Frau Direktorin trägt an diesem Tag Flip-Flops und einen modischen Sommerrock. Von Swissness und Heimatkitsch keine Spur. Sie lacht. Und zuckt mit den Schultern. «Natürlich besitze ich eine Tracht. Eine aus dem Entlebuch. Aber wo und wann ich die zum letzten Mal getragen habe, kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.»

Isabelle Emmenegger, Bauerntochter, Primarlehrerin, Juristin, Laufsportlerin, kennt das Klischee, das in manch männlichem Kopf herumgeistert, wenn die Stichworte «Schwingen» und «Frau» fallen. Damen nämlich haben beim Nationalsport, dessen Protagonisten als «Böse» betitelt werden, auch heute noch im Publikum zu sitzen. Oder sie dienen als hübsche Staffage, in Tracht, mit Blumenpracht - als Ehrendamen eben.

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«Geschlechterfrage für niemanden ein Thema»

Und jetzt das! Eine Frau verantwortet die Organisation des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfestes, welches am Samstag in Estavayer- le-Lac stattfindet. Das hat es in der über hundertjährigen Geschichte des Anlasses noch nie gegeben. Die 39-Jährige kann sich ein erneutes Schmunzeln nicht verkneifen. «Wissen Sie was? Die Geschlechterfrage ist in meinem Fall für niemanden ein Thema. Ausser vielleicht für Sie Journalisten!»

Zusammen mit zwei Brüdern ist Isabelle Emmenegger auf dem elterlichen Hof bei Schüpfheim aufgewachsen. Im Sommer jeweils ging es ab auf die Alp ob Sörenberg zum Heuen. «Ich habe immer schon gerne zugepackt. Und als Entlebucherin verfüge ich sowieso über einen ganz speziellen, eigenen Grind.» Den habe sie stets nach ihrem Willen durchzusetzen gewusst. «Wenn ich mich für etwas entschieden habe, dann gebe ich tutto. Wenn mir aber nicht einleuchten will, weshalb ich jetzt unbedingt etwas so oder so zu machen habe, dann wird es schwierig - für mich und das Gegenüber.»

Ein Leben in Projekten

Vielleicht liegt in diesem Charakterzug auch der Grund, weshalb sie keine geradlinige Karriere angestrebt, sondern ihr Glück stets in zeitlich begrenzten Projekten gesucht und gefunden hat. «Ein Bürojob mit Perspektive Pensionierung? Das ist nichts für mich», sagt Emmenegger. Nach der Ausbildung zur Primarlehrerin folgte denn auch gleich ein Jus-Studium, welches sie sich mit Teilzeit-Lehrpensen selber finanzierte. Danach trat sie in die Dienste des Bundes ein und war bei der Organisation der Fussball-Europameisterschaft 2008 in der Schweiz und Österreich mit von der Partie. Im Anschluss daran zeichnete Isabelle Emmenegger für die Reorganisation des Kantongsgerichts Freiburg verantwortlich. «Als das erledigt war, hörte ich über Bekannte davon, dass ein Direktor für das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2016 gesucht würde. Mir war sofort klar, dass das passen könnte, also schickte ich mein Dossier ein.»

Und es hat «gepasst». Seit 2012 ist Isabelle Emmenegger für die operative Leitung des Mega-Anlasses verantwortlich, zu dem am Wochenende über eine Viertelmillion Zuschauer erwartet werden. In ihrer Funktion leite sie praktisch ein KMU, führt die seit vielen Jahren im Kanton Freiburg wohnhafte Single-Frau aus. Im Organisationsteam arbeiten 200 Personen mit. Einige seien angestellt, viele seien auf freiwilliger Basis dabei. Und dann sei da noch die zugezogene Manpower, Werbeagenturen beispielsweise. «All diese unterschiedlichen Pensen und persönlichen Befindlichkeiten unter einen Hut zu bringen, das ist wohl die grösste Herausforderung, die mein Job mit sich bringt.»

Dünkel kann sie nicht leiden

Als ausgebildete Lehrerin beruft sie sich auf einen sozialen Hintergrund. Und der sei unglaublich wichtig, wenn es darum gehe, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die allesamt über unterschiedliche Professionalisierungsgrade verfügen. «Es soll niemand meinen, er sei aufgrund seiner Ausbildung oder seiner Position besser als der andere, das kann ich grade gar nicht leiden», bemerkt Isabelle Emmenegger. Für sie steht der Respekt vor dem Menschen jederzeit im Zentrum ihres Tuns. «Das ist auch das Schöne am Schwingen: Es gibt kaum Barrieren, egal ob Regierungsrat oder Büezer, am Sägemehlring sind alle gleich und per du.»

Eine Tatsache, die gerade in Verhandlungen mit Geldgebern häufig für grosse Augen oder ungläubiges Staunen sorge. «Wir haben es zwischendurch mit Geschäftsdelegationen zu tun, für die der Schwingsport absolutes Neuland ist. Deren Verantwortliche sind in der ganzen Welt unterwegs, haben Meetings in Teppichetagen und schliessen Geschäfte in englischer Sprache ab. Die sind den direkten, hemdsärmeligen Umgang nicht unbedingt gewohnt», bemerkt Isabelle Emmenegger schmunzelnd.

Hosenlupf mit Sponsoren

Der Schwingsport boomt seit einigen Jahren. Und immer mehr Unternehmen setzen zum werbemässigen Hosenlupf an. Am Eidgenössischen von Estavayer-le-Lac sind Sponsoren Chefinnen-Sache. «Ich bin halt auch schon lange dabei. Teilweise haben sich die Verhandlungen über drei Jahre hingezogen», erklärt Emmenegger.

Zwischen Sponsoren aus der Romandie und solchen aus der Deutschschweiz lasse sich durchaus ein Unterschied ausmachen, fügt sie hinzu. «Die Deutschschweizer muss man vom Schwingen überzeugen. Den Romands muss man es grundlegend erklären. Am Ende aber stehen beide gleich begeistert hinter ihrem Engagement.»

Werbung in der Arena verboten

Nach wie vor untersagt ist das Werben in der Arena selbst. Dort, wo über 50 000 Zuschauer zwangsläufig Notiz von jedem Namen, jeder Botschaft nehmen würden. Natürlich könnten Veranstalter und Verband ein lukratives Geschäft daraus machen, meint die Direktorin. «Aber der Schwingsport und alles, was rundherum passiert, zeichnen sich durch einen gewissen Anachronismus aus.» Das müsse nicht per se schlecht sein, betont Isabelle Emmenegger und überlegt kurz. Dann meint sie: «Ganz im Gegenteil. Manchmal tut ein bisschen Sturheit ganz gut.»