Kein Mittel gegen Wohnungsnot: Wieso sich leere Büros kaum in Wohnungen umnutzen lassen

Der Schweiz droht eine Wohnungsnot. Treffen die Prognosen ein, werden in den kommenden Jahren Zehntausende von Wohnungen fehlen. Auf Social Media, am Küchentisch und in Amtsstuben wird heiss diskutiert: Wie lässt sich der Engpass verhindern? Ein Vorschlag ist besonders beliebt. Wieso werden leerstehende Büros nicht zu Wohnungen umgebaut? Schliesslich bleiben seit der Corona-Pandemie viele Arbeitsplätze unbesetzt, weil die Angestellten den Tag lieber zu Hause verbringen. Und dieser Aufschwung von Homeoffice würde es Unternehmen ermöglichen, auf Räume zu verzichten. Um schätzungsweise 15 Prozent dämpft Telearbeit die Nachfrage nach Büros in den nächsten Jahren. Das schätzt die Credit Suisse. Hinzu kommt, dass in vielen Städten mehr Büros leer stehen als Wohnungen. Kurzum: Die Idee besticht. Leider weist der Vorschlag bei näherer Betrachtung eine Kehrseite auf. Und diese hat es in sich. Denn es gibt zwei grosse Hürden, die Umnutzungen verhindern: Erstens ist ist die Lage der Büros oft ungeeignet, beispielsweise weil sie sich in Industrie- und Gewerbezonen befinden, wo Wohnen nicht erlaubt ist. Und wo vermutlich niemand wohnen will: Wer lebt schon gerne inmitten schmuckloser Fabrikbauten oder entlang stark befahrener, lärmiger Strassen? Ist es zu lärmig, kommt der Standort wegen des Lärmschutzes ohnehin nicht infrage. Zweitens: Häufig ist der Grundriss unzureichend. Attraktive Wohnungen sind hell, weisen eine clevere Raumaufteilung auf, verfügen über Balkon, Bad und sind per Lift zu erreichen. Solche Qualitäten lassen sich bei vielen Gebäuden auch durch einen Umbau nicht erlangen. Hohe Kosten für Umbau Sind die Voraussetzungen dennoch erfüllt, scheitert die Umnutzung häufig an der Wirtschaftlichkeit. Denn: Die Investorinnen müssen für die Wohnungen eine Miete verlangen können, welche die hohen Kosten für den Umbau aufwiegt. Ein solcher Umbau könne schnell einmal 2000 bis 3000 Franken je Quadratmeter kosten, rechnet David Schoch vom Immobilienberatungsunternehmen CBRE vor: «Häufig müssen sie ein Gebäude bis auf den Rohbau entkernen.» Durch den Umbau geht zudem Fläche verloren – schliesslich wird oft ein kahles Grossraumbüro in ein mit Infrastruktur vollgepacktes Apartment verwandelt. Wo können die höchsten Wohnungsmieten verlangt werden, mit denen die hohen Umbaukosten hereingeholt werden könnten? Es ist an den zentralen Orten, wo besonders viele Menschen wohnen wollen. Aber just an diesen guten Lagen sind eben auch Büroräumlichkeiten sehr gefragt und die Büromieten entsprechend hoch. Leere Büros sind vor allem in der Peripherie zu finden – wo aber auch die Wohnungsmieten niedrig sind. Ein Vergleich zweier Zürcher Gegenden zeigt das Problem: Im Stadtzentrum sind gemäss Daten der Immobilienberatungsfirma JLL Schweiz aktuell nur 2,6 Prozent aller Büroräume frei, in Opfikon/Glattbrugg hingegen stehen knapp ein Drittel aller Büros leer. Die Spitzenmiete in der Agglomeration liegt um mehrere Hundert Franken pro Quadratmeter tiefer als in der City. Nun kristallisiert sich eine Zauberformel heraus: Umnutzung rentiert dort, wo viele Büros leer stehen, die Büromieten tief und die Nachfrage nach Wohnungen hoch sind. Solche Orte gibt es durchaus, wie ein Blick auf Bern und Zürich zeigt. In Bern sind letztes Jahr 292 Wohnungen durch Umnutzungen entstanden. In Zürich waren es 194 an der Zahl. Ein Beispiel für ein gelungenes Projekt: In Baden baute die Zuger Firma City Pop 119 Kleinwohnungen in ehemalige Büroräume ein. Sie werden als möblierte Mikroapartments an Kurzaufenthalter vermietet. Und zwei weitere Beispiele: In Zürich-Oerlikon verwandelte eine Architekturfirma die Firmenliegenschaft Octavo II in 82 Mietwohnungen. In Bern schuf die Immobilienfirma SPS aus dem ehemaligen Hauptsitz der Schweizerischen Post Schönburg einen Apartmentkomplex inklusive Hotel, Supermarkt und Fitnesscenter. Insgesamt bleibt das Potential aber bescheiden – mit Büroumbauten lässt sich eine Wohnungsnot nicht verhindern. Gregor Strocka vom Immobilienberatungsunternehmen JLL Schweiz findet solche Vorhaben dennoch wichtig. «Sie helfen mit, die Knappheit zu entschärfen. In der aktuellen Situation müssen wir jedes Instrument nutzen, um Wohnraum zu schaffen», sagt der Experte.

Kein Mittel gegen Wohnungsnot: Wieso sich leere Büros kaum in Wohnungen umnutzen lassen

Leere Büros lassen sich kaum in Wohnungen verwandeln