Die Weltbank senkte am Dienstag ihre Wachstumsprognose von bislang 3,0 Prozent auf nur noch 1,7 Prozent. Zudem warnte das Institut vor einer möglichen Rezession. «Die Weltwirtschaft steht auf Messers Schneide», sagte Prognose-Chef Ayhan Kose der Deutschen Presse-Agentur in Washington.

Es handle sich um die niedrigste Wachstumsrate ausserhalb einer globalen Rezession in den vergangenen drei Jahrzehnten. In praktisch allen Regionen werde das Pro-Kopf-Einkommen langsamer wachsen als in der Zeit vor der Coronapandemie, heisst es im Bericht «Global Economic Prospects».

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Dies werde vor allem Entwicklungsländer hart treffen, mahnte Weltbank-Präsident David Malpass. «Es besteht eine verheerende Diskrepanz zwischen den Regionen, die umfangreiche neue Investitionen benötigen, um die wachsende Bevölkerung zu versorgen, und den tatsächlichen Investitionsströmen.» Weitere negative Schocks könnten die Weltwirtschaft in eine erneute Rezession stürzen, wird gewarnt.

Folgen der Zinserhöhungen und des Krieges in der Ukraine

Die vorherige Prognose der internationalen Finanzorganisation stammt noch aus dem Juni 2022. Für die Industrienationen erwartet die Weltbank eine spürbare Abkühlung. So werden für die USA 2023 nur noch 0,5 Prozent Wachstum vorausgesagt, die Euro-Zone dürfte stagnieren. Die Experten sprachen von einer fragilen Situation. Jeder unerwartete Schock könne zu einer globalen Rezession führen. Als mögliche Beispiele dafür wurden neue geopolitische Spannungen oder ein Wiederaufflackern der Corona-Pandemie genannt.

Inflation bleibt grösstes Problem

«Wenn wir eine weitere globale Rezession erleben, denn wir hatten gerade eine im Jahr 2020, dann wird das historisch sein», sagte Volkswirt Kose. Es wäre das erste Mal seit den 1930er Jahren, dass die Weltwirtschaft zwei Rezessionen innerhalb desselben Jahrzehnts erlebe.

Das Risiko sei durchaus vorhanden - auch wenn eine Rezession im Moment nicht das Basisszenario der Weltbank sei: «Wenn es dazu kommt, wird es meiner Meinung nach ziemlich kostspielig werden.»

Die grösste Herausforderung bleibe die hohe Inflation. Die weltweite Teuerungsrate dürfte sich zwar abschwächen, werde aber über dem Niveau vor der Pandemie bleiben, heisst es in der Prognose. Die Zentralbanken müssten die Zinssätze weiter erhöhen oder auf hohem Niveau halten, um Preisstabilität zu gewährleisten, so die Weltbank.

Die US-Notenbank Fed oder die Europäische Zentralbank stemmen sich seit Monaten mit kräftigen Zinserhöhungen gegen die hartnäckig hohen Preise. Das hat allerdings einen Preis: Mit der strengen Geldpolitik wächst das Risiko, dass die Wirtschaft so stark ausgebremst wird, dass Arbeitsmarkt und Konjunktur abgewürgt werden.

Auch das Wachstum in China werde nachlassen

Auch Schwellen- und Entwicklungsländer werden wegen der mauen Aussichten Probleme bekommen. Sie kämpfen bereits mit hohen Schuldenständen und schwachen Währungen. Das könnte auch zulasten von Investitionen in den Ländern gehen, so die Weltbank.

Für China - die zweitgrößte Volkswirtschaft - sagt die Weltbank dieses Jahr ein Wachstum von 4,3 Prozent voraus. Das sind 0,9 Prozentpunkte weniger als noch im Juni erwartet. Im vergangenen Jahr lag die Wachstumsrate bei 2,7 Prozent, der zweitniedrigste Wert seit Mitte der 1970er Jahre. Verantwortlich dafür waren neben der strikten Corona-Politik Verwerfungen auf den Immobilienmärkten des Landes und ein schwacher Konsum. 

(reuters/sda/rul)