Das Haus der Zukunft wird nicht besonders gedämmt – denn Energie ist im Überfluss vorhanden. Mit dieser These rüttelte Hansjürg Leibundgut letzten Herbst die Fachwelt auf. Der ETH-Professor für Gebäudetechnik proklamierte: «Wir brauchen nicht zu sparen, wenn wir Solarenergie konsequent ausnutzen – mit hohen Wirkungsgraden, wie sie die kombinierte Nutzung elektrischer und thermischer Solarenergie verspricht». Was ist dran an der Technologie? Ist die solare Zukunft hybrid?

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Naheliegende Symbiose

Limitierte Dachflächen erfordern die gleichzeitige Nutzung von photovoltaischer (PV) und thermischer (T) Solarenergie. Die technische Umsetzung passiert im PVT-Hybrid-Kollektor. Bereits 2007 zeigte eine Studie der Internationalen Energie Agentur (IEA): PVT-Kollektoren erzeugen mehr Energie pro Quadratmeter als thermische Kollektoren oder Photovoltaik-Module nebeneinander. Von der eingestrahlten Solarenergie wandelt eine photovoltaische Solarzelle lediglich 15 Prozent in Strom um (thermische Kollektoren erreichen Wirkungsgrade von bis zu 80 Prozent). Der Rest bleibt ungenutzt – überwiegend in Form von Wärme; dadurch heizt sich die Solarzelle selber auf, wodurch der Wirkungsgrad der Stromerzeugung sinkt. Rund 85 Prozent der Energie gehen verloren. Durch Kühlung des Solarmoduls kann nutzbare Abwärme gewonnen werden. Neben Strom produziert ein solcher Hybridkollektor zusätzlich Wärme. Der Ausnutzungsgrad der Sonnenenergie steigt mit der Hybrid-Technologie unter Laborbedingungen auf bis zu 88 Prozent.

Breite Forschung

Den aktuellen Stand der Technologie beschreibt Professor Matthias Rommel als fortgeschrittenes Forschungsstadium. Der Leiter des Instituts für Solartechnik (SPF) an der Hochschule Rapperswil beschäftigt sich seit vier Jahren intensiv mit der Hybridtechnologie. Derzeit bieten weltweit rund 15 Hersteller Hybridkollektoren an. Diese basieren auf unterschiedlichsten Technologien. In manchen Modellen wird Luft als Wärmeträgermedium eingesetzt.

Die Mehrzahl der Kollektoren verfügt über eine flache Oberfläche aus Solarzellen, die mit darunterliegenden Absorbern thermisch verbunden ist. Dazu kommen noch Modelle mit konzentrierenden Spiegeln. Diese bündeln die Solarstrahlung auf eine mit Solarzellen bedeckte Röhre, welche von einer Kühlflüssigkeit durchströmt wird. Der Trend geht laut Rommel allerdings zu flüssig gekühlten Flachkollektoren, die je nach Anwendung verglast oder offen ausgeführt werden. Er hofft auf eine Intensivierung der Forschung – auch im Bereich der Produktionsprozesse. Denn wirtschaftlich konkurrenzfähig wird die Hybridtechnologie in Zukunft nur durch Massenfertigung.

