Das Tor ins Riesenreich ist kaum zu finden. Wer das verschämte Schild «Zentralverwaltung» an der Abfahrt zur Tiefgarage übersieht, kaum grösser als ein Zeichenblock, der käme nie auf die Idee, dass in dieser schmucklosen Grossgarage in Zürich-Altstetten Europas Champion der Autobranche residiert. Neben der Glastür zum Empfang stellt Emil Frey die Kleinwagen von Kia aus. Der Showroom für Jaguar ist eine, der für Aston Martin zwei Ecken entfernt. Die Zentrale duckt sich weg – hinter ihre günstigsten Produkte.

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Das Versteckspiel hat bei der Emil-Frey-Gruppe Methode. Zwar schreibt Walter Frey im Vorwort der «Auto-Biografie», die 1988 zum 90. Geburtstag seines Vaters erschien, «zu Emil Frey passt nichts anderes als ein redlicher, offener Rechenschaftsbericht» – doch die Offenheit hat im Lauf der Jahre eher abgenommen.

Kaum Präsenz nach aussen

Für die Schweiz sind immerhin Umsatz und Personalbestand des jeweiligen Jahres bekannt. Aus ihrem grössten Markt Deutschland aber liefert Frey dem Nürtinger Institut für Automobilwirtschaft (IFA), das den Händlermarkt begleitet, keine Daten mehr, «ich vermute, Frey will keine Zahlen mehr publiziert haben», sagt IFA-Professor Willi Diez. Offizielle Dokumente zum Aufbau der Firmengruppe, zu ihren Märkten und Geschäftstätigkeiten, zu Umsätzen oder Erträgen – Fehlanzeige.

Eine Konzernbroschüre existiert genauso wenig wie eine Konzernmedienstelle, selbst ein «Gesicht» nach aussen, wie es Hauptkonkurrentin Amag mit ihrem CEO Morten Hannesbo hat, gibt es bei der Frey-Gruppe nicht. CEO Gerhard Schürmann, in der Autobranche hoch angesehen, ist der Öffentlichkeit nahezu unbekannt – am ehesten kennt man ihn vielleicht in seiner Zweitrolle als Vizechef der SVP Zollikon.

Ausbau möglichst inkognito

Gesprächsanfragen der BILANZ hat Walter Frey immer wieder abgelehnt – sein gutes Recht als Patron einer nicht börsenkotierten Familienfirma. Schliesslich haben wir uns allein auf Spurensuche begeben. Erstens, weil die Frey-Gruppe eben kein Verbrauchsmaterial an Firmen verkauft, sondern Emotionales an Konsumenten: vom Subaru Allrad, dem Arbeitspferd der Bergbauern, über den Gutverdiener-Geländewagen Range Rover bis zum Traumwagen Aston Martin.

Und zweitens, weil die Gruppe ihren Ausbau zwar möglichst inkognito betreibt, in Wahrheit aber längst eine bemerkenswerte Grösse hat: Seit vielen Jahren Nummer zwei der Schweiz hinter der Amag, stieg Frey 2013 zum grössten Autohändler Deutschlands auf und hat sich 2017 mit dem Kauf von 275 Standorten der VW-Handelstochter Porsche Holding (PHS) auf Platz eins der unabhängigen Handelsgruppen Europas gefahren. Konservative Schätzungen aus der Branche sehen die Emil-Frey-Gruppe heute bei rund zehn Milliarden Franken Umsatz, realistischer sind wohl elf bis zwölf Milliarden.

 

Emil Frey und die Konkurrenz
Quelle: Bilanz

Den Grundstein legte Emil Frey am 1. Oktober 1924. Im Zürcher Stadtkreis 6 gründete er, Mitte 20 damals, sein erstes eigenes Geschäft: eine Reparaturwerkstatt für Autos. Auf dem Türschild stand: Emil Frey, Mechaniker. Er war auf der deutschen Seite der Grenze aufgewachsen, absolvierte die Mechanikerlehre beim Metall-Allrounder Hermann Sigrist in Brombach, der Lehrlingslohn für das gesamte erste Jahr betrug 50 Deutsche Mark. Während des Ersten Weltkriegs verdingte er sich in der Waffenfabrik Mauser im Schwarzwald, bei einem Stuttgarter Fahrstuhlhersteller, einem Fass- und Kistenbauer und war schliesslich Leiter der Montage einer Knochenmehlmaschine.

