Peter Graf, der einst die Geschicke von Charles Vögele leitete, sagt unverblümt, er sei genug in der Presse herumgereicht worden und empfinde es «als Privileg», heute als gefragter Ernährungsberater ohne mediales Scheinwerferlicht seiner von ihm bewusst ausgewählten Tätigkeit nachzugehen.

Eine Antwort, die oft bekommt, wer Aus- und Quereinsteigern aus den Chefetagen auf der Spur ist. Vielen ist gemeinsam, dass sie ihre neue Aufgabe geniessen, aber eigentlich froh wären, wenn man sie in Ruhe liesse.

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Zurück zur Natur

Urs Bühler, der Inhaber des weltweit tätigen Technologiekonzerns Bühler in Uzwil, hat sich ebenfalls aus eigenem Antrieb ein ganz neues «Geschäftsfeld» abgesteckt: Im Alter von 58 Jahren hat er sich aus der operativen Führung zurückgezogen und ein Gesundheitszentrum für Tiere eröffnet. Er hat sich zum Tierkinesiologen ausbilden lassen und pendelt mit einem Biotensor gesundheitliche Probleme seiner Patienten aus. «Heute weiss ich, dass jedes Lebewesen sagen kann, welche Behandlungsmethode angemessen ist», sagt der passionierte Reiter.

Auch der als Banker eher glücklose Hans-Dieter Vontobel fühlte sich zur Fauna hingezogen und zog sich auf sein Gestüt in Südfrankreich zurück.

Pferde spielen im neuen Lebensabschnitt des ehemaligen Zürcher Flughafenchefs Josef Felder ebenfalls eine wichtige Rolle. Auf seinem Schloss in Oetlishausen hat er eine Pension für seine Schützlinge eingerichtet. Angegliedert ist auch eine Damhirschzucht. «Aber im Mittelpunkt steht jetzt mein Engagement für Pro Juventute, die ich präsidiere. Diese Organisation liegt mir sehr am Herzen», sagt Felder.

Etwas total Neues hat David Snoad, einer der beliebtesten GaultMillau-Köche der Ostschweiz, machen wollen. Gourmets - unter ihnen viele Feinschmecker unter den CEO - sind davon überzeugt, dass er in der nächsten Bewertungsrunde locker einen weiteren Punkt zu den bereits errungenen 15 Punkten bekommen hätte. «Aber die Naturheilkunde hat mich schon als Kind fasziniert», erzählt er. Heute besitzt er eine florierende Praxis, in der Menschen mit alternativen Methoden von verschiedenen Leiden, Phobien und Allergien geheilt werden.

Ebenfalls unerwartet war der Neustart von Mister St. Moritz, Hanspeter Danuser. Nachdem er jahrzehntelang diese Marke verkörpert hat, steht er jetzt im Dienst der Deutschen Bank. «Ich bin in erster Linie Katalysator. Ich mache für die Bank das, was ich am besten kann: Leute zusammenbringen, die miteinander geschäften können.» Um konkrete Beispiele gebeten, erwähnt er etwa Interessenten, die in St. Moritz Liegenschaften erwerben und ihr Schweizer Vermögen geschickt diversifizieren wollen. Oder Sponsoren für Grossevents. «Ich bin nichts anderes als ein notorischer Geschäftskuppler», sagt er. Immerhin muss diese Tätigkeit der Deutschen Bank so wichtig sein, dass sie für ihn eigens eine Geschäftsstelle in St. Moritz eingerichtet hat, und wer mit ihm spricht, hat das Gefühl, einem Banker gegenüber zu sitzen.

Thomas Scheitlin, ehemaliger UBS-Direktor, hat dagegen der Bankenwelt den Rücken gekehrt: Er wurde aus vielen Anwärtern zum Stadtammann von St. Gallen erkoren, nicht zuletzt wegen seiner langjährigen Wirtschaftserfahrung im In- und Ausland. Er machte seine Sache als Finanzchef so gut, dass er letztes Jahr jedem Bür- ger einen 50-Fr.-Gutschein schenken konnte.

Politik und Wirtschaft

Das war mehr als ein Gag: Umfragen zeigen, dass er mit dieser Geste vieles wieder gut machte, was sich an Groll beim Mann auf der Strasse angestaut hat. Was er aus der Privatwirtschaft in die Politik mitnahm? «Für innovative Ideen muss ein Staatsbetrieb kein hartes Pflaster sein.»

Auch der umgekehrte Weg kann funktionieren: Nicht etwa, dass Roland Eberle als Regierungsrat eine ruhige Kugel schieben konnte. Ein Finanzvogt der haushälterischen Thurgauer hat nichts zu lachen. Was ihn dann als neuen CEO von sia abrasives erwartete, glich aber eher einem Stahlbad. Zum allgemeinen wirtschaftlichen Abschwung kamen die hartnäckigen Einstiegsversuche von Giorgio Behr und schliesslich die Übernahme durch Bosch.

Was hat Eberle aus seiner Politkarriere mit ins Geschäftsleben genommen? «Dass man bei wichtigen Entscheiden möglichst alle Stakeholder anhört und miteinbezieht. Was nicht heisst, dass man allen willfahren muss, aber wer Anspruchsgruppen und ihre Anliegen missachtet, bekommt es früher oder später wieder mit ihnen zu tun, und dann sind die Fronten oft schon verhärtet.»

Jäger und Sammler

Hubert Looser, ehemaliger Mehrheitsaktionär von Walter Rentsch und erfolgreicher Leader, hat sich dagegen total aus dem Geschäftsleben zurückgezogen und die Looser Foundation gegründet, welche sich wohltätigen und kulturellen Zwecken widmet. Wie Peter Graf hat er überhaupt keine Lust, wieder ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt zu werden, obwohl er heute eine der bedeutendsten Kollektionen für moderne Kunst besitzt.

Im Gespräch schliesst der passionierte Sammler nicht aus, dass man von ihm eines Tages wieder hören werde. «Aber jetzt ist es noch zu früh», findet er und gibt zu verstehen, dass er alles, was mit seinem früheren Status als bekannte Figur in der Wirtschaftslandschaft zu tun hat, hinter sich liess.

Einen noch extremeren Bruch hat Hans Palmers, Millionenerbe des Textilunternehmens Calida, vollzogen. Er wurde Zen-Priester, gründete ein Meditationszentrum auf der Rigi und ist Präsident der Schweinefreunde.

Ihn zu erreichen ist ein Ding der Unmöglichkeit. «Er wird wohl wieder irgendwo unterwegs sein», sagt einer, der ihn persönlich kennt und ihm attestiert, dass er seine Mittel gezielt «wie ein Ökonom», aber für nicht kommerzielle Zwecke einsetzt. Was zeigt, dass unternehmerische Gene durchaus zu ideellen mutieren können.



NACHGEFRAGT

André Schläppi, Grass & Partner, Out- und Bestplacement, Zürich

«Klettern müssen die Leute selbst»

Welche Gründe werden von Aus-, Um- oder Quereinsteigern meistens für ihren Entscheid genannt?

André Schläppi: Es geht vor allem darum, neue Ziele und Ideen zu verwirklichen. Aufgrund unserer Erfahrung stellen wir fest, dass oft die Sinnhaftigkeit nicht mehr gegeben und die Identifikation mit der Arbeit, der Branche oder der Firma abhanden gekommen ist oder dass die Werte nicht mehr übereinstimmen. Gründe können auch durch Ereignisse von aussen aufgezwungen werden - etwa durch Strategie- oder Chefwechsel.

Wann raten Sie von einem solchen Schritt ab?

Schläppi: Wenn keine klare Vorstellung, über das, was man erreichen will, vorhanden ist und wenn richtige Motive fehlen. Das gilt auch für das Fehlen zündender Ideen und Kompetenzen oder Talente, die nicht eingesetzt werden können. Dann funktioniert ein Aus- oder Umstieg nicht. Wir empfehlen Führungskräften sowieso, alle fünf Jahre eine fundierte Standortbestimmung und eine intensive Auseinandersetzung mit ihren Stärken und Schwächen vorzunehmen. Mit einer sogenannten «persönlichen Eigenkapitalbilanz» lässt sich die eigene Vision weiterentwickeln.

Unter welchen Prämissen glückt ein solcher Schritt am besten?

Schläppi: Wichtig ist eine starke Selbstreflexion im Sinn der vorhin erwähnten Analyse. Wenn man sich schon eine geraume Zeit mit einer Idee, einer Vision getragen hat, die durch Begeisterung, Leidenschaft und Identifikation geprägt ist, sind die Voraussetzungen zum Erfolg bei der Verwirklichung relativ gut. Wichtig sind aber auch Geduld und eine finanzielle Basis, die erste Durststrecken überstehen lässt.

Wie nachhaltig sind solche Vorhaben aufgrund Ihrer Erfahrungen?

Schläppi: Wir verfolgen unsere Klienten während drei bis fünf Jahren, und es hat sich gezeigt, dass eine gute Vorbereitung zu einem nachhaltigen Erfolg führt, sind doch über 90% von ihnen an ihrem neuen Platz erfolgreich und glücklich. Als Coach verwende ich gerne das Bild des Bergführers: Wir können Anweisungen und Empfehlung zur Route und zum Material geben, aber laufen und klettern müssen die Leute selbst.