Wirtschaftlichkeit als Hürde

Die Wirtschaftlichkeit ist die grösste Hürde für die Entwicklung eines PVT-Marktes. Unter rein monetären Gesichtspunkten sind heute nebeneinander betriebene Einzellösungen vorzuziehen. Die Entwicklung ist allerdings vielversprechend. Das schweizerische Unternehmen 3S aus Lyss hat in Kooperation mit der ETH einen Hybridkollektor (elektrisch: 240 Wp, thermisch: 800 Wp) produziert, welcher dieses Jahr in der Praxis getestet wird. Parallel bereitet der Solarmodulhersteller die Serienfertigung des Kollektors vor.
Einen technologischen Meilenstein setzte indessen das Fraunhofer Institut für solare Energietechnik (ISE) in Freiburg. Ein speziell entwickelter PVT-Kollektor erreichte unter Laborbedingungen einen thermischen Wirkungsgrad von 79 Prozent – wie ihn gute konventionelle Sonnenkollektoren bieten. Der zusätzliche elektrische Wirkungsgrad betrug knapp 9 Prozent. Eine derart gute Performance ist nur mit speziell entwickelten Kollektoren erreichbar, ist SPF-Instituts-Leiter Matthias Rommel überzeugt. Er war Initiator des Entwicklungsprojekts am Fraunhofer ISE und leitete es bis zu seinem Wechsel ans SPF. Entscheidend ist ein guter Wärmeübergang zwischen Solarzelle und Wärmeträger. Zum Testen neuer Produkte hat sein Institut in Rapperswil gerade einen Prüfstand für Hybridsysteme eingerichtet.

Grosse Hoffnung wird in die Verbindung von PVT-Kollektoren mit Wärmepumpen gesetzt. Erfolgversprechend ist die Kombination deshalb, weil die Systeme sich ergänzende optimale Betriebsbedingungen haben. Die Photovoltaik hat es lieber kalt – die Wärmepumpe warm. Die Abwärme der gekühlten Photovoltaik wird im Erdreich gespeichert. Dadurch steigt das Temperaturniveau im Boden, was zu einem effizienteren Betrieb der Wärmepumpe führt. Von einem synergetischen Doppelnutzen spricht Erik Bertram, Forscher am Institut für Solarenergieforschung im norddeutschen Emmerthal. In einem Einfamilienhaus testete er 2009 und 2010 ein solches System. Dabei handelte es sich um einen flachen unverglasten PVT-Kollektor. Für die relativ niedrigen Betriebstemperaturen im Wärmepumpensystem ist dies die geeignete Kollektorform, so Erik Bertram.

Durch die Kühlung erzeugte der Hybridkollektor während der Studie durchschnittlich 4 Prozent mehr Strom, gegenüber einem rein photovoltaischen Referenzmodul. Durch die thermische Regeneration des Bodens konnten zudem rund 10 Prozent Strom für die Wärmepumpe eingespart werden. In der Schweiz hat die Kombination aus Hybridkollektor und Wärmepumpe bereits ihre nächste Bewährungschance. Das Bundesamt für Energie (BFE) fördert ein Pilotprojekt zum emissionsfreien Wohnen in Zürich. Das von ETH-Professor Hansjürg Leibundgut geplante Mehrfamilienhaus nutzt Wärme und Strom aus dem Hybridkollektor von 3S.

Energieträger

Energiebedarf: In Zukunft leben in der Schweiz mehr Menschen auf gleicher Fläche. Grosse Städte wie Zürich und Basel schaffen neue Wohnflächen durch räumliche Verdichtung. Gleichzeitig
soll die Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Energieträgern sinken. Ein möglichst grosser Anteil des Energiebedarfs muss also mit Trägern erneuerbarer Energie abgedeckt werden. Das Potenzial für Sonnenkollektoren im Wohngebäudepark liess das BFE in einer 2010 veröffentlichten Studie untersuchen. Exemplarisch wurden 1000 Gebäude im Kanton Freiburg und 210 Bauten in der Stadt Zürich analysiert.

Das Ergebnis: An beiden Orten kann ein Drittel der Dachflächen für die Gewinnung solarer Energie genutzt werden. Bei Berücksichtigung der Wohnfläche unter dem Dach ändert sich das Bild. Im Kanton Freiburg kommen auf 100 Quadratmeter Wohnfläche gerade 11,7 Quadratmeter nutzbare Dachfläche – in Zürich sind es nur 4,8. Mit thermischen Kollektoren könnte Zürich derzeit gerade 19 Prozent seines Wärmeenergiebedarfs im Wohnbereich solar abdecken. Bei der zunehmend verdichteten Wohnsituation in der Schweiz müssen die beschränkten Dachflächen also mit möglichst wirksamer Technik ausgestattet werden, um einen hohen Grad erneuerbarer Versorgung zu erreichen.