Man muss nicht gleich so weit gehen wie der ehemalige CEO des Telekomunternehmens Tenovis, Peter Záboji, der sich so sehr «über die Schnorrer und Schnarcher» geärgert hat, dass er eine Wasserpistole zu den Sitzungen mitnahm und sie auch mit Erfolg einsetzte. Seine unorthodoxen Methoden brachten ihn nicht nur in die Schlagzeilen, sondern auch auf die Idee, sich künftig hauptberuflich mit Seminar-, Tagungs- und Workshop-Effizienz zu befassen.

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Schützenhilfe für seine Mission bekommt er von Alexander Schell, Leiter des Europäischen Institutes für angewandtes Kundenmanagement in München. Dieser hat seit 2002 mehr als 1000 Führungskräfte, Mitarbeitende und ungefähr gleich viele HR-Manager und Seminarveranstalter im EU-Raum und in der Schweiz befragt und sich ihren Frust über die «Meetingitis» angehört. Resultat dieser Sisyphusarbeit ist ein erstmals durchstrukturierter Leitfaden, der sich nicht einfach in Do?s und Don?ts erschöpft, sondern in fünf Phasen aufzeigt, wie eine effiziente Meetingkultur aufgebaut werden kann. (siehe Kasten)

Sitzleder ist gefragt

Schells Untersuchungen brachten Erstaunliches hervor: Die Besprechungs-Champions sitzen in Schweden. Dort nimmt ein Angestellter im Schnitt mindestens fünf Mal pro Woche an einem Meeting teil ? in den übrigen Ländern ist es rund halb so oft. «Und fast jede zweite Sitzung wird als unproduktiv eingestuft», stellte Schell fest. Während also in Unternehmen bei Durchlaufzeiten gefeilscht wird und Logistikvorgänge, Materialflüsse und Prozessabläufe fast mit der Stoppuhr gemessen werden, verschwendet man kostbare Zeit von Mitarbeitenden ? meist noch jene von höher qualifizierten, ergo besser bezahlten.

Besonders ernüchternd ist die Studie der Londoner Unternehmensberatung Proudfoot, die jährlich weltweit Berechnungen anstellt, wie sie Schell für Europa durchführt. Für diese Erhebung wurden die Auswertungen von 2600 Einzelstudien und 100 Projekten in grossen und mittleren Unternehmen herangezogen: Demnach verschwendet jeder Beschäftigte im Schnitt weit mehr als ein Drittel der Arbeitszeit mit unproduktiven Tätigkeiten in Meetings oder Workshops. Allein für Deutschland wurde ein volkswirtschaftlicher Schaden von 363 Mrd Euro oder 16% des Bruttosozialproduktes errechnet.

Für die Schweiz gibt es bei Proudfoot keine BIP-Berechnungen. Daher hat sich Professor Fredmund Malik vom Management Zentrum St. Gallen dieses Themas angenommen und errechnet, dass bei uns gar rund die Hälfte der Arbeitszeit in Konferenzen vertrödelt wird. Auch gemäss der Umfrage von Time/System, «Aktion gegen ineffiziente Meetings», könnten 31% aller Sitzungen gekürzt werden, 26% haben keine klare Zielsetzung und 86% der befragten Führungskräfte waren mit den Resultaten dieses teuren Blablas unzufrieden.

Allen Untersuchungen ist gemeinsam, dass Teilnehmende, wenn sie anonym bleiben durften, erklärten, sie würden während des Meetings ihre Festplatte aufräumen, E-Mails lesen, SMS verschicken, vor sich hindösen oder Strichmännchen zeichnen.

Sofortmassnahmen

Wie kann Abhilfe geschaffen werden? Es gibt eine Reihe von Massnahmen, die sich aufgrund aller genannten Untersuchungen rasch einführen lassen:

Klare Zielvorgaben,

auf Pünktlichkeit achten,

den Zeitrahmen festlegen,

entscheiden, wer unbedingt teilnehmen muss und für wen ein Ergebnisprotokoll genügt,

einen Moderatoren bestimmen,

regelmässige Pausen einplanen,

Profilierungsgehabe verbieten,

Ergebnisse der Diskussion regelmässig zusammenfassen

und möglichst rasch ein Ergebnisprotokoll mit Aktionsplan aushändigen.

Das Fehlen einer oder mehrerer dieser Selbstverständlichkeiten wurden in allen Umfragen am meisten bemängelt.

Hilfreich für Änderungen, die sich ebenfalls innert nützlicher Frist einführen lassen, sind gemäss allen befragten Zeitmanagement-Spezialisten unemotionale Sätze wie etwa: «Meint ihr nicht, dass wir jetzt vom Weg abkommen?», wenn das Palaver ausartet.

Ebenso zu den Sofortmassnahmen gehört auch die Bestuhlung. Kreis- oder Karré-Anordnungen haben sich in fast der Hälfte aller untersuchten Fälle als besonders effizient für die Gesprächsführung erwiesen. Auch für die optimale Teilnehmerzahl konnte eine Erfolgsquote ermittelt werden: Bei fünf bis sechs Personen ist sie im Urteil von 60% der Befragten am höchsten.

 

 

NACHGEFRAGT Fredmund Malik, VR-Präsident des Malik Management Zentrums, St. Gallen



«Sitzungsmanagment ist rund um die Welt gleich»

Es gibt unzählige Rezepte für eine effiziente Meetingkultur, wieso bewirken sie so wenig?

Fredmund Malik: Immer mehr Menschen, die wegen ihrer guten fachlichen Fähigkeiten in Führungspositionen kommen, sind auf eine Managementaufgabe nicht gut genug vorbereitet. Sie bekommen zwar Managementschulung, aber häufig die falsche. Richtiges Management kann man lernen, und zwar viel schneller als falsches. Dass viele Rezepte nicht funktionieren, liegt an den Rezepten.

In Ihren vielen Seminaren erleben Sie sicher auch selbstverliebte Plauderer. Wie stellen Sie diese ab?

Malik: Ich klemme sie höflich, aber beinhart ab. Je mehr einer herumschwafelt, desto mehr bemühe ich mich, höflich zu bleiben. Gelingt es nicht, hilft die Einsicht, dass ein Sitzungsleiter nicht nach der Beliebtheit bei Vielrednern streben darf, sondern nach der Wirksamkeit für die vielen anderen, disziplinierten Teilnehmer.

Studien ergaben bei gleichen Traktandenlisten Unterschiede bei Meetingkulturen in verschiedenen Ländern. Wie erklären Sie das?

Malik: Richtiges und wirksames Sitzungsmanagement ist rund um die Welt gleich, nicht aber äussere Erscheinungsformen. Daher darf man sich von solchen Umfragen nicht beeindrucken lassen, weil Unterschiede deutlicher in den Vordergrund rücken als sie wirklich sind.

Wie kann man Sitzungsmanagement lernen?

Malik: Wir zum Beispiel bilden pro Jahr 12000 Führungskräfte aus. Sitzungsmanagement ist dabei ein Standardthema. In mehr als 30 Jahren haben wir entsprechende Methoden entwickelt, die sich auch weitervermitteln lassen. Es ist immer wieder erfreulich zu erleben, wie viele Teilnehmer dadurch an Kompetenz gewinnen und sicher zum Teil auch deswegen weiterbefördert werden.