Nach zwölf Jahren an der Spitze tritt Thomas Jordan per September vom SNB-Präsidium zurück. Das hat die SNB heute mitgeteilt. Über die Nachfolge wurde nichts offiziell kommuniziert, doch fest steht, dass Vizepräsident Martin Schlegel die besten Karten hat.

Jordans Ziehsohn

Der 47-jährige promovierte Ökonom ist seit zwanzig Jahren bei der Nationalbank und gilt als Jordans Ziehsohn. Er begann in der Forschung, leitete dann die Abteilung Devisen und Gold, führte mehrere Jahre die SNB-Niederlassung in Singapur und wurde 2018 ins erweiterte Direktorium aufgenommen.

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2022 übernahm er die Führung des zweiten Departements von Fritz Zurbrügg und wurde gleichzeitig Vizepräsident der SNB. In dieser Rolle hat Schlegel bereits Erfahrungen im Austausch mit anderen Zentralbanken auf oberster Ebene machen können. So war er letztes Jahr auf dem Notenbank-Symposium von Jackson Hole.

Fachlich bringt Schlegel das nötige Rüstzeug mit, und er hat sich auch als Vizepräsident bewährt. Deshalb ist Schlegel in der Poleposition. 

Er stünde für Kontinuität und würde die Geldpolitik im Sinne seines Mentors Jordan fortführen. 

Doch erst muss Schlegel noch gewählt werden, und er muss es auch selbst wollen, ist er doch für einen SNB-Präsidenten mit 47 Jahren eher noch jung. Jordan war bei seinem Antritt 49.

Bundesrat muss zustimmen

Die Wahl des SNB-Direktoriums geht vom Bankrat aus. Dieses elfköpfige Aufsichtsgremium der SNB besteht aus Vertretern der Kantone und der Sozialpartner sowie Akademikern und anderen Expertinnen. Präsidentin ist Barbara Janom Steiner, Julius-Bär-VRP Romeo Lacher ist Vize. Das letzte Wort hat aber der Bundesrat. Er muss dem Vorschlag des Bankrats zustimmen.

Einziges Handicap von Schlegel ist, dass er wie sein Vorgänger Jordan beruflich nur die SNB kennt – und dass er keine Frau ist. 

Mit Ausnahme der kurzen Episode mit Andréa Maechler war das oberste SNB-Gremium stets eine reine Männersache. Einzige Frau im erweiterten siebenköpfigen Gremium ist Petra Tschudin. Auch im Mittelbau der SNB ist der Frauenanteil immer noch tief. Gemäss Auswertung dieser Zeitung liegt der Anteil der Frauen an allen im Handelsregisterauszug aufgeführten Personen bei 26 Prozent. Bei der UBS sind es 34, bei der Roche über 40 Prozent.

Der Wunsch nach mehr Frauen in der SNB

Deswegen könnten im Bankrat und in der Politik Stimmen laut werden, endlich eine Frau an die SNB-Spitze zu wählen oder zumindest den vakanten Sitz im Gremium weiblich zu besetzen.

Doch es könnte beim Wunsch bleiben.

Denn schon bei der Suche nach Ersatz für Andréa Maechler zeigte sich, wie schwierig es ist, ein Frau, und am besten noch eine von ausserhalb der SNB, für den Posten zu finden. 

Nach langer Suche und mehrmonatiger Vakanz im Führungsgremium einigten sich der Bankrat und der Bundesrat schliesslich auf Antoine Martin. Der in der Schweiz unbekannte Romand kam von der Federal Reserve und hat Anfang Jahr als drittes Direktionsmitglied die Leitung des dritten Departements des SNB übernommen.

Eine zweite externe Sicht wäre wichtig

Traditionell waren im obersten Gremium der SNB stets zwei Externe und jemand mit SNB-Vergangenheit vertreten. Mit dem Rücktritt von Jordan bietet sich die Möglichkeit, dieses Verhältnis wiederherzustellen. «Denn die Aussensicht ist wichtig», sagt der Basler Wirtschaftsprofessor Yvan Lengwiler, der als einer von drei Experten vom «SNB-Observatory» regelmässig Berichte zur SNB verfasst. Für ihn ist jetzt die Schlüsselfrage, wer ins Gremium gewählt wird, und nicht wer es präsidiert.

Lengwiler hat auch schon Vorschläge für Externe parat: Die Basler Wirtschaftsprofessorin Sarah Lein zum Beispiel, oder der ehemalige Finma-Chef Patrick Raaflaub, der jetzt Risikochef bei Swiss Re ist. Erst wenn das SNB-Direktorium wieder voll besetzt sei, könne man über das Präsidium und damit Jordans Nachfolge bestimmen.

rop
Peter RohnerMehr erfahren