«Mit unserer App können die ÖV-Unternehmen ordentlich Geld sparen», verspricht Gian-Mattia Schucan und zeigt auf die Tramhaltestelle am Bundeshaus in Bern. Sechs Billettautomaten stehen dort, drei auf jeder Strassenseite. Circa 210 000 Franken (35 000 Franken pro Automat) koste das, sagt Schucan. Fairtiq koste es hingegen nur rund 115 000 Franken, eine neue Verbundregion in der Schweiz zu erschliessen. Aus finanzieller Sicht also definitiv eine Ersparnis. Die Check-in-Check-out-App für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz und Liechtenstein gibt es seit 2016. Damals startete Schucan in drei Regionen, zwei Jahre später ist das mobile Ticket im ganzen Land einsetzbar.

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Fairtiq – das faire Ticket – funktioniert nach dem Prinzip «Ich zahle, was ich fahre». Bei jeder Fahrt, die der Kunde antritt, sucht die App den optimalen Ticketpreis heraus. Denn gezahlt wird am Ende einer jeden Verbindung. Dafür muss die App beim Betreten des Trams oder Zugs auf «Start» und später beim Verlassen wieder auf «Stopp» gestellt werden. Der Billettkontrolleur kann über einen QR-Code in der App sehen, ob der Passagier auch «eingecheckt», also für die Fahrt bezahlt, hat. Wer versucht, die App auszutricksen, und schwarzfährt, wird per SMS gewarnt. Für Firmengründer und CEO Schucan eine Idee mit bisher rentablen Folgen: Über 100 000 registrierte und rund 30 000 monatlich aktive Nutzer zählt das Start-up inzwischen. Und es werden täglich mehr – seit August 2017 hat sich der monatliche Ticketumsatz auf circa 1 Million Franken verachtfacht. Für jedes verkaufte Billett erhält Fairtiq eine Transaktionsgebühr und hat für die internationale Expansion ausserdem vier Investoren an seiner Seite. Im Juni gewann das Start-up den mit 25 000 Franken dotierten Swiss Economic Award in der Kategorie Dienstleistung und wird seitdem auch noch von UBS unterstützt. Der Award ist ein Meilenstein für Schucan und zeigt ihm, dass es mit Fairtiq in die richtige Richtung geht. «Wir stehen damit eindeutig auf der Landkarte der führenden Schweizer Jungunternehmen, was mir und dem ganzen Team das Gefühl gibt, eine richtige Firma zu sein.»

Fairtiq Meeting

Meeting bei Fairtiq. Gian-Mattia Schucan (hinten rechts) mit seinem Entwicklerteam. Fairtiq will 2022 mit seiner App in einem Grossteil Westeuropas im Einsatz sein.

Quelle: ZVG
Kosten auf ein Tausendstel gesenkt

Jetzt soll die Ticket-App über die Schweizer Grenzen hinauswachsen – Schucans bescheidenes Ziel heisst Europa. Im September starten er und sein Team im österreichischen Vorarlberg. «Es lässt sich schwer abschätzen, aber wir verfolgen das Ziel, 2022 mit unserer App in einem Grossteil Westeuropas im Einsatz zu sein», führt er aus. In der Schweiz habe es den Dominoeffekt gegeben. Man hoffe, diesen auch im Ausland auslösen zu können.

Zehn Jahre war Schucan Leiter Vertrieb und Services bei den SBB. Dann kündigte er, um etwas Neues auszuprobieren. Doch bereits zu SBB-Zeiten beschäftigte sich der 49-Jährige mit der Idee der Automatisierung des Ticketing. Die Lösungen erwiesen sich jedoch als viel zu teuer, deren Umsetzung hätte Jahre gedauert. Beides wollte Schucan vermeiden und so entstand Fairtiq. «Unser Produkt kostet tausendmal weniger – und das meine ich wörtlich.»
 

«Wir verfolgen das Ziel, 2022 mit unserer App in einem Grossteil Westeuropas im Einsatz zu sein.»

 

25 Verbundpartner hat Schucan schon von seiner Idee überzeugt. Unter anderem arbeiten die VBL oder die TPF in Freiburg mit Fairtiq zusammen. Einzig in Zürich und in Basel fehlen noch regionale Partner. «Aber ich arbeite dran», erklärt der Basler, der heute mit seiner Familie in Bern lebt. Sein früherer Arbeitgeber, die SBB, ist neu wieder mit an Bord. «Als wir mit unserer Lösung auf den Markt kamen, rief das erst mal Bestürzung hervor», berichtet Schucan. Doch die SBB hätten schnell den Mehrwert erkannt. Jetzt rüstet Fairtiq eine App des Bahnunternehmens mit seiner Technologie aus. Das Ergebnis soll bald auf den Markt kommen.

Swiss Economic Award

UBS engagiert sich für Jungunternehmer.

Der Swiss Economic Award ist der bedeutendste Jungunternehmerpreis der Schweiz und wird seit 1999 im Rahmen des Swiss Economic Forum vergeben. UBS verleiht jeweils einen mit 25 000 Franken dotierten Preis für herausragende unternehmerische Leistungen alternierend in den Kategorien «Dienstleistungen», «Hightech/Biotech» und «Produktion/Gewerbe». Die Gewinner erhalten zudem ein umfassendes Leistungspaket, bestehend aus fundiertem Expertenfeedback, wertvoller Medienpräsenz und Zugang zum einzigartigen SEF-Netzwerk. Die Preisverleihung findet am Swiss Economic Forum vor über 1200 Entscheidungsträgern der Schweizer Wirtschaft statt. Ab dem 15. November 2018 können sich Jungunternehmen für die Teilnahme am Swiss Economic Award 2019 anmelden: swisseconomic.ch/de/sef-award/
 

Benutzer sind im Schnitt 50 Jahre alt

«Die Kunden sind zwischen sieben und 90 Jahre alt.» Der Durchschnittsuser sei um die 50 Jahre und Feedback komme oft von älteren Semestern um die achtzig, die sich über die leichte Bedienbarkeit der App freuen, erzählt Schucan. Der Preis sei zwar wichtig, aber in erster Linie ginge es um Einfachheit. Warum es nicht vor allem die digitalaffinen Generationen Y und Z sind, die Fairtiq nutzen, kann sich der vierfache Familienvater nur so erklären: «Die Digitalfreaks können auch mit schwierigeren Lösungen spielend umgehen.»

Seit der Firmengründung wird die App ständig weiterentwickelt. Hat man mal vergessen, nach einer Fahrt auszuchecken, dann erkennt die App, dass man sich nicht mehr in einem fahrenden Objekt befindet, und beendet die Tarifierung, erklärt der Firmengründer. Und sollte doch mal ein falscher Fahrpreis berechnet werden, kann das umgehend in der App reklamiert werden und der Kunde bekommt sein Geld zurücküberwiesen. Noch ist die App nicht für Schiffs- oder Gondelfahrten nutzbar, auch der Nachtzuschlag fehlt. «Aber das kommt, das haben wir alles in der Pipeline», versichert Schucan.