodukt als alleiniges Mass für den Wohlstand eines Landes

Als Referenzpunkt für die Auswirkungen des Bebens und des Tsunamis wählen Experten zumeist das schwere Erbeben in Japan von 1995. Seinerzeit führte die Zerstörung zu einer starken, allerdings nur übergangsweisen Belastung der japanischen Wirtschaft. Die OECD beziffert die damaligen Schäden auf zwei Prozent der japanischen Wirtschaftsleistung. (laf/rcv/sda)