Ein Zeitungsinserat und die Lust auf eine neue Stadt brachten ihn 1918 zu Emil Bachmann nach Zürich, der einen Mechaniker für Töffs und Velos suchte. Doch statt zu schrauben, führte er Bachmanns Verkaufsfiliale an der Seefeldstrasse 3 – im Gebäude der «NZZ». 1924 dann der Schritt in die Selbständigkeit, und als er nach nur 18 Monaten bereits sieben Schrauber beschäftigen kann, auch dank Kunden wie dem «Baur au Lac»-Hotelier Kracht mit seinem Bugatti, legt er am Stampfenbachplatz mit dem lukrativeren Handel los.

Zunächst mit Motorrädern, darunter Sunbeam, bald folgen – ebenfalls britische – Autos. 1935 schreibt er mit dem «Kundenbrief» die bis heute gültige Verfassung der Gruppe. Als im Zweiten Weltkrieg der Automarkt implodiert, überlebt er mit Fahrradmontage.

Emil und Walter Frey

Emil und Walter Frey im Chefbüro im Jahr 1976: Sie arbeiteten Jahrzehnte zusammen.

Quelle: ZVG

Einen Laden in Stuttgart muss er auf Druck der Nazis abstossen und hat fortan die Nase voll von Auslandstöchtern. Frey bleibt den britischen Herstellern treu, doch verzweifelt er allmählich an der schlechten Qualität ihrer Autos. Bei einem Urlaub in Südafrika stösst er auf einen Toyota: Solide, gefällig, bezahlbar – der wäre was für die Schweiz!

Die Freys fliegen nach Tokio, lernen die Familie Toyoda kennen, avancieren zum Schweizer Importeur. Walter, der mit dem Verkauf von Autos schon sein Taschengeld aufgebessert hat, bricht sein Wirtschaftsstudium, davon ein Jahr an der London School of Economics, ab und tritt 1967 in die Firma ein. 1969 wird er Chef.

Walter Frey macht Toyota in der Schweiz gross

Nun beginnt die Ära des Sohnes, der grandiosen Gründerleistung des Vaters ebenbürtig: Er macht Toyota in der Schweiz gross und erwirbt damit die Mittel, um 1975 seinem Vater das Unternehmen – unter dem Marktwert – abzukaufen. Schwester Esther, die als Sekretärin des Vaters arbeitet und keine Ambitionen auf eine Chefrolle hegt, bekommt ihren fairen Anteil; bis heute, sagen Nahestehende, sind die Geschwister eng verbunden. Esther Frey wohnt nach wie vor im Elternhaus an der Zürcher Susenbergstrasse.

Ob Walter Frey wie sein Vater grundsätzlich keine Dividenden auszahlt, ist unbekannt. Doch weiterhin werke die Gruppe, so Willi Diez, «sehr effizient, ist stark an Zahlen und Prozessen orientiert», gelte «als verlässlicher Partner für Hersteller» und dürfte der Einzige sein, mit dem VW, BMW und Mercedes zugleich kooperieren. Frey, sagt der Unternehmensberater und ehemalige Deutschland-Chef der Gruppe, Klaus Fricke, «ist eine der wenigen Adressen der Branche mit guter Bonität und Finanzkraft».

Lorenz, Kathrin, Nora, Walter und Barbara Frey (v.l.) 2014 beim ZSC.

Lorenz, Kathrin, Nora, Walter und Barbara Frey (v.l.) 2014 beim ZSC Lions.

Quelle: ZVG

Aber wo und womit die Emil-Frey-Gruppe überall tätig ist, lässt sich oft nur anhand von Indizien ermitteln. Im Heimatmarkt Schweiz sind die Aktivitäten am besten dokumentiert, hier fungiert Frey als Importeur und Händler zahlreicher Marken wie Toyota, Lexus, Subaru, Suzuki, Mitsubishi, Jaguar, Land Rover, Kia und weiterer kleiner Brands.

Bekannt ist, dass Frey für die französische PSA-Gruppe (Peugeot, Citroën, DS) in sechs Ländern Mitteleuropas als Importeur, also als Grosshändler, arbeitet, für Subaru neben der Schweiz auch in Frankreich, Polen, Ungarn, Tschechien und Deutschland. Im grossen Kanton importiert Frey seit 2014 zudem Mitsubishi; dies auch in Frankreich und Ungarn. Und die Sternenkreuzer von Mercedes importiert Frey in die Wachstumsregionen Kroatien, Serbien-Montenegro und Bosnien-Herzegowina, dort verbirgt sich Frey unter dem sinnigen Firmennamen Star Import.

Garagen in sechs Ländern

Garagen besitzt Frey neben der Schweiz und Deutschland auch in Frankreich, Belgien, Holland und Polen – in diesen vier Ländern kamen Standorte durch den PHSKauf hinzu. Zudem arbeitet Frey in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien und den genannten Balkanländern.

In Eigenregie betreibt die Gruppe zwischen 420 und 450 Garagen (die genaue Zahl ist unmöglich zu ermitteln), davon stehen 42 in der Schweiz. Hinzu kommt eine riesige Anzahl angeschlossener Händler, die Importeur Frey mit Autos und Ersatzteilen beliefert.

Toyota und Ford mutmasslich an der Spitze

Freys volumenstärkste Handelsmarken dürften Toyota und Ford sein, dann Peugeot und Citroën, Renault, Mercedes, BMW mit Mini und weitere Japaner. Kaum jemand weiss, dass Frey als grösster BMW-Händler der Schweiz gehandelt wird. Es gibt in Europa wohl keinen anderen Retailer, dessen Sortiment auch nur annähernd diese Breite erreicht.

Auch die üblichen Begleiterscheinungen der Autobranche finden sich bei Frey: Leasing, Firmenflotten, Finanzierungen, Teile und Logistik, Parkplatzbewirtschaftung (Apcoa), Mietwagen (Hertz), eine riesige Autowaschanlage (Best Carwash), Oldtimerbetreuung, Fahrsicherheitsschulen – aber auch Verkauf und Import von Kawasaki-Motorrädern.

Konzernzentrale Emil Frey

Schmucklose Konzernzentrale in Zürich: Im Bürotrakt oben sitzt die Gruppenleitung von Emil Frey.

Quelle: Gerry Nitsch

Die Aufzählung ist längst nicht abgeschlossen; Frey hat sich sein eigenes Fahrzeug-Universum geschaffen. Branchenfremd führt die Emil-Frey-Holding, zentrales Beteiligungsvehikel der Gruppe, ein Reisebüro (Cosa Travel), eine Inkassofirma (Sodimars), fünf Zürcher Quartierzeitungen, das Hotel Bad Horn oder das 200 Hektaren grosse Hofgut Albführen im deutschen Dettighofen.

Dieses Portfolio dürfte, neben dem Wunsch nach Privatsphäre, der Grund für Freys Schweigsamkeit sein: Als unerkannter Riese arbeitet es sich ungestörter. Und obwohl Frey in der SVP als «Verantwortlicher Kommunikation» zeichnet, möchte er womöglich die Wählerbasis nicht damit belasten, dass er geschätzte vier Fünftel seiner Geschäfte im Ausland abwickelt. Zudem muss er ja die Autobauer nicht mit der Nase darauf stossen, mit wie vielen ihrer Konkurrenten er Business treibt – für Hersteller ist der grenzüberschreitende Autohandel fast genauso unübersichtlich wie für Wirtschaftsjournalisten.

Walter Frey im Nationalrat

Geschäftsmann und Politiker: Walter Frey war von 1987 bis 2001 Mitglied im Nationalrat.

Quelle: Keystone

Letztlich wolle sich Frey gar nicht als Boss eines Konzerns sehen, sagen Branchenkenner, vielmehr nehme er die Gruppe als Ansammlung einzelner Gewerbebetriebe wahr; intern betiteln sie manche als «Vereinigte Hüttenwerke». In der Tat geniessen die Geschäftsführer der Garagen und Importmarken grosse Freiheiten und alle Ressourcen, unabhängig von der Zentrale zu wirtschaften; wer liefert, hört aus Altstetten wenig bis nichts.

So können sich die Schweizer Importmarken und die Garagen frei konkurrenzieren; Frey wolle keine Synergien herbeizwingen, sagt ein Kenner, Subsidiarität sei eins seiner gut schweizerischen Lieblingswörter.

Im Hause Frey existiert kein offizielles Organigramm

Unternehmensberater liess er nie ins Haus, weil man Strategien selber macht. Im Ausland hat Frey nur auf Länderebene Stäbe für Backoffice-Aufgaben wie Personal, IT, Recht, Controlling oder Immobilien installiert und arbeitet dort bis auf die oberste Ebene mit Einheimischen, statt Schweizer zu entsenden.

Die Gruppenleitung dürfte höchst übersichtlich sein, ist aber nicht ausgewiesen; tatsächlich soll bei Frey keinerlei Organigramm existieren. Neben CEO Schürmann gehören mutmasslich Finanzchef Werner Stössel, Stabschef Markus Stutz, Auslandschef Christian Klingler, der Geschäftsführer des Autohauses Altstetten, Peter Hug, sowie Freys Neffe und Göttikind Philipp Rhomberg als Leiter aller Digitalisierungsprojekte dazu; zum innersten Zirkel zählen auch die Leiterin des Rechtsdienstes, Beatrice Spuhler, und die Sekretärin des Verwaltungsrats, Christine Ungricht.

Seltener Neuzugang von extern

Alle sind langjährige Weggefährten Freys, mit denen er sich in der (ansonsten wenig frauenlastigen) Teppichetage umgeben hat. Ausnahme von der Regel ist der Österreicher Christian Klingler, ein ehemaliger VW-Vertriebschef, den Frey vor knapp zwei Jahren anheuerte. Er soll intern das Marketing als ältlich kritisiert haben und gilt als Mitauslöser der Digitalisierungsprojekte, die nun Rhomberg leitet, der dafür die Führung der hierzulande schwächelnden Marke Toyota abgab.

Rhomberg ist als ideenreicher Anreisser gefragt, zudem vertritt er die Gruppe in Branchenverbänden. Klingler verdiente als VW-Vorstand teilweise über sieben Millionen Euro pro Jahr und erwarb sich den Ruf einer als Manager getarnten Kreissäge – die Branche wunderte sich sichtlich, als Frey ihn holte.

Mittlerweile prallen bei Frey zwei Welten aufeinander. Einerseits die emilianischen Traditionen wie demonstrative Bescheidenheit im Auftritt und der an vielen Wänden hängende «Kundenbrief» von 1935 mit dem bis heute gültigen Mantra, dass hier Fachleute Qualitätsware zu fairen Preisen verkaufen.

Auto im Verkauf bei der Emil Frey Gruppe

Auto im Verkauf bei Emil Frey: Man ist stolz auf faire Preise.

Quelle: Keystone

Andererseits Kracherpartys wie zur Eröffnung des Oldtimer-Centers in Safenwil vor zwei Jahren, als Frey neben Martin Ebner, Christoph Blocher, Peter Sauber und Bernhard Russi auch die Musiker Seven, Philipp Fankhauser und Tina Turner zu Gast hatte. Erkennbar ist der Zug zur Moderne an der selbstbewussten Verpflichtung von Klingler und einem von Media Markt zur Gruppe geholten «CIO/CTO».

Längst hat Frey weltweit Scouts installiert, die für ihn bis nach China Trends der Branche nachspüren – das an Frey klebende Biedermann-Image eines zu gross geratenen Gewerblers «war zwar immer trügerisch, aber heute ist es grundfalsch», sagt ein Kenner.

Patronale Budgetgespräche

Doch bis heute leitet Walter Frey ganz patronal die jährlichen Budgetgespräche mit Garagisten und Markenchefs, die seinen Kalender im Oktober und November füllen. Seine Detailkenntnisse seien «unglaublich», staunt einer, der hier schon von Frey und Schürmann «intensiv befragt» wurde. Frey bohre gern bis in die Tiefen der Erfolgskontrolle einzelner Werbemassnahmen hinab. Das Führungspersonal der jeweiligen Einheit sitze dann Frey gegenüber, vom Boss aus gesehen in absteigender Reihenfolge nach Dauer der Kaderzugehörigkeit.

Walter Frey und Christoph Blocher

Langjährige Weggefährten: Walter Frey (li.) und Christoph Blocher 1992 im Nationalrat.

Quelle: Keystone

Bei Frey gibt es kein Gremium für die Bosse, doch intern sind sie als «Merligen-Kreis» bekannt – um den es bei Mitarbeitern Geflüster gibt: Man komme nur auf Empfehlung hinein, müsse dem Patron nahestehen, und nur hier kämen wichtige Zahlen auf den Tisch. Die Wahrheit über den Kreis, der nach dem Ort seiner ersten Zusammenkunft heisst, dürfte weniger klandestin aussehen: Direktoren und einige Vizedirektoren mit strategischen Funktionen treffen sich zwei Mal pro Jahr.

An den Weihnachtsfeiern, die in den Showrooms von Safenwil und Altstetten stattfinden, referiere Walter Frey kaum mehr als öffentliche Daten wie die Zahl der verkauften Autos – obwohl er seine Ansprache gern «Rapport» nenne. Das Catering solcher Anlässe stamme übrigens stets von Franzoli, der Firma von Esther Freys zweitem Sohn Franz Rhomberg.

Ferien um zwei Tage aufgestockt

Während Frey senior bewusst «immer etwa fünf Prozent über dem Branchendurchschnitt» zahlte, soll Walter Frey explizit Schweizer Durchschnittslöhne zahlen, was intern als «toll für Jurassier, aber weniger toll für Genfer oder Zürcher» gilt. Immerhin seien die vier Wochen Ferien kürzlich um zwei Tage aufgestockt worden.

Alle, die nicht im Verkauf arbeiten, können aber ihr Salär steigern – wer einen neuen Autokäufer anwirbt (bis zu zehn pro Jahr sind erlaubt), hat Anrecht auf die «Walter-Frey-Prämie» in Höhe von 500 Franken. Hinzu komme ein Bonus über einige hundert Franken, den Frey zwei Mal jährlich an alle Mitarbeiter und Pensionisten ausschütte, die sich zudem über eine hervorragende Pensionskasse freuen dürfen.

Von der Lehre bis zu Pension eine Million Franken

Unter den Automechanikern kreist die Faustregel: «Macht einer die Lehre bei Frey und bleibt bis zur Pensionierung, hat er eine runde Million in der Tasche.» Vor allem die Mechs seien es auch, berichtet einer, die die Kantine frequentierten; nicht weil andere das Essen nicht mögen, sondern es werde im selben Raum gekocht, und Kundenberater wollten vermeiden, dass sich Gerüche in ihren Anzügen festsetzen. Walter Frey selber gilt als unproblematischer Esser mit einer Vorliebe für Wiener Würstchen.

Fricke erinnert sich an sein Anstellungsgespräch: «Frey griff sich die ‹Auto-Biografie› seines Vaters, schrieb auf die erste weisse Seite ‹willkommen› und sagte zu mir, ‹ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit› – dann war ich eingestellt.»

Walter Frey

Walter Frey: Handschlag gilt.

Quelle: Keystone

Wie viele Familienfirmen ähnelt auch die Frey-Gruppe weniger einem Konzern als einem Königshof. Darauf deuten liebenswerte Schrullen wie der private Lift von der Tiefgarage in die Teppichetage hin, den vorwiegend Walter Frey nutzt, aber auch seine Aussage 2016 beim SVP-Treff im Albisgütli: «Ich konnte mich noch nicht pensionieren»; demselben Ansatz folgt Britanniens Elizabeth II.

Nur Frey zeichnet in der Gruppe mit Einzelunterschrift. Und während die Amag via Headhunter Kompetenzen (Markenführung, Finanzen, Recht, Retail) zusammensuchte, verlässt sich Frey im Verwaltungsrat inhaltlich ganz auf sich selbst und den dort auch präsenten CEO Schürmann. Ansonsten ist das Gremium eher mit «friends and family» besetzt: Freys Gattin Barbara, der Kommunikationsberater und Vertraute Urs Lauffer, seit 2011 Rolf Dörig, den Frey aus der Führungsriege der ZSC Lions kennt und dessen Firmen Adecco und Swiss Life sich als Sponsoren beim ZSC engagieren, und seit 2014 auch Franz Humer; man kennt und schätzt sich aus gemeinsamen Zeiten im Roche-Verwaltungsrat.

Kontrolle über Markt und Händler

Womöglich ist der Alleingang das Erfolgsrezept: Schliesslich blühte und gedieh die Firma unter den beiden Chefs und Eigentümern, den einzigen in beinahe 100 Jahren. Nach Emils Aufbauarbeit führte Walter Frey die Firma auf internationalen Wachstumskurs, hat in der Schweiz und im Ausland zahlreiche finanzschwache Garagen eingesammelt – dank einer vollen Kriegskasse, die ihm auch die Importeursverträge ermöglichen: Die Funktion als Grosshändler verleiht lukrative Koordinationsaufgaben, etwa die Ersatzteilversorgung, und verschafft zudem Kontrolle über Markt und Händler.

Wachstum sehen Experten als Königsweg im Autohandel, wo niedrige Margen hohe Investitionen ermöglichen müssen. Auch deshalb gebe es «dieses Rennen um Grösse», sagt Wulf Stolle, Autoexperte und Partner der Beratungsfirma A.T. Kearney. Nur grosse Gruppen hätten «ausreichend Investitionsmittel, um sich für die digitale Zukunft des Autohandels aufzustellen».

Margen über dem Marktdurchschnitt

Die Margen der Händler Europas sind minim: Viele verdienen mit Neuwagen gar nichts mehr. Im Gebrauchtwagenmarkt liegen dank niedrigerer Preistransparenz heute drei Prozent Marge drin, bei Ersatzteilen und Werkstattarbeit mindestens das Doppelte. Doch der Verkauf macht den Löwenanteil vom Volumen aus, sodass schon Umsatzrenditen von zwei Prozent für Handelshäuser als hervorragend gelten – Frey jedoch gilt als Renditeprimus Europas und soll in guten Jahren oberhalb von drei Prozent liegen.

Das Geld braucht es, denn zwischen Herstellern und Händlern ist ein Wettlauf ausgebrochen: Wer führt den Kunden, kann ihm Dienste anbieten, definiert die «customer journey» von Kauf über Service bis Verschrottung? Hersteller möchten direkten Kundenkontakt aufbauen, Kauf und Finanzierung übers Web abwickeln. Vieles davon wird aber auf Länderebene passieren: Nicht Stuttgart wird einen Mercedes-Fahrer in Zagreb betreuen, sondern die kroatische Landesgesellschaft. Gerade in kleineren Märkten setzen Autobauer gern auf freie Importeure mit Unternehmergeist, weil diese, sagt Stolle, «oft effizienter arbeiten als Vertriebsarme der Hersteller».

Mathias Seger (2.v.l.)

Ehrung für Mathias Seger (2.v.l.): Walter Frey ist Präsident des ZSC Lions.

Quelle: Keystone

Deshalb wird die teure Verzahnung von On- und Offline für Händler, vor allem aber Importeure zur Pflicht – und deshalb prognostiziert August Joas, Partner und Chef des Automotive-Teams der Beratungsfirma Oliver Wyman, die Branche sei «in Europa noch lange nicht am Ende der Konsolidierung: Bei Profitabilität und Skaleneffekten besteht Luft nach oben», in den USA seien Händler «zum Teil deutlich grösser und arbeiten profitabler».

Auch die Frey-Gruppe wird versuchen, ihre künftige digitale Infrastruktur mit möglichst viel Volumen auszulasten. Längst optimiert hat sie die Monetarisierung ihrer Gebäude; Immobilien sind in der Autobranche «als quasi mitlaufendes Geschäftsmodell ein ganz wichtiges Thema», sagt Joas. Übernimmt Frey Garagen, kauft er die Immobilien wann immer möglich mit – allein der Wert der Stuttgarter Schwabengarage, direkt am Schlossgarten gelegen, könnte sich innert 20 Jahren verdoppelt haben.

Wert von vier Milliarden Franken in Immobilien

Ob Frey die Immobilien zu Marktpreisen verbucht, ist nicht bekannt. Jedenfalls würden drei Prozent Umsatzrendite einen Jahresgewinn nördlich von 300 Millionen Franken bedeuten – viel Munition für weiteren Ausbau. Schon jetzt, rechnet ein Branchenexperte vor, sollte die Emil-Frey-Gruppe, wie im Autohandel üblich nach Umlaufvermögen plus Immobilien taxiert und konservativ geschätzt, einen Wert von vier Milliarden auf die Waage bringen.

Sein Schweizer Immobilienportfolio hat Walter Frey in der Holding Kalono gebündelt, benannt nach seinen Kindern: Kathrin, Jahrgang 1988, studierte Betriebswirtschaft, Lorenz, Jahrgang 1990, studierte ebenfalls Betriebswirtschaft, brach aber ab, um die Frey-Motorsportabteilung zu führen, und folgt insofern dem Beispiel seines Vaters. Kathrin soll derzeit im Digitalisierungsprojekt arbeiten, gilt als blitzgescheit und gern im Hintergrund bleibend, Lorenz als begabt für die Front und für PR. Beide haben diverse Stationen in der Firma durchlaufen. Tochter Nora, 1993 geboren, geht einen anderen Weg. Sie studiert Sport an der Hochschule Magglingen.

Generationenwechsel steht noch nicht an

Eine Übergabe an die dritte Generation soll aber noch nicht anstehen. Walter Frey, der jeweils zwischen sieben und acht Uhr auf dem Weg ins Büro gesehen wird, gilt mit bald 75 Jahren als sehr sportlich, unternimmt lange Spaziergänge mit seinen Hunden und klettert regelmässig durchs österreichische Montafon. Schon Vater Emil hatte sein Jagdrevier nach Vorarlberg verlegt und dort den einheimischen Mediziner Franz «Schurle» Rhomberg kennengelernt, der später Walters Schwester Esther heiratete, diesen März jedoch verstarb.

Walter Frey streift heute durch seine Eigenjagd Gafluna im hinteren Silbertal, und das gleichnamige Jagd- und Gästehaus dient der Familie als Ferienheim. Ob Freys Freunde Beat Curti und Fritz Gerber je da waren, ist nicht überliefert, doch Christoph Blocher schnürte hier bereits durchs Gehölz, und ganz in der Nähe hat Ex-UBSBoss Marcel Ospel sein Revier.

Trainingszentrum für den ZSC Lions

Nachwuchsförderung betreibt Frey vorläufig anderweitig: beim Eishockeyclub ZSC Lions, den er präsidiert. Dank Frey verfügt der ZSC heute über ein Trainingszentrum, das schweizweit Vorbildcharakter hat. Zwischen sieben und zehn Millionen, raunen Sportfunktionäre, lasse sich Frey sein Engagement jedes Jahr kosten.

Langjährige Treue hält Frey auch zum Hotel Bad Horn bei Rorschach am Bodensee. Es kam 1974 zur Gruppe, als Frey einen betrügerischen Toyota-Garagisten aus der Gruppe entfernen musste; bei den hinterlegten Sicherheiten des Gauners befand sich eine Hypothek auf das Hotel, Vater Emil erwarb es dann. Als die Familie zum Rundgang durch die Liegenschaft antrat, war Walter Frey der Erste, welcher der aktuellen Nutzung gewahr wurde: «Papi», sagte er, «häsch es Puff kauft.»

Nicht der Grösste, der Beste

Vermutlich ging eine Nutzungsänderung vonstatten, bevor Frey hier zur jährlichen Kadertagung der SVP empfing – wobei auch deren Abendpartys recht fröhlich verlaufen sollen. Frey finanzierte dem Hotel sogar den Nachbau einer US-Holzyacht, der nun als «Emily» über den Bodensee schippert. Das ist echtes Family Business.

Bei der Weihnachtsfeier 2016, erinnert sich ein Teilnehmer, habe Walter Frey verkündet, man wolle nicht der Grösste, sondern der Beste sein – ein Satz, den Vater Emil sicher unterschrieben hätte. Dass sie nun doch zum Grössten wurden, dürfte aber nicht allzu tragisch sein.

Dirk Ruschmann